Neum 2000

19. - 24. 03. 2000.

Dr. Fra Franjo Vidović: DIE PROPHETEN IN DER HL. SCHRIFT UND TRADITION DER KIRCHE
P. Sabino Palumbieri, sdb: "DIE POSITION DER CHRISTEN IN DER MODERNEN ZIVILISATION"
Alfons Sarrach: MEĐUGORJE- EIN GESCHENKTES DRITTES AUGE


Vortragende des diesjährigen Seminares sind:

Fra Franjo Vidoviæ, geb. am 19. Febr. 1960 in rnkovci bei Osijek in Kroatien. Die Grundschule beendete er 1975 in Zagreb und legte im Juni 1979 im klassischen Franziskaner-Gymnasium in Visoko die Abiturprüfung ab. Am 15.07.1979 trat er in das Noviziat der Herzegowinischen Franziskanerprovinz in Mostar ein. Die Jahre von 1980 bis 1984 verbrachte er im Gefängnis in Zenica. Er war wegen "antikomunistischer Tätigkeit" verurteilt worden. Mit einem Diplom schloß er 1987 die philosophisch-theologischen Studien ab und legte im Jahre 1992 seine Magisterprüfung der Theologie an der Universität in Augsburg ab. In den Jahren 1991 und 1992 wirkte er seelsorgerisch in der Herzegowina (Kloster Humac). Während des Jahres 1992 war er Militärkaplan in den Einheiten der kroatischen Armee. Im Jahre 1997 erlangt er mit seiner Dissertation aus dem Gebiet der biblischen Theologie den Doktorgrad an der Universität Graz in Österreich. Im Augenblick wirkt er seelsorgerisch in Weißenstein in Österreich. Er arbeitet an der Habilitation und hält Vorlesungen über Die Biblische Theologie des Neuen Testamentes an der Philosophischen Fakultät der Gesellschaft Jesu (Jesuiten) in Zagreb.

Sabino Palumbieri ist 1934 in Lavello (Potenza) geboren. Er ist Mitglied der Kongregation der Väter der Salesianer. Im Jahre 1961 wurde er zum Priester geweiht. Er diplomierte an der philosophischen und theologischen Fakultät und doktorierte aus dem Gebiet der Anthropologie. Im Augenblick wirkt er als Professor an der Päpstlichen Salesianer-Universität (UPS). Er ist Essayist und Journalist, schreibt aus anthropologischer Sicht zahlreiche Studien über die Ursachen und Bedeutungen der Ereignisse unserer Zeit. Er hat die Gesellschaft "TR-2000" (Zeugen der Auferstehung für das Jubiläum 2000) gegründet und eine nationale Bewegung mit internationalen Kulturverbindungen und humanistisch-christlichen Tätigkeiten organisert. Außerdem ist er der Organisator einer neuen Art der Volksfrömmigkeit unter den Menschen, "Via Lucis" (Weg des Lichtes), die sich über die ganze Welt verbreitet.

Alfons Sarrach, geb. 1927 im ehemaligen Freistaat Danzig und aufgewachsen in deutsch-polnischer Kulturtradition. Im Jahre 1939 wurder er zusammen mit seiner Familie in ein Konzentrationslager gebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er Philosophie, Theologie und Psychologie in Rom und Paris. Im Jahre 1965 wird er freier Journalist und später führender, politischer Redakteur in mehreren Tageszeitungen. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und Bücher. 1993 veröffentlichte er das Buch "Der prophetische Aufbruch von Medjugorje", das bemüht ist, tiefer in die Geheimnisse des großen Antriebs vorzudringen, der seit dem Jahre 1981 aus dem kleinen Ort Medjugorje in der Herzegowina kommt und nach einem Jahrhundert, in dem in vielen Staaten Haß herrschte, Millionen von Menschen in der ganzen Welt geholfen hat, wieder einen Sinn in der Zukunf zu sehen.

E R K L Ä R U N G

Versammelt vom 19. - 24. März 2000 in Neum zur 7. Begegnung der Leiter der Friedenszentren und der Medjugorje-Gebetsgruppen, wenden wir uns an die Freunde und Pilger der Friedenskönigin:

  1. Wir befinden uns in einem Jahr des großen Jubiläums der Christenheit. Wir soltten uns bemühen, Jesus Christus in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen, um unseren Beitrag zur Erneuerung der Kirche unserer Zeit und unserer Ortskirche zu leisten.
  2. Zwischen dem Inhalt des Jubiläumsprogrammes und den Botschaften der Muttergottes aus Medjugorje erkennen wir Berührungspunkte. Das Wort der Muttergottes: "Tut alles, was Er euch sagt" (…) entdeckt uns, das Jesus Christus gestern, heute und immer der gleiche ist.
  3. Die Verkündigung des Evangeliums ist eine prophetische Aufgabe aller Getauften. Sie verwirklicht sich vor allem im eigenen Leben. Ein unbeirrtes Leben ist die beste Verkündigung. Das gleiche gilt für die Verbreiter der Botschaften der Muttergottes.
  4. Der Aufruf der Muttergottes zum Frieden und zur Versöhnung sollte in besonderer Weise im Leben des Einzelnen, in der Familie und den Gruppen gegenwärtig sein und zwar gerade im Jahr des großen Jubiläums.
  5. Wieder rufen wir alle auf, die Ursprünglichkeit der Spiritualitaet Medjugorjes besser kennen zu lernen und treu zu bewahren.

Medjugorje, den 24. März 2000

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Dr. Fra Franjo Vidović

DIE PROPHETEN IN DER HL. SCHRIFT UND TRADITION DER KIRCHE

Hauptthema der Prophetie im AT ist die Beziehung des Menschen zu seinem Gott.

Wesentliches Charakteristikum der menschlichen Existenz im allgemeinen, der des auserwählten Volkes im besonderen stellt das richtige Verhältnis des Menschen zu seinem Gott dar. Dieses richtige Verhältnis ist lebenswichtig, weil von ihm Glück, Erfolg, ja der Sinn des Lebens, oder aber im negativen Fall Unglück, Mißerfolg und Sinnlosigkeit abhängen. Das Fundament der Existenz des auserwählten Volkes besteht in dieser richtigen Beziehung zu Gott, der sich in der Geschichte geoffenbart hat.

Für die Propheten bedeutet glauben, zu verstehen, was Gott für den einzelnen und für das ganze Volk bedeutet. Das Verhältnis zwischen Gott und seinem auserwählten Volk beinhaltet noch zwei andere Fragen: Wie begründet man die Beziehung zu Gott und welche Verpflichtungen oder Erwartungen erwachsen daraus?

Wie kann man die Geschichte aus dieser Beziehung heraus deuten?

Die ganze Geschichte des auserwählten Volkes betrachtet man aus der Perspektive des ersten Gebotes des Dekalogs, Jahwe solus, außer Jahwe gibt es keinen Gott.

Für die Propheten beginnt die Geschichte des Königtums mit etwas Unerhörtem: Israel will neben Jahwe, der der einzige König ist, noch einen anderen König haben. Neben mispat Jahwe (das Gesetz Jahwes) gibt es nun auch das Gesetz des Königs. Deshalb ist für die Propheten klar, daß die Geschichte des Königreiches mit einer Katastrophe, dem Exil, enden muß. Israel hat das erste Gebot, Jahwe solus, gebrochen. Die ganze Geschichte wird am Gehorsam oder Ungehorsam gegenüber Gott gemessen.. Jahwe ist Gott, der sich im Wort offenbart, im Unterschied zur griechischen Vorstellung, die in Gott ihre ästhetischen Ideale projiziert. Der Gott der Offenbarung ist ein Gott, der sich den Seinen kundtut. Er beruft, er gebietet, er verspricht. Der Gott der Offenbarung zeigt sich dem Menschen nicht als ein Objekt ästhetischer Kontemplation, sondern Grund seiner Offenbarung ist der Dialog und der Gehorsam. Oder, einfacher gesagt, Jahwe kann man nicht sehen, aber man kann ihn hören. Jahwe steht im Mittelpunkt des prophetischen Gedankens, man kann ihn aber nicht in Bildern, Statuen darstellen. Jahwe offenbart sich selbst in der Geschichte als das Große Ich, ani hu. Diese Ich spricht, wirkt, entscheidet. Diese Ich kann man nicht an einem bestimmten Ort oder in einer bestimmten Form festmachen. Der einzelne wird aufgrund seines Gehorsams oder Ungehorsams dem Wort gegenüber beurteilt.

Der Prophet

Das hebräische Wort für Prophet, nabi kommt vom akkadischen Wort nabu, was soviel wie rufen, verkünden bedeutet. Etwas Ähnliches meint das griechische projhthV. Man kann es aber auch passiv verstehen, den Propheten als denjenigen, der gerufen wird. Hinter dem Passiv steckt Gott, er ist aktiv, er ist jener, der beruft. Im AT begegnen wir dem Wort nabi 308 mal, in den frühen Texten der Hl. Schrift haben wir für den Prophet die Bezeichnung Mann Gottes (´isch ha´aelohim), oder Seher (ro´oeh; hozoeh). Es scheint, daß die Bezeichnung “Mann Gottes” auch ein Titel der auserwählten Führer des Volkes wie Moses (Dtn 33,1) oder David (Neh, 12,24.36) war. Insbesondere trägt diese Titel Elija (29x). Dieser Titel beinhaltet die Verbundenheit des Propheten mit seine Gott, der ihn berufen hat.

Der Seher hat die Fähigkeit das zu entdecken was verborgen ist oder das zu entdecken, was kommen wird (1Sam 9,9-19). Beim Seher wurde das betont, was er sieht, beim Propheten, was er redet (Jes 30,10). Die göttliche Offenbarung erlebt der Prophet als Offenbarung der Bilder, er “sieht”, oder Offenbarung des Wortes, er “hört”. Der Prophet sieht “Gesichter” (vgl. Amos 9,1ff; Jes 6,1ff) er sieht auch die Zusammenhänge zwischen den Dingen, welche andere nicht sehen, er sieht tiefer und weiter. Die Dinge, die im Alltag geschehen, haben für ihn andere Bedeutung, sie sind für ihn Symbole des Willens Jahwes: Der gewöhnliche Korb mit den Früchten, wird für den Propheten Amos ein Symbol für das Volk, das “reif” ist für das Exil (vgl. Am 8,1-2), oder die Eheproblematik wird für den Propheten Hosea ein Symbol der Beziehung des Volkes seinem Gott gegenüber (vgl. Hos 1, 2ff). Der Prophet erkennt das göttliche Wirken im Alltag. Das Hauptcharakteristikum des prophetischen Wirkens ist sein Wort. Der Prophet ist ein Mann des Wortes. Das Wort Jahwe “ergeht” an ihn, Jahwe “spricht” zu ihm (vgl. Hos 12,11), das göttliche Reden macht den Propheten erst zum richtigen Propheten.

Bei allen alttestamentlichen Propheten entdecken wir drei Konstanten, die sich ähneln, teilweise sind sie gleich und sie sind wesentliche für die authentische Prophetie: Der Prophet hat aufgrund seiner Erfahrung eine besondere Beziehung zu Gott. Am Anfang ihrer prophetische Existenz hat die Mehrheit der Propheten eine besondere Erfahrung Gottes; Der Prophet ist von Gott auserwählt, er ist “herausgenommen”, “die Hand Gottes berührte ihn” (Jer 1,9); der Prophet ist vom Geist durchdrungen (Ez 3, 14,), er ist ein Mann des Geistes (Hos 9, 7). Auf diese Art wird der Prophet ein “Mann Gottes”- spezifische Titel des Propheten z.B. in 1Sam 2,27ff. Der Prophet ist ein Freund Gottes, und Vertrauter Gottes, der “Knecht Gottes” - Ebed Jahwe. Die prophetische Erwählung schließt alle diese Bezeichnungen in sich ein.

Das zweite Charakteristikum, das man bei den Propheten findet, ist seine Sendung. Jahwe hat den Propheten erwählt und ausgesandt. Für das prophetische Wirken hat er ihm seinen Geist geschenkt, in der Kraft dieses Geist verkündet er in Namen Gottes, er redet in seinem Namen, er wird “Mund Gottes” (vgl. Jes 6,8; Jer 1,7). Auf Grund seiner Sendung traut sich der Prophet seinen Zuhörern zuzurufen “Hört das Wort Gottes”, seinem prophetischen Wort gibt er die Bezeichnung “das Wort Jahwe”. Dieses Reden im Namen Jahwes, anstatt Jahwe ist eines der Hauptcharakteristika der wahren Prophetie.

Der Prophet ist nicht nur jemand, der im Namen Jahwes zum Volk redet, sondern er spricht auch im Namen Israels zu Gott. Das kommt besonders im prophetischen Fürbittgebet zum Ausdruck z.B. 1Sam 12,17-25; Am 7,2.5; Jer 18,20. Der Prophet hat Eine Mittlerfunktion, er vermittelt zwischen Gott und seinem Volk und zwischen dem Volk und seinem Gott. Der prophetische Dienst beinhaltet auch den Dienst des Hüters. Der Prophet ist Wächter über Israel (vgl. Ez 3,17). Der Prophet ist wie ein Hirte, der die Verantwortung für seine Herde trägt (Ez 3,17-12,21).

Verschiedene prophetische Gruppen im AT

In den Texten des AT finden wir verschiedene Arten der Prophetie.

a) Die älteste prophetische Gruppe, die wir im AT finden, hat als Hauptcharakteristikum die Ekstase. In diesem Zustand sprechen sie gewisse Botschaften aus (Glossolalie, 1Kor 14) Ekstase ist “ansteckend”, so finden wir auf einmal Saul unter den Propheten (1Sam 10,5ff; 1Sam 19,18ff.) Die Bibel berichtet, daß auch die Baalspropheten Ekstatiker waren (1Kön 18,19-40). Diese Propheten wirken anziehend auf die Israeliten, aber andere betrachten sie als mešugge - Verrückte (Hos 9,7)

b) Im ersten und zweiten Buch der Könige finden wir Gruppen von Propheten, die monastische Züge tragen; man spricht von den “Söhnen der Propheten”. Diese Gruppen bilden sich um große prophetische Persönlichkeiten wie z.B. Elija, (2Kön2,3ff.) Elija tritt gegen den Synkretismus im Volk seiner Zeit auf und kämpft für Jahwe, der der einzige Gott ist und für die Reinheit des Glaubens an ihn. Es besteht nämlich die Gefahr, daß man den Glauben an Jahwe an die heidnische Götterwelt verrät, die ihr Fundament in den Naturereignissen hat. Der Prophet zeigt sich als Vater für seine Söhne, sie sitzen zu seinen Füßen, sie lernen von ihm und sie wohnen mit ihm zusammen. Neben prophetischen Gruppen, die sich um einen Propheten bilden, finden wir solche Gruppen auch in verschiedenen Heiligtümern, (z.B. 1Kön 13,11) - die Propheten im Heiligtum in Bethel (2Kön 2,35) - die Propheten im Heiligtum in Gilgal; Jericho, Beth-El. Bei diesen Propheten spielt die Ekstase nicht mehr jene Rolle, die sie bei den älteren Propheten gespielt hat. Diese Propheten zeichnen sich durch den Geist Gottes aus, der sich in ihrem wundervollen Wirken zeigt (2Kön 2,19-22; 2,23-25; 4,1-7. 18-37). Diese Propheten befassen sich mit dem, was wir heute “Die Rettung der Seele” nennen (vgl. Elischa, 2Kön 4,1-7. 8-37; 5,1-14).

c) Die Heilige Schrift kennt sogenannte offizielle Kultpropheten. Sie befinden sich in den Heiligtümern und unterscheiden sich von den Propheten der Schrift, welche in ihrer Kritik weder Priester noch Tempel verschonen, die Kultpropheten hingegen haben ihren Platz neben den Priestern, die den Kult vollziehen. Ihre Rolle besteht darin, daß sie dem König oder dem Volk eine Prophezeiung geben, wann immer diese es verlangen. Sie genießen großen Einfluß an den Königshöfen (vgl. 1 Kön 1,8). Diese Propheten haben ihre eigene prophetische Sprache entwickelt.

d) Mit der Einführung des Königtums in Israel beginnt für die prophetische Bewegung eine neue Ära. Ekstase, Mantik treten gegenüber dem Wort, der Verkündigung zurück. Die Propheten distanzieren sich immer mehr vom Kult, von der Institution, vom Königshof. Von Amos bis Malachias ist das wesentlichste Kennzeichen und Mittel das Wort. Wenn die Propheten wirken, dann nur in Zeichen, die aber nicht Illustration, sondern Performation des Wortes sind (vgl. Hos 1,4.6.9;Jes 7,3;8,3;20,2; Jer 16,2.5.8).

e) Man unterscheidet drei Perioden der Prophetie:

  1. Während des Untergangs des Norddreiches (um 721 v. Chr.)
  2. Während des Untergangs des Südreiches (um 597-587 v. Chr.)
  3. Während des Exils (um 539 v.Chr.)[1]

Die Propheten wenden sich in ihrer Botschaft sowohl dem Volk Israels auch allen Völkern zu. Sie verbinden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Dimension der Zukunft bezieht sich auf die Verkündigung (die Zukunft wird mit der Gegenwart verbunden, mit jenem, womit der einzelne in der Gegenwart konfrontiert ist).

Das AT und das NT kennen neben Propheten auch Prophetinnen z.B. Miriam, Deborah, die Frau des Propheten Jesaia (vgl. Jes 8,3) Hulda. Der prophetische Geist soll das ganze Volk erfassen, verkünden die Propheten. (vgl. Num 11,29 ; Joel 3,1-5). Das ganze Volk soll Prophet werden.

Die Hauptthemen prophetischer Verkündigung

Die Aufgabe des Propheten ist es, das Wort Gottes zu verkünden. In diesem Wort wird der Wille Gottes geoffenbart. Die Offenbarung geschieht auf verschiedene Weise: Meistens ist es ein Aufruf zur Gesetzestreue, in diesem Wort wird einerseits gedroht, wenn man auf dem falschen Weg bleibt, andererseits wird Heil verheißen, wenn man das Wort befolgt.

Die Schriften des AT zeigen, daß Prophetie vielschichtig ist: Ein Ereignis, das man nicht auf einen Nenner bringen kann, aber dennoch eine gewisse Kohärenz in sich hat.

Man kann gewisse Ähnlcihkeiten zwischen den Propheten feststellen, obwohl sie sich dem Stil und Inhalt nach sehr unterscheiden.

a) Ankündigung des Gerichts

Hauptcharakteristikum der älteren Propheten, der Propheten vor dem Exil ist die Mahnung, die Drohung mit der Strafe Gottes. Ihre Verkündigung richtet sich an das Volk als ganzens, aber auch an bestimmte Gruppen im Volk, die sich vom Glauben Abrahams abgewandt haben. Diese Propheten verkünden die Strafe Gottes, die sich in Dürre, Erdbeben, Krieg zeigt, aber dies Ankündigung beinhaltet auch einen Aufruf zur Umkehr. Die Unglücksfälle, die den einzelnen oder das Volk als ganzens treffen, betrachtet man als Strafe für die Sünden des einzelnen oder der Vertreter des Volkes. Diese Sünde besteht darin, daß das Volk dem göttlichen Wirken in der Geschichte zuwiderhandelt. Jesaia ruft zur Umkehr, weil das Volk die Sicherheit anderswo als in seinem Gott sucht. Die Propheten Amos und Micha verkünden die Strafen, die kommen, weil das Volk den Willen Gottes ignoriert. Hosea, Jeremia und Ezechiel sehen die Untreue des Volkes darin, daß das Volk anderen Göttern folgt.

b) Ankündigung des Heils

Die Ankündigung des Heils gründet nicht in der Frage, was nach dem Gericht wird, sondern, weil das der Wille Gottes ist, Gott will die Rettung seines Volkes. Das Heil ist nicht bedingt durch die Strafe, die Strafe ist Folge der Sünde. In der Ankündigung des Heiles verspricht Gott seinem Volk das Heil in der Zukunft, (vgl. Jes 41,17ff) in der Ankündigung wird schon geschrieben, was in der Zukunft geschehen wird (Jes 11,1ff).

Diese Ankündigung des Heils haben wir vor allem in der Zeit vor und nach dem Exil. Das Heil wird sich in verschiedenen Bereichen zeigen, in der Schaffung einer neuen Beziehung zwischen Gott und seinem Volk, der Errichtung eines eigenen Staates, der Befreiung des Volkes. Das Heil, das Gott seinem Heil verspricht, wird nicht wegen des Volkes, das nun besser geworden wäre, geschehen, sondern wegen der Treue und Liebe Gottes zu seinem Volk. Aufgrund ihrer Berufung stellen die Propheten das Idealbild des treuen Israeliten dar. Sie zeigen, daß man Gott erfahren kann, und daß diese Erfahung oft schmerzhaft ist. (vgl. Jeremias Bekenntnisse). Die Propheten verkünden, daß sich der Mensch ändern kann durch das Wort Gottes.

Für die alttestamentlichen Propheten ist die sobria ebrietas charakteristisch. (vgl. Jer 15,16; 23,9.29.) Die prophetische Existenz verschwindet in der Kraft ihrer Verkündigung. Das AT betrachtet den Prophet als jenen, der berufen ist, das Wort Gottes zu verkünden, zu belehren, das Ziel zu zeigen, er ist total abhängig von Gott, der ihn berufen hat und nur ihm ist er Rechenschaft schuldig. Die Grundproblematik, gegen die sie kämpfen ist der Synkretismus, der Verlust der richtigen Beziehung zu Gott bzw. der Verstoß gegen das erste Gebot, Jahwe solus.

Prophetische Botschaften des NT

Im NT begegnet uns das Wort Propeht 144 mal. Am häufigsten bei Matthäus (37) und bei Lukas (Ev 29; Apg 30). Das Wort bezeichnet den Verkünder oder den Deuter des Wortes Gottes. Mit dem Wort Prophet wird der atl. Prophet bezeichnet, bei Johannes dem Täufer Jesus oder eine andere Person, die das Kommen des Reiches Gotts verkündet, oder der Christ, welcher die Gabe der Prophetie besitzt. Die Verkünder und Verkünderinnen des Wortes bekommen die Bezeichung Prophet, Prophetin. Die ntl. Prophetie zeigt Ähnlichkeiten mit der atl: so haben wir im NT die Prophetie der Mahnung, (vgl. 1Kor 14,3.31) - Prophetie als Vorhersage der Zukunft (vgl. Mt 26,68; 15,7).

Das NT versteht unter dem Begriff Prophet:

Den alttestamentlichen Prophet

Der atl. Prophet ist jener, welcher das Wort Gottes redet (Jes 15,19). Die atl. Propheten verkünden das, was in Christus geschieht, sagt das NT (vgl. Mt 1,23; 2,5f. 15.17f.23). Für das Matthäusevangelium besitzt das AT absolute Autorität. In Christus wird erfüllt, was die atl. Propehten vorhergesagt haben. Aufgrund der atl. Prophetie, wird Jesus als der verheißenen Messias erkannt. Die auffallendste Ähnlichkeit ist der Märtyrertod (vgl. Mt 23,31; Mt 23,37 Apg 57). Im Judentum der Zeit Jesu und im ersten nachchristlichen Jahrhunderten gehörte die Martyria zum Wesen des Propheten. (Mt 23,25)

Johannes der Täufer

Johannes trägt im NT die Bezeichnung Prophet. Er verkündet im Stil der atl. Propheten das Gericht und ruft zur Umkehr. In seiner Verkündigung ruft er zur moralischen Besserung und stellt zugleich die jüdische religiöse Selbstsicherheit in Frage. Er ruft zur Taufe auf, die sich von der Waschung, durch welche sich Proselyten dem Judentum anschließen, aber auch von den Waschungen der Qumrangemeinde unterschieden. Die Taufe des Johannes ist ein Zeichen der eschatoligschen Zeit, die schon angebrochen ist, diese Taufe ist ein Zeichen für die innere Umkehr, die eine Voraussetzung für die Rettung ist. Deshalb ist es kein Wunder, daß sich die Zeitgenossen des Johannes fragen, ob er nicht der erwartete eschatologische Prophet sei (vgl. Mt 11,8ff). Das NT betrachtet Johannes als jenen der verkündet, vorhersagt “Zeugnis ablegt” (Joh 1,36), für den eschatologischen Propheten, der in Persona Jesu Christi da ist.

Jesus Christus

Das NT verwendet für Jesus den Titel Prophet nicht so oft, die Menschen, die auf Jesus hören, nennen ihn Prophet (vgl. Mk 6,15). Jesus selbst bezeichnet sich im Evangelium nirgendwo als Prophet. Für das NT ist Jesus mehr als ein Prophet (vgl. Mt 12,41) Jesus verkündet nicht nur das Heil, sonder das Heil ist in seiner Person schon angebrochen (vgl. Lk 10,24).

Die Christen

In der ersten christlichen Gemeinde gab es Mitglieder, die die Gabe der Prophetie besaßen. Für die Gemeinde ist dies Zeichen dafür, daß sie als ganze den Geist besitzt. Wahrscheinlich war diese Gabe sehr früh institutionalisiert, sie hatte eine bestimmte Rolle in der Gemeinde. Die Geistbegabten haben die gleiche Stellung wie die Apostel und die Lehrer (vgl. 1Kor12,28f. Eph 4,11) oder sie stehen neben Aposteln und Heiligen (vgl. Ofb 18,20). In den paulinischen Gemeinden haben solche Personen die Aufgabe, die Gemeinde zu ermahnen (vgl. 1Kor 14,3.24f. 31), die Gemeinde zu trösten (1Kor 14,23f.) die Auferbauung der Gemeinde (1Kor 14,3), der Gemeinde die Geheimnisse zu offenbaren. Die prophetische Offenbarung soll mit verständlichen Worten und ohne unnötige Ekstase geschehen (1Kor 12,1; 14,15f. 23f) Paulus verlangt, daß in den Gemeinden beim Gottesdienst Ordnung und Friede herrschen, er verbietet, daß mehrer Propheten zu gleicher Zeit tätig sind. Der Geist der Prophetie untersteht den Propheten, sagt Paulus 1Kor 14,32. Dieses Unterstehen dient der Ordnung und dem Frieden in der Gemeinde, der Prophet muß auch schweigen.

In Eph 2,20 gehören die Propheten zum Fundament der Gemeinde, das läßt ahnen, daß die Zeit der Prophetie in der Gemeinde schon vorbei ist, sie wurde in die Fundamente der Gemeinde eingebaut.

Die Warnungen vor falschen Propheten, die wir bei den Synopitkern finden, zeigen, daß es in den ersten Gemeinden eine große Zahl an Propheten gab. Die Apostelgeschichte spricht an mehrern Stellen über Propheten und Prophetie, der Grund dafür liegt in der Theologie des Evangelisten Lukas, der die ganze menschliche Geschichte in drei Teile teilt (Die Zeit Israels, die Mitte der Zeit, die Zeit der Kirche). Die dritte Zeit beginnt mit dem Pfingstereignis (Apg 2,1ff) und nimmt den Großteil der Apostelgeschichte ein. Die dritte Zeit wird als die Zeit des Geistes bezeichnet, in dieser Zeit besitzen alle Christen die Gabe des Geistes. In der zweiten Zeit besaß diese Gabe nur Jesus. Ein Zeichen, daß die Zeit des Geists herrscht, ist auch aus der großen Anzahl christlicher Propheten sichtbar, die namentlich erwähnt wurden (vgl. Apg 11,27f; 13,1; 15,32; 21,9ff). Außerdem besitzen in dieser Zeit alle Christen den Geist und sind dadurch Propheten (Apg 2,17f. 19,6).

Der Verfasser der Apokalypse bezeichnet sich selbst als Propheten (Offb 22,9). Nach dem Buch der Offenbarung erhält der Prophet die Offenbarung der göttlichen Pläne (Offb 1,1) er hat Visionen (6,1-19; 10). Der Prophet mahnt und tröstet (Kap. 2-3). Seinem Wort mißt die Gemeinde große Wichtigkeit bei (22,18f).

Die Prophetie gab es noch einige Zeit in der jungen Kirche, wie uns die Schriften zeigen (Didache 10,7; 11,7-12; 13,1-7; Justin Dialogus 82,1) aber wegen des montanistischen Mißbrauchs geriet sie in eine solche Kriese, daß sie beinahe verschwand. Die Aufgabe der Prophetie wird die Institution übernehmen, als einziger bevollmächtigter Deuter des Wortes Gottes und des Wirkens in der Welt.

Die heilige Schrift und die kirchliche Tradition betrachtet den Propheten mit einer gewissen Skepsis als jenen, der die Zukunft vorhersagt (Irenäus Adv Haer Iv 20,5) Je nachdem ob das, was der Prophet gesagt hatte oder nicht eintrat, unterschied man, ob er ein richtiger oder falscher Prophet war. Die atl. Prophetie erfüllte sich nach der Sicht des NT in der Person Jesu Crhisti, für die Zeitgenossen Jesu hat er selbst Charakteristika der atl. Propheten: er prophezeit sein eigenes Schicksal, aber auch das Schicksal seiner Lehre.

Das NT versteht Prophetie in erster Linie als Deutung des Willens Gottes in der Gegenwart in einer konkreten Situation an einem konkreten Ort. Der Prophet verkündet das, was Gott von dem Menschen in der konkreten Situation erwartet, seine Rede ist vor allem Rede in der Gegenwart.

Die prophetische Rede ist durch Parresia charakterisiert - die offene Rede, in der einer sagt, was er denkt. Die prophetische Autorität hat ihre Begründung in der Parresia. Prophetisch reden bedeutet, sich von den Zwängen der Gesellschaft zu befreien und dieses Reden heißt auch offen sein für das Wort Gottes. Prophetisch reden heißt “sich berufen fühlen”, der Prophet redet nicht von sich aus, durch seine Kraft und Weisheit sondern durch die Kraft Gottes, prophetische Berufung ist charismatisch, sie ist nicht mit einem Amt verbunden, sondern mit einer Situation, in welcher das Wort Gottes mit Offenheit und Mut gesagt werden soll.

Die Unterscheidung der Geister 1Kor 12,10

Mit dem prophetischen Amt ist wesentlich auch die Unterscheidung der Geister verbunden. Es gibt wahre und falsche Propheten, die falschen verwechseln ihre eigenen Ansichten mit dem Wort Gottes. Schon das AT kennt jene Propheten, die für sich dieses Amt in Anspruch nehmen obwhl sie nicht von Gott berufen sind. Solche Propheten kennt auch das NT und ermahnt die Gläubigen, ihnen nicht zu trauen (vgl. Mt 7,15; 24,11 1Joh 4,1).

Es wird nach den Kritierien gefragt, nach welchen man die richtigen von den falschen Propheten unterscheiden kann. Diese Kriterien sind im AT und im NT die gleichen. Im AT ist eines davon das prophetische Selbstbewußtsein, der innere Zwang, das Wort Gottes zu verkünden (vgl. Jer 20,9; 23,16 Am 3,8). Auch das NT kennt dieses charistmatische Kriterium, nur jener, welcher selbst den Geist Gottes hat, kan beurteilen, ob jemand im Geist redet oder nicht (vgl. 1Kor 2,11). Neben diesem subjektiven Kriterium kommen noch andere, nach denen man zwischen wahrer und falscher Prophetie unterscheidet, so muß etwa die prophetische Botschaft in der biblischen Gründen, die Botschaft muß situationsbezogen sein und der Prophet muß mit dem Leben hinter seiner Botschaft stehen. Wenn die Lebensführung des Propheten dem Gesetz Gotes nicht entspricht, dann ist er nicht von Gott gesandt (vgl. Jer 23,14; 29,23). Nach christlicher Auffassung ist der wahre Prophet jener, der im eigenen Leben verwirklicht, was er verkündet. Sein Leben muß gute Früchte bringen (vgl. Mt 7,16 Offb 2,20). Die prophetische Botschaft muß der Gemeinde zur Erbauung und Ermutigung dienen sie muß im Einklang sein mit der älteren Prophetie sein (vgl. Jer 28,7ff). Die ntl. Prophetie muß in Einklang sein mit der grundlegenden christlichen Botschaft (vgl.1Joh 4,1ff. 1Kor 12,13). Der wahre Prophet schaut nicht auf den eigenen Nutzen, er schmeichelt nicht und er ist nicht bereit, Kompromisse zu schließen, wenn es um das Wort Gottes geht.

Mit der prophetischen Berufnung ist das Schicksal des Propheten verbunden. Von dem Augenblick an, da ihn Gott berufen hat, gehört er nicht sich selbst, sondern Gott. Gott beruft einen Propheten nicht nur, um ihn dem Volk zu senden, sondern er liefert ihn dem Volk aus. Zum Wesen der biblischen, prophetischen Existenz gehört die Verfolgung wegen des Wortes Gottes, die Martyria (vgl. 1Kor 19,10. 14; Jer 11,18ff; 20,2; 26,8ff). Diese Martyria bringt zugleich dem Volk Segen und Heil (vgl. Jes 50,6; 52,14-53). Diese Thema vom verfolgten Propehten übernimmt das NT und wendet es auf Jesus und seine Jünger an. Das Schicksal Jesu und das Schicksl seiner Jünger ist ein Prophetisches (vgl. Mt 5,12; Lk 13,33).

Der biblische Prophet ist eine Person, die von innen und von außen angegriffen wird, von innen und von außen Zwang erdulden muß. Der Prophet erlebt seine Sendung doch als Gnade, nicht nur als Last, er erlebt von Zeit zu Zeit die Nähe Gottes und diese gibt ihm die Kraft. Von Zeit zu Zeit fühlt er auf besondere Weise seine prophetische Erwählung, die Liebe Gottes, der ihn berufen hat (vgl. Jes 49,1-4), sein Zeuge in der Welt zu sein. In der Welt, die das erste Gebot des Dekalogs vergessen hat: “Und nun Israel, was fordert der Herr, Dein Gott, außer einem: Daß Du den Herrn deinen Gott fürchtest, indem du auf allen seinen Wegen gehst” (Dt 10,12).

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p. Sabino Palumbieri

DIE KIRCHE ANGESICHTS DER HEUTIGEN WELT EIN AUFGESCHLAGENES ZELT AN DER SCHWELLE DES JAHRTAUSENDS

INHALTSVERZEICHNIS

  1. Die Kirche, ein permanentes Zelt
  2. Eine Anregung für den Rückweg nach vorn
  3. Für eine ganzheitliche Entwicklung
  4. Die Synthese als Rettung
  5. Solidarität, eine Antwort auf die Herausforderung der Globalisierung
  6. Die Letzten, die Ersten: messianisches Wirken
  7. Der Süden der Welt - eine neue Herausforderung
  8. Notwendigkeiten und Anregungen
  9. Neuheit und Inkarnation
  10. Die neue Evangelisation - ein Reisepass für die Zukunft
  11. Die Hoffnung an der Schwelle

ANHANG

  1. Das Elend der Zivilisation
  2. Zwischen Notwendigkeit und Ohnmacht
  3. Zwischen Initiativen und Gegensätzen

DIE KIRCHE ANGESICHTS DER HEUTIGEN WELT EIN AUFGESCHLAGENES ZELT AN DER SCHWELLE DES JAHRTAUSENDS

1 . Die Kirche, ein permanentes Zelt

Die Geschichte zeigt einige Eigenschaften, die das Reifen bestimmter Entwicklungsprozesse der Humanisierung innerhalb des Zeitgeschehens ausdrücken. Papst Johannes XXIII. bezeichnet sie als „Zeichen der Zeit“ - einen Ausdruck, den sich das II. Vatikanische Konzil zu Eigen machte[2] - sie wie das Aufblitzen der göttlichen Vorsehung in der Geschichte bezeichnend.

Die Kirche, die in der Geschichte den Dienst an der Welt verkörpert und tiefgreifenden Veränderungen unterworfen ist, muss in einer Zeit, in der sich die Generationen an der Schwelle befinden, im Prozess der Verjüngung eine andere Präsentationsart annehmen und auf die Zeichen der Umwandlung hinweisen.

In diesem Rahmen ändert sich das Gesicht der Kirche des dritten Jahrtausends entschieden. Es verliert die überwiegend westlichen Züge und nimmt Züge einer inspirierten Weltlichkeit mit den Merkmalen der Dritten Welt an. Die jungen Kirchen versuchen, die gesamte Kirche zu verjüngen bzw. ihre Physiognomie zu erneuern.

Das zeigt sich vor allem auf der quantitativen Ebene. Es wird eine Verringerung der zahlenmäßigen Übermacht der westlichen Kirchen festgestellt. Anfang des XX. Jahrhunderts machten diese Gemeinschaften etwa 85 % der Gesamtzahl aus. Im Jahr 2000 werden es nur 40 % sein. Die Kirchen der südlichen Hemisphäre befinden sich - trotz bedeutender Übertritte in Sekten und religiöse Bewegungen - in einem unaufhaltsamen Wachstum.

Auf der qualitativen Ebene wird eine Tendenz zur Inkulturation der Glaubensinhalte verzeichnet. Die Grundform der Inkarnation der Kirche im Geflecht der menschlichen Dramen und Erwartungen ist die Entdeckung des Pols der Orthopraxie in einer fruchtbaren Interaktion mit dem Pol der Orthodoxie. Ein Engagement für die Wahrheit der Liebe ebenso wie für die Glaubwürdigkeit der Liebe zur Wahrheit [3].

Johann Baptist Metz erklärt diesbezüglich: «Die katholische Kirche umfasst nicht mehr die Kirche der Dritten Welt, sondern sie selbst ist die Kirche der Dritten Welt westlichen und europäischen Ursprungs»[4]. Auf diese Weise befinden wir uns am Übergang von einer kulturell monozentrischen zu einer kulturell polyzentrischen Kirche, jedoch bei offensichtlicher Bewahrung der katholischen Struktur einer hierarchisch-primatischen Gemeinschaft, gemäß der göttlichen Ordnung bzw. zusammen mit Petrus und unter der Leitung von Petrus.

In diesem Umfeld vertieft sich das Gefühl der Universalität und anstatt nachzulassen, wird mit immer kräftigeren Zügen geatmet. Die alten, historisch erklärbaren, kulturellen Hegemonien lassen der Gleichheit der Würde und des Ausdrucks den Vortritt.

Die Universalkirche ist der über der Erde ausgebreitete Korpus Christi im Sinne einer vitalen Einheit und einer Vielzahl kulturell unterschiedlicher Glieder. Die Vielfalt der Charismen wird in diesem Rahmen ebenfalls in verschiedenen Formen dargestellt, die den Körper bilden, in dem sich das Mysterium der Inkarnation des Wortes ausbreitet.

Inkulturation ist wie das Prinzip des physiologischen Gesetzes und «als konkrete Folge davon die gesetzmäßige Vielfalt»[5]. Inkulturation heißt, an den inneren Bewegungen der Kulturen von innen teilzunehmen. Kulturen, die extrem unbeständige, vor allem heutzutage untereinander austauschbare Realitäten beinhalten, die sich in einem permanenten Zustand der Schwäche, Zweideutigkeit, Bedrohung und Unsicherheit befinden. Sich inkulturieren heißt deshalb nicht nur, sich einzugliedern, sondern vielmehr inter-esse: eins sein mit den Völkern, aber innerhalb ihrer mühsamen Suche nach Identität, Einheit, starker Stabilität. Das ist alles andere als statische Ruhe, sondern Spannung und Ausrichtung der Spannung hin zum schwer erreichbaren Ziel des Wortpaares "Frieden und Gerechtigkeit".

Die neue Zukunft setzt neue Imperative, die von einem unvergänglichen genetischen Code des lebenden Organismus der Kirche herrühren und über die vitalen Impulse der neuen Kultur wahrgenommen werden[6].

Die Gabe der Jugend, die den Geist der Kirche verbreitet, ist aufgefordert, das Engagement der Jünger des XXI. Jahrhunderts anzuregen, die auf nichts anderes ausgerichtet sind, als der Welt das erneuerte Gesicht der Hoffnung zu zeigen. Wir stehen vor einer Doppelikone der Kirche - wie eine Karawane auf ihrem Weg durch die Wüste und wie umhüllt mit dem Gewand des Gründonnerstags. Die Kirche ist eigentlich im Voraus gekennzeichnet im alten, pilgernden Israel. Sie ist ebenso die lebendige Fortsetzung des Christ-Bräutigams, der vor dem müden Menschen niederkniet, um ihm die Füße zu waschen und in diesem Augenblick bedeutsam den Grund seiner Inkarnation berührt.

Die Kirche, die Ikone der Sollicitudo rei socialis und der sol­licitudo historiae populorum ist Sakrament, Zeichen und Mittel – Gottes Sorge um die heutige Welt, die Er trotz allem weiterhin liebt[7]. Deswegen ist die Kirche das planetarische Zelt.

Die heutige Welt stellt eine Einheit dar, die im letzten Jahrhundert des Jahrtausends eine neue Gestalt erhielt. Das allgemeine Bild ist nicht einheitlich. Im Gegenteil, es ist sehr verschiedenartig. Die Wege sind uneben und oft durch Widersprüche und Gegensätze gekennzeichnet.

2. Eine Anregung für den Rückweg nach vorn

Das allgemeine Bild ist, wie wir sehen konnten, nicht einheitlich. Im Gegenteil, es ist sehr verschiedenartig, oft durch Widersprüche und Gegensätze gekennzeichnet. Der gemeinsame Nenner ist die kulturologische Qual der verschiedenartigen Benennung und Herkunft. Die Schlüsselfrage ist die Frage der humaneren Zukunft im Unterschied zur Gegenwart und in diesem Sinne einer Zukunft, an der die Menschen mehr teilhaben werden.

Die Kirche des planetarischen Zeltes, die sich in Zusammenarbeit mit Menschen guten Willens für eine Auferstehungskultur einsetzt, verfügt über eine starke Osterhoffnung mit dem Ziel, die Fundamente in den verschiedenen planetarischen Räumen der menschlichen Zivilisation zu erneuern. Diese Aufgabe erfüllt die Kirche, im Rahmen des Projekts der Menschen guten Willens, zusammen mit den anderen Religionen der Welt.

Im Westen können die Kirchen, global gesehen, Auferstehungshilfe leisten – vor allem als Zeugnislegung und dann auch in Form einer konkreten Zusammenarbeit – um in ihm das Bewusstsein der Würde seiner Wurzeln und seiner zurückgelegten Wege wieder wachzurufen. Diese waren historisch nicht immer konsequent. Sie werden aber in dem Maße glaubwürdig sein, in dem sie mit der ursprünglichen Inspiration verbunden bleiben.

Die Seele dieses Prozesses wird entlang des Weges des Respektierens seines genetischen Codes zu finden sein. Auch die damalige Führerschaft, aufgerieben im Kolonialismus und Ökonomismus mit ausgesprochen materialistischen Merkmalen, wird sich am Ende des Jahrtausends in einen Dienst der planetarischen Initiative zum Zwecke der Erneuerung der menschlichen Kultur umwandeln können.

Vom Westen wird, kurz gesagt, verlangt, dass er sich heterozentriert [8]. Das setzt eine grundlegende Änderung der Denkweise voraus, um aus der Selbstgefälligkeit herauszufinden. Die Achse verschiebt sich vom „privilegierten Ich“ zum „unbestimmten Ich“, das jedoch die zusätzliche Bedeutung der Zeit, des Raumes und Wohlstands nicht berücksichtigt. Diese Form ist wichtig, damit die europäische Seele, die auf die Sakralität des Menschen konzentriert ist, durch die Vermittlung zwischen Juden und Christen gewonnen wird.

Darauf gründet sich das Universalitätsprinzip der Würde eines jeden Menschen, einer Rasse, eines Volkes, einer Gemeinschaft.

Die westlichen Kirchen müssen in der Wiederentdeckung des anderen als Ort der Verehrung der lebenden, theomorphen Ikone die Freiheit als eine Fähigkeit anbieten, Raum zu schaffen für die Freiheit des anderen Menschen, wobei das verwirklicht wird, was Armido Rizzi als wahrhaftige „europäische Theologie der Befreiung“ bezeichnet[9]. Sie besteht in der radikalen Befreiung von begrifflichen, programmatischen und praktischen Beschränkungen rein negativer Art. Freiheit bedeutet nicht nur, wie auf der vertraglichen Ebene, dem anderen nicht zu schaden und ihn auf der formalen Rechtsebene zu achten, sie bedeutet vor allem, Verantwortung zu tragen für sein Bedürfnis zu existieren. Der Begriff des Vertragsrechts bewahrheitet sich in der Anthropologie der Solidarität.

Die Kirchen sind aufgerufen, die Voraussetzungen für diesen Übergang des Westens von der reinen vertraglichen zur wahrhaftigen Solidarität zu schaffen.

Kurz, in dem Raum, der sich innerhalb Europas und Amerikas der Zukunftsnostalgie geöffnet hat - bzw. als Übungsraum für die Erinnerung an die Herkunft, für die Reifung der unserer Zeit angemessenen Früchte – liegt die Aufgabe der ökumenisch versöhnten, christlichen Gemeinschaften, um mit wirkungsvoller Begeisterung der Welt zu dienen. Vor allem ad intra zu dienen, mit Hilfe der prophetischen Verpflichtung, ein glaubwürdiges Angebot für den Sinn des Lebens anzubieten, der teilweise verlorengegangen ist. Und desweiteren ad extra zu dienen, im Übergang von einer Neigung zur Eroberung in einen Zustand des Dienens, auf kultureller und solidarischer Ebene. Derjenige, der die Instrumente des Wissens, der Wissenschaft und Technik besitzt, kann von der eigenen Solidaritätsaufgabe in Form der Hilfeleistung nicht zurücktreten, indem er die proklamierte oder verbreitete Logik der «Ethik des genau Festgelegten» ablehnt.

Die Kirchen sind aufgerufen, die Menschen der Überflussgesellschaften zur Öffnung gegen die Gesamtheit der Welt zu erziehen, um die immer gegenwärtigere existentielle Leere auszufüllen.

Hinsichtlich der schweren Verworrenheit der Ostländer bestätigt sich, dass Europa, getreu seinen Wurzeln, den Übergang von der Skylla zur Charybdis nicht tolerieren kann. Nach dem Fall der «Mauer» darf keine Möglichkeit für den Übergang vom gleichmachenden Kommunismus zum erniedrigenden Konsumismus geboten werden.

Eines der ernstesten Probleme, mit dem sich die östlichen Kirchen konfrontiert sehen, ist das Problem der Jugend. Sie befindet sich in Gefahr, zwischen leeren Werten zu schwanken, zwischen der Ablehnung von Pseudowerten einer gescheiterten Vergangenheit und den Konsequenzen eines systematischen Versuchs, geistige Werte ganzer Generationen auszurotten.

In einigen Gebieten zeichnet sich die Gefahr ab, dass diese Leere heute durch eine Leere anderer Art ersetzt wird: eine Leere, die durch die Annahme des westlichen Modells des Materialismus und Konsums verursacht wird, das, wie bekannt ist, ganze Generationen von Jugendlichen überflutet, die vom Nihilismus des Sinns in Versuchung geführt werden.

Für die östlichen Kirchen öffnet sich in der Hinsicht eine Zukunft, die anspruchsvoller und engagierter ist als die Vergangenheit, obgleich in ihr die Berufung zum Martyrium für hohe geistige Werte herangereift ist.

Insbesondere wird für die westlichen Kirchen der Gedanke der Osterkultur darin bestehen, bei der Entwicklung schon bestehender Möglichkeiten zu helfen, obgleich sie lange Zeit unter dem Eis der Jahre des Schreckens verschüttet waren, wie es die außerordentliche Synode für Europa darlegte[10].

Es besteht die Gefahr, dass die notleidenden Völker in ihrer Aufgabe des Wiedererwachens alleine bleiben.

Die Kirchen erleben die Ostererfahrung, wenn sie bei der Reifung der Keime der empfangenen Ostern helfen. Wo auch immer ein Übergang von der Entfremdung zur Befreiung im Zeichen des Menschen besteht, dort ist Ostern. Wieviel Mühe ist jedoch nötig, sie zu feiern und die Menschen zu diesem Festmahl einzuladen, nicht nur im liturgischen Sinne, sondern ebenso im geschichtlichen Sinne bzw. in der Politik, der Wirtschaft und Kultur.

Heute genügt es also nicht, nur wegen der Öffnung der jahrzehntelang verriegelten Tempel zu frohlocken. Es sollte bei der Schaffung der notwendigen Voraussetzungen zur Umqualifizierung der Bereiche dieser geschichtlichen Baustellen zusammengearbeitet werden, damit sich die Auferstehung Christi in Millionen von wartenden Menschen fortsetzen kann. Die Kirchen, die in der westlichen Überflussgesellschaft leben, stehen vor der Herausforderung, Salz und Licht zu werden, um zu vermeiden, dass die Völker des Ostens vor dem kollektiven Materialismus fliehen, um dann in den individualistischen Materialismus zu geraten: vom Gulag in den Dschungel.

Deshalb stellt sich den heutigen Kirchen im Westen die Aufgabe, die Zeichen Osterns zu verstärken, die noch gestern unvorhersehbar waren, die aber heute verpflichtend sind.

3. Für die ganzheitliche Entwicklung

Die Kirchen können Lateinamerika Hilfe leisten bei der Befreiung des Bewusstseins von der Versuchung, Missbrauch einerseits mit der Logik des Herrschens auszuüben und andererseits die Wut von Millionen dehumanisierter Menschen zu entfesseln, auch wenn sie erklärbar ist.

Der Prozess der evangelischen Befreiung[11] stellt nicht die Klassen gegeneinander, sondern versucht, die aufgrund der aktiven Unterdrückung oder erlittenen Sklaverei dehumanisierten Menschen zu versöhnen, indem sie dazu verpflichtet werden, gemeinsam das Haus der Gerechtigkeit und des Friedens zu bauen[12].

Die Kirchen werden auch weiterhin fortfahren, wie Medellín, Puebla[13] und Santo Domingo[14] anführen, im Einklang mit dem messianischen Prozess an der Seite jener letzteren zu bestehen. Der Messias liebte besonders die Klasse der «Machtlosen», der Er angehörte. Die Kirchen werden an ihrer Seite mittels der Methode des gewaltlosen Widerstandes und eines wachen Bewusstseins kämpfen.

Dieser Kampf ist jedoch nicht nur verbal. Er ist real und besteht darin, Hilfe zu leisten, um „nein“ zu sagen zur Unterdrückung, die die Zukunft verhindert. Mit dem unterdrückten Menschen wird ein hoher Preis für eine solche Methode des Widerstandes gezahlt[15], eine Methode, die Indien, mit Gandhi und seinem Glauben an Gott und den Menschen, tatsächlich Freiheit und Fortschritt gebracht hat.

In der Tat bildet sich dank der Gruppen kirchlicher und sozialer Herkunft eine allgemeine Meinung, die eine auf den Grundwerten der Rolle der Völker und der Würde des Unterdrückten ausgerichtete Kultur schafft.

Die Zeit ist gekommen, eine Synthese der theologischen Befreiung als kritisch-konstruktive Reflexion der Kirchenpraxis auf dem Gebiet des Rechtes und des Friedens sowie der Soziallehre zu schaffen, die mutig ist, aber mit der notwendigen wirklichen Nachprüfung.

Während die Kirche Lateinamerikas aufs Neue ihr Martyrium vom Ende des Jahrhunderts liest, das die Bischöfe, Priester, Laien, Katecheten und campesinos geschrieben haben, entdeckt sie ihren Mut zur Verteidigung der Schutzlosen. Das lebt als wahrhaftiger locus theologicus der neuen Evanglisation gegenüber den aufkeimenden fundamentalistischen und plutokratischen Sekten.

Die Kirche ist diejenige, die sich im Herzen des Prozesses der Befreiung von der Inhumanität ansiedelt, die den Ureinwohnern, den ausgeschlossenen Schwarzen und Alten, die an den Rand gedrängt sind, den misshandelten und verlassenen Kindern und allen physisch und heimtückisch Unterdrückten nahe ist. Die Physiognomie einer solchen Kirche zeichnet sich bereits ab[16].

Die Kirchen Lateinamerikas sind sich der dramatischen Situation und Verantwortung der Verpflichtung bewusst. Medellin, Puebla und Santo Domingo stellen Meilensteine auf diesem Wege der Bewusstwerdung dar[17]. Der Weg ist lang. Das moderne Martyrium, gekennzeichnet durch die Opfer so vieler Zeugen, ermutigt die Intellektuellen und zahlreichen Inspirierten dieser Hoffnungsträger.

Auch in Afrika wird die Kultur der Auferstehung im Zeichen der Wiedererlangung der für die Gemeinschaft wichtigen Werte wieder erwachen: Solidarität, Familie und Feste, die typisch sind für die Gesellschaften dieses Kontinentes. Sie wird ihr helfen, gegen die wiederkehrenden Versuchungen des Fatalismus und Defätismus zu kämpfen. Sie wird die schwesterlichen Stämme, die sich an den gleichen oder verwandten Kulturen erkennen, anregen, gemeinsame Anhaltspunkte und Wege der Versöhnung zu entdecken. Sie wird zusammenarbeiten bei der Erweiterung des kulturellen Bereiches bezüglich der Ausbildung von Führungsklassen, die sich, weit davon entfernt, die Dreistigkeit der Eroberer zu kopieren, für eine Afrikanisierung des Weges zum Fortschritt in Gerechtigkeit und Frieden einsetzen und haushalten werden, um den Reichtum zu verteilen und die sekundären und tertiären Tätigkeiten zu erweitern, ohne das Erbe zu verschleudern. Aber sie werden ein System der wirtschaftlichen Teilnahme schaffen, das nicht durch die westliche Lebensart des Konsumismus verseucht ist. Das sind Voraussetzungen, um für das Jahr 2000 stufenweise und entschlossen ein Grundmuster der Demokratie durch eine bessere Bildung, die heute die großen Kulturen der Kontinente kennzeichnet zu schaffen.

Es ist notwendig, einen Raum für die afrikanische Inkulturation des Glaubens zu schaffen, im Einklang mit der Absicht der Synode der afrikanischen Kirchen.

Der Afrikanismus hat eine reiche Sprache, dessen wesentlicher Bestandteil die Liebe zu seinen Emotionen, Leiden, seiner oft fast frenetischen Freude und manchmal auch den Klagerufe, die einem kosmischen Schluchzen ähneln, ist. Alles das verlangt nach einem Raum für die Gemeinschaft und die Teilnahme. Daher kommt auch die Notwendigkeit einer kreativen und engagierten Liturgie.

Der afrikanische Gedanke hat ein eigenes symbolisch-religiöses System und eine analoge Sprache. Damit das Evangelium bis zu den Herzen der Menschen vordringen kann, muss seine Übertragung diese kulturelle Vermittlung durchlaufen. Das ist das Grundprinzip des Prozesses der «Afrikanisierung des Christentums», nachdem sich «Afrika christianisiert hat».

Dieses Prinzip ist von großer Wichtigkeit, damit die historische Gelegenheit nicht versäumt wird. Das Verschwinden des Christentums aus Nordafrika in den ersten Jahrhunderten wird mit der mangelnden Verwurzelung des Glaubens in der Kultur jener Zeit erklärt.

Es ist notwendig, unverzüglich die Formen des Dialoges mit den großen religiösen Traditionen des Kontinentes zu studieren, die durch die Töne der kosmischen Inspiration in einer vollkommen engen Verwandtschaft mit der Welt der Natur gekennzeichnet sind.

Die Osterkultur wird außerdem - Kraft ihrer Prinzipien und der Anwesenheit ihrer Laien in den Strukturen der industriell entwickelten Länder - bei den Vorhaben vermitteln und nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene, sondern vor allem auf der Ebene der Arbeiterschaft und der Investitionen helfen: ein echter Technologiesprung nach vorn, zum Nutzen der Produktion und der Landwirtschaft in den ärmsten Gebieten.

Theologisch wird es zur notwendigen Förderung der Synthese der afrikanischen Kulturen und des Evangeliums kommen. Ihr Niveau bezieht sich nicht nur auf die Förderung der Liturgie und der lokalen Folklore, sondern eher auf die Einschätzung der Bedürfnisse und die Anregungen der Kulturen selbst. Das war das Ziel der Afrikanischen Synode[18].

Ebenfalls handelt es sich darum, im Voraus Mut zur Konfrontation mit gleichgesinnten Gruppen zu sammeln, die den Prozess der nationalen und manchmal kirchlichen Einheit verzögern. Es ist notwendig, eine afrikanische Antwort auf die offenbaren Schwierigkeiten dieses Kontinentes zu geben, der in einem System der politischen und wirtschaftlichen Depression lebt und der Hoffnung braucht.

4. Die Synthese als Rettung

Asien sucht aus dem großen religiösen Geist den «Rückweg nach vorn» zu seinem genetischen Code sakraler und kontemplativer Form. Es ist jedoch notwendig, diesen auch aufgrund des Beitrages zu überdenken, den Gandhi dem Juden- und Christentum zuerkannte, der die Gesetzgebung und die Kultur des Westens durchdrungen hat und sich auf die Gleichheit der Menschen und die Achtung der Würde jeder Person bezieht, ohne Unterschied der Klasse.

In den östlichen Kulturen, den Wiegen des Wissens und der Religiosität, wird der österliche Dienst an der Kirche die Achtung und den Schutz - gegen viele Bedrohungen der Volksidentität - des riesigen Kontemplationskapitals zum Ziel haben, das in nachdrücklicher Form, gemeinsam mit der Aktion, investiert werden soll[19]. Ein lehrreiches Beispiel dafür gab Benedetto da Norcia mit seiner geistvollen Synthese der Aktion, die zu einer wirksamen Kontemplation wurde und der Kontemplation, die zu einer meditativen Aktion wurde. Die Verkörperung dieses wertvollen Erbes kann dem Osten als Beitrag zur Erhaltung des lebendigen Glaubens an die eigene Besonderheit angeboten werden.

In diesem Fall ist Aktion auf der Linie der Action Blondels zu verstehen[20]. Sie geht von tiefen Dynamismen aus, um sich dann auf das ganze Leben, einschließlich der Dynamismen der sozialen und politischen Beziehungen, auszudehnen. Deshalb wird sie sich auch für die unerlässliche Beseitigung der Kasten einsetzen müssen, um in unserem Mitmenschen - auch wenn dieser ein rechtloses Geschöpf wäre - den Kandidaten der Zukunft, gekennzeichnet durch die Gegenwart des Göttlichen zu erkennen.

Die Kirchen werden in einem fruchtbringenden Dialog mit den alten religiösen und kulturellen Traditionen einen Raum anbieten können, der im Dienste des Menschen für beide Seiten nützlich wäre.

Insgesamt gesehen gibt es in Asien drei kulturelle und religiöse Räume: vor allem der Raum des Mittleren Ostens, der vorwiegend muslimisch ist; dann das südöstliche Gebiet, gekennzeichnet durch den Hindo-Buddhismus und letztendlich der große Raum des Fernen Ostens mit seiner konfuzianisch-taoistisch-buddhistischen Mehrheit. Diese riesige Menschenzahl blieb unter dem Einfluss der Idelologie des Materialismus, sei es eines kollektivistischen oder eines neokapitalistischen Typs. Die antireligiösen Repressionen und Verfolgungen stimulierten einerseits das Wiederaufleben der Gewalt und andererseits den Widerstand in der ersten Märtyrerepoche, was dazu führte, dass das asiatische Umfeld die Botschaft immer schwerer annahm.

Toleranz, Zusammenarbeit, Teilung des Reichtums und gemeinsame Projekte werden die Basis für eine Alternative gegenüber den jahrhundertealten Gegensätzen bilden, die die Geschichte als unfruchtbar und destruktiv enthüllt hat.

Der interreligiöse Ökumenismus wird weiterhin die Wege des Suchens und des Gebetes bereiten, die zu dem einen Gott unterschiedlicher Völker führen. Die Kirchen sind aufgerufen, das theologische Fundament des ersten auf der Schöpfung gründenden Bundes, zuerst mit Adam und später mit Noah, zu vertiefen[21].

Dieser Bund ging dem voraus, der mit Abraham und Moses geschlossen wurde. Jahrtausende schuf Gott Seine Geschichte mit den Völkern der Erde. Seine Liebe berührt sie alle und bewegt sich mit ihnen. Dieser Schöpfungsbund wurde niemals aufgekündigt. Er bleibt im Gegenteil der Hintergrund für die folgenden Wahlen.

In Bezug auf diesen Bund und in dem Maße, in dem sich die nicht christlichen Völker dem einzigen Weg der Liebe nähern, den Christus verkörpert und verkündet, bleibt der einzig wahre Gott der Gott aller Völker, obgleich mit vielen Namen benannt und obgleich vielen noch unbekannt als «Vater unsers Herrn Jesus Christus»[22].

Diese Sicht mindert nicht die Notwendigkeit der Mission, aber bietet ihr Bedingungen für einen ruhigen Zugang, einen Zugang voller Achtung vor dem verschiedenartigen Religionsleben.

Nicht zuletzt scheint es im Bereich der christlichen Beständigkeitserfahrung wichtig zu betonen, dass es sich in Asien bei der Mehrheit der Heilig- oder Seliggesprochenen um gläubige Laien handelt, Männer und Frauen, die gewöhnlich das tägliche Glaubensleben in der Welt praktizieren und die Mut in der Verkündigung ihres Glaubens bis hin zum Märtyrertum bewiesen haben. Genau das Gegenteil geschieht mit dem ähnlichen Ereignis der Heilig- oder Seligsprechung in Euroamerika, wo es eine riesige Zahl von Angehörigen der Hierarchie und des Ordenslebens gibt.

Es ist möglich, die Daten für diesen Bereich der Kirche mit Hilfe des Aufblühens der laiisierten Charismen und besonders des Glaubenskeims, den die kirchliche Gemeinschaft bis zur äußersten Reife der Zeugnislegung des Glaubens überträgt, zu entschlüsseln.

Ein interessantes Kapitel wäre das Studium der Verbindung zwischen dem Keim des christlichen Glaubens und der Neigung zur Kontemplation, bei vollkommener Hingabe an das Absolute, was so typisch ist für diese Völker.

Eine große Verheißung für die Zukunft des Königreiches.

Ozeanien sieht die Kirche auf der Suche nach neuen Verkündigungsarten, auch unter den Bedingungen struktureller und natürlicher Schwierigkeiten.

Die Anwesenheit der Laien, die die Gemeinschaft motivieren und unterstützen, oft auch finanziell - als Katecheten oder Church-leader in seelsorgerischen Tätigkeiten, denen einige ihre volle Arbeitszeit widmen -, schafft eine Grundlage der Hoffnung für die Zukunft. Im Augenblick wirken vier Bischofskonferenzen: die Pazifische Konferenz, die Konferenz von Papua-Neuguinea und den Salomoninseln, die Konferenz von Australien und die Konferenz von Neuseeland.

- Im australischen Gebiet, das hauptsächlich von Familien der Nachkriegsimmigration besiedelt ist, sollte so bald wie möglich Hilfe bei der Wiederbelebung der Wurzeln angeboten werden, sei es von den europäischen oder von den asiatischen Kulturen, die durch eine starke Religiosität gekennzeichnet sind. Es handelt sich um die Rettung der Entwicklung dieses Gebietes vor den Gefahren des Ökonomismus und der Effizienz, die das Wachstum der Geistigkeit verlangsamen.

Für die neuen Generationen ist Hilfe im Lichte der ursprünglichen Traditionen notwendig, die sich oft im Stadium des Verschwindens befinden und der zeitgenössischen Geschichte notwendig, um die Gefahr des Materialismus zu erkennen, der den Sinn des Lebens nimmt, ein misstrauisches Klima schafft und zur Intoleranz gegenüber dem Anderen führt.

Die Zukunft Australiens ist vorzubereiten. Die Jünger des Auferstandenen haben die Möglichkeit, bei der vitalen Konstruktion der Synthese der Werte "Haben" und "Sein", die nicht auf dem gleichen Niveau betrachtet werden, aber in einem funktionalen Verhältnis des ersten zum letzteren stehen, zusammenzuarbeiten. Sie werden ebenfalls an der Gestaltung des Zusammenlebens auf der Basis der Gerechtigkeit unter den Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenarbeiten, die bemüht sind, eine notwendig unteilbare Zivilisation auf einer Linie der Solidarität und des Helfens zu errichten.

Australien hat das Recht, einen glaubwürdigen Zuwachs des Christentums zu erwarten, um eine wahrhaftige Lebensqualität zu erlangen. In diesem neuen Klima wird die Ausrichtung der Förderung und Teilung der Macht heranreifen, ebenfalls zum Nutzen der neu Hinzugekommenen und der Ureinwohner, die oft kein Stimmrecht haben, aber so an der wirklichen Demokratie teilnehmen werden.

5. Solidarität, eine Antwort auf die Herausforderung der Globalisierung

Nicht zuletzt sind die Gemeinschaften der Anhänger Emmanuels, die in ihrem Code Sein Zeichen und Seinen Samen tragen, damit er reifen und sich entwickeln kann, in diesem ausschlaggebenden Augenblick der Zivilisation aufgerufen, im Verhältnis zur Kultur des Planeten eine Kirche-mit, Kirche-für und Kirche-in zu sein und zwar immer und nur im Geiste des Dienstes am Menschen, als theomorphe Ikone und als ein Kandidat für das vollkommene Königreich.

Es handelt sich um die Errichtung der Gemeinschaft der Gemeinschaftlichkeit (mit) mit aller Kraft, der Gemeinschaft des Dienens (für) und der Gemeinschaft des Übereinstimmens (in), um die Rettung des Menschen zu ermöglichen. Es handelt sich um die Schaffung der Voraussetzung zur Steigerung der Werte Freiheit, Solidarität, Bewegung und Öffnung nach oben und nach vorn. Je notwendiger sich dieses Ziel abzeichnet, umso gefährlicher wird die Weltsituation in der neoliberalistischen Verwaltung der Globalisierung.

Zwei Werke mit einer glänzenden Weltwirtschaftsanalyse handeln von der Metamorphose des Neokapitalismus am Übergang des Jahrhunderts. Ralf Dahrendorf veröffentlichte eine umfassende sozialwirtschaftliche Forschungsarbeit mit dem bezeichnenden Titel Die Quadratur des Kreises[23]. Der angesehene Direktor der London School of Economics analysiert mit seiner wissenschaftlichen Schrift schonungslos den Puls der Welt und lässt den leichten Optimismen beiseite. Er gibt eine röntgenhafte Darstellung der fortschrittlichen Welt und des Restes des Planeten, der, wie er bemerkt, nicht untergeht, weil er schon untergegangen ist. In Bezug auf die erste Welt führt er die Neigung zur Überbewertung der Wirtschaft an, gemeinsam mit dem Zusammenbruch der gesellschaftlichen Regeln, verflochten mit der Verdunkelung des religiösen Lebenssinnes, der Verbreitung der Arbeitslosigkeit, dem Misstrauen gegenüber den Institutionen und dem Anstieg von Verbrechen und Selbstmorden.

Danach vertieft er das Phänomen der Globalisierung, in der «alle Wirtschaften miteinander verflochten sind zu einem einzigen konkurrenten Markt»[24]. Das System produziert Nebenprodukte, die sogenannten «nichtsnutzigen Personen». Der Autor drückt es so aus: «Bestimmte Personen, so schrecklich das klingen mag, auch wenn es nur geschrieben steht, sind einfach zu nichts nütze; von welcher Seite man es auch betrachtet, sie sind für den Rest der Gesellschaft kein Segen, sondern nur ein Kostenfaktor»[25]. Das soziale Gefüge entfaltet sich auf diese Weise: «Menschen, die wirklich benachteiligt sind, haben keinerlei Gefühl der Zugehörigkeit. Die Reichen können ohne sie noch reicher werden. […] Das Bruttosozialprodukt wächst neben ihrer Armut weiter»[26]. Die Dualität, die auftritt, beschreibt Dahrendorf wie folgt: «Das Gefühl, das aufkommt, ist, dass jede Regel verschwindet und dass sich eine tiefe Unsicherheit breit macht»[27].

Über den Verfall der Gesellschaft, die Wirkung der Erosion der gesellschaftlichen Regeln spricht eine andere dokumentarische Analyse, das Werk Edward N. Luttwaks mit dem ebenfalls indikativen Titel: Die Diktatur des Kapitalismus.[28] Er bezeichnet sie mit dem Neologismus Turbokaptialismus und gibt folgende Erläuterung: «Sie nennen ihn den freien Markt, ich aber definiere ihn als übersättigten Kapitalismus oder einfacher als Turbokapitalismus, weil er sich wesentlich von dem streng kontrollierten Kapitalismus unterscheidet, der von 1945 bis in die achtziger Jahre prosperierte und der eine sensationelle Neuigkeit des Reichtums der Bevölkerungsmassen in den USA, in Westeuropa, Japan und in allen anderen Länder, die diesen Weg beschritten haben, gebracht hat. Die Extremsten streben jedoch das gleiche Ziel an, deshalb sollte es nicht überraschen, dass der neue Turbokapitalismus viele gemeinsamen Eigenschaften mit der sowjetischen Version des Kommunismus hat. Gerade der Turbokapitalismus bietet ebenfalls ein einheitliches Muster und einen einheitlichen Corpus von Regeln für alle Länder der Welt, indem er alle Verschiedenartigkeiten im Ausdruck der Gesellschaft, der Kultur und des Naturells ignoriert».[29] In der Fortführung der Analyse spricht der Wissenschaftler über das Identische des unaufhaltsamen Fortschritts der Auflösung des Gesellschaftssystems. «Zuzulassen, dass der Turbokapitalismus störungslos voranschreitet, bedeutet das Zerlegen der Gesellschaft in eine Minderheit der Elite der Sieger, in eine große Masse der Verlierer verschiedener Vermögens- oder Armutsstufen und in eine Kategorie der Aufständischen, die Straftaten begehen. Hier kommt es nicht nur zur Erosion von Gefühlen gesellschaftlicher Zugehörigkeit, sondern auch von Familienbindungen, die jene Zeit benötigen, die für das immer rasantere Rennen verbraucht wird».[30] In einem solchen Bild zeichnet sich ein allgemeiner Nivellierungstrend der Werte ab, die, abhängig von ihren humanitären Zielen, in den gesellschaftlichen Strukturen verankert sind. «Zuzulassen, dass der Turbokapitalismus jede Institution umwandelt, vom Krankenhaus bis zu den Verlagshäusern, und dass die Marathonrennen in den Unternehmen auf das Erzielen eines maximalen Profits ausgerichtet sind, bedeutet das Verzerren und Vernichten ihres Wesens».[31]

Der Turbokapitalismus ist zur Geoökonomie geworden, wo große Mächte eine neue Art internationaler Verbindungen pflegen, nicht mehr die der nationalistisch-militärischen, sondern der wirtschaftlich-finanziellen Art. Es gibt drei Hauptmerkmale dieses Systems. Vor allem besteht eine wirtschaftliche und unternehmerische Deregulierung (Befreiung der wirtschaftlichen Tätigkeiten durch die Abschaffung politischer und verwaltungsmäßiger Verpflichtungen und Regeln). Sie kam in Großbritannien in den siebziger Jahren auf und wurde in den achtziger Jahren in den USA eingeführt. Es handelt sich um den Übergang von der regulierten zur deregulierten Wirtschaft, mit dem glücklichen Ereignis der Kybernetik als Ersatz für die menschliche Arbeit.

In diesem Bild ist das Phänomen der Neuordnung und Rekonstruktion als höchste Regel die Anwendung des Prinzips, dass die Wirtschaft über der Arbeit und die Arbeit über dem Menschen steht. Johannes Paul II. hat in Laborem exercens das Gegenprinzip angekündigt: «Vor allem die Arbeit für den Menschen und nicht der Mensch für die Arbeit»[32] und gleichzeitig: «Es ist notwendig, das Grundprinzip zu wiederholen: Die Wertehierarchie und der tiefe Sinn der Arbeit selbst verlangen, dass das Kapital in der Funktion der Arbeit steht und nicht, dass die Arbeit in der Funktion des Kapitals ist».[33] In Bezug auf den ökonomischen Materialismus ist es wünschenswert, eine «grundlegende Überwindung» zu erreichen mit «Veränderungen, die sich auf der Linie der entschiedenen Überzeugung über den Vorrang der Person vor den Sachen, der menschlichen Arbeit vor dem Kapital als Gesamtheit der Betriebsmittel befinden».[34]

Die nächste Eigenschaft bezieht sich auf die Liberalisierung der finanziellen Transaktionen dank des realen Dollarflusses von einer Seite des Globus zum anderen, was durch die Datenübertragung ermöglicht wurde. Die Resultate ergeben sich aus der Geschwindigkeit der Investitionen und Deinvestitionen, durch die Spekulationsmöglichkeiten beim Kauf und Verkauf an der Börse und der Finanzspiele, des perversen Roulettes der heutigen Zeit, das die kleinen Unternehmen Bankrott machen kann und die Zinsen der öffentlichen Verschuldung erhöhen kann, und das auf internationaler Ebene. Am besorgniserregendsten bezüglich der Werte und der Ethik ist die Tatsache, dass in diesen Bewegungen keine Möglichkeit der Kontrolle besteht. Im Gegenteil, im Augenblick besteht nicht einmal die Möglichkeit des Monitorings. Dieser Prozess kann nicht lokalisiert werden. Cyberspace ist der einzige Raum. Außerdem sind die Finanzzentren der Kapitalverteilung in Privathänden und sie können dank des telematischen Instrumentes durch keine nationale oder Weltregierung kontrolliert werden.[35]

Es folgt das Phänomen der Globalisierung oder der Schrumpfung des Planeten auf einen einzigen Markt, gekennzeichnet durch die Tatsache der sozialwirtschaftlichen Deregulierung und der Liberalisierung der Finanzen. Auf diese Weise manifestiert sich die Globalisierung als offenkundige Öffnung der unterentwickelten Länder, aber mit der Absicht durch das Spekulieren mit der Armut und der Mehr-Arbeit bei vollem Genuss des Mehr-Wertes Gewinn zu erzielen. Dieser wilde Liberalismus hat neben seinen vielen sozialen Auswirkungen den Ausschluss von Verlierern zur Folge, die Opfer der Verzweiflung angesichts der eigenen Zukunft und des Verfalls der eigenen Familie sind. Beispielsweise wurden die Kosten der Arbeit - und folgedessen der Löhne - in den unterentwickelten Ländern durch das Spiel der Finanzwirtschafts- und Unternehmensgesellschaften festgelegt. Bezüglich der öffentlichen Verschuldung dieser Länder sollte gesagt werden, dass ihre Zinssätze von den Machtzentralen jener Reichen festgelegt wurden.

Der Unterschied zwischen den Reichen und den Armen vergrößert sich deshalb erschreckend. Es wird das hervorgehoben, was man den Superstar-Effekt nennt, in dessen Bereich der Sieger alles aushöhlt und der Verlierer Gefahr läuft, alles zu verlieren. Dies geschieht deshalb, weil der Sieger die Macht hat, die Spielregeln zu ändern und darüber hinaus die Regeln der Deregulierung aufzuzwingen. So wird der Weg dafür geöffnet, was bereits als Kolonialisierung der Welt bezeichnet wurde.

Diese Signale, die dem konkreten Menschen aus Blut, Fleisch und Tränen drohen, können dem Gedanken-Trend zugeschrieben werden, der sich als Sieger über den Humanismus und die Hoffnung darstellt und zwar aus sehr komplizierten Gründen. Das höchste Ziel vor allem ist das System der Globalisierung - der Maximalisierung des Profites ohne entsprechende Lohnerhöhung.[36] Desweiteren kann das System mit seinen strengen, diesem Ziel dienenden Methoden weder direkt für eine humane Gesellschaftsentwicklung sorgen, noch das unterscheiden, was mit dem investierten Kapital produziert wird: Waffen oder Kultur, Drogen oder Medikamente. Es kann auch keine Rede sein von der Qualität und Quantität der Produkte, weil das Ziel auch durch die Verringerung der Produktion erreicht werden kann. Die Finanzwelt neigt zur Loslösung und Verselbständigung bezüglich der Produktionswelt.

Die Globalisierung zeigt sich tatsächlich als eine Form des Neokolonialismus, der sich der Verbindungen mittels Fax und Internet auf ungestörte und stille Art bedient. Dieser Stil ist jenem der alten Kolonisatoren genau entgegengesetzt, die sich durch ihre laute Eroberungsrhetorik und ohrenbetäubende Fanfarenmusik unterschieden. Der heutige Neokolonialismus ist radikaler und anziehender als der alte.

In diesem Klima können die Herrscher des dritten Jahrtausends prosperieren, die Verwalter des Weltreiches des Geldes.[37]

Zu Anfang des Prozesses wurde die wirtschaftliche Globalisierung wegen der Hoffnung auf eine allgemeine Verteilung des Reichtums optimistisch beurteilt. Ehrlich gesagt, hat dieser Optimismus keine Grundlage mehr. Die Krise im Zeitraum der letzten drei Jahre dieses Jahrhunderts - besonders in Russland, Lateinamerika und Asien und der beängstigende Verfall der afrikanischen Wirtschaft - weisen auf die Zerbrechlichkeit der Mechanismen des globalen Marktes hin. Diese Stürme wiederholen sich geradezu physiologisch.

Die wirtschaftliche Globalisierung hat sich am Horizont der kulturellen und geistigen Planetarisierung, in deren Mittelpunkt der Mensch steht, jeder Mensch der Erde, platziert. Diesem Menschen wird im Namen der gerechten Verteilung im Lichte der Humanität geholfen (Subsidiarität), um die Segnungen der Zivilisation zu genießen (Arbeit, Bildung und Gesundheitsvorsorge, Verteilung des Reichtums, Zugang zu den Mitteln), abhängig von seinen Verdiensten und Bedürfnissen.

Die Kirchen müssen also das Gewebe des solidarischen Engagements weben, damit zwischen den Kontinenten und den Völkern sowie innerhalb der Nationen reale Möglichkeiten für die Verwaltung der Welt geschaffen werden.

Das ist das Ziel des XXI. Jahrhunderts. Es wäre eine Garantie für den Planetarisierungsprozess, bei dem es keine Polarisierung mehr gäbe und der die unaufhörliche Entwicklung der Welt kennzeichnen würde. Dies wäre ein reelles Verfahren des Populorum progressio, des einzigen Prozesses, dem man die Bewertung der Geschichte für den Menschen zuschreiben könnte - im Sinne der Entwicklung aller Völker und eines jeden Volkes.

Das ist der notwendige Beitrag, den die christlichen Kirchen gemeinsam mit den geschichtlichen Religionen, die gekennzeichnet sind durch die bekannte Universalität, leisten müssen, indem sie von der Herrschaft des Thrones zur Herrschaft des Zeltes übergehen.

"Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt"[38], so müssen sich auch die Kirchen in die geschichtliche Verflechtung der Kontinente einweben und Zelte entlang den Wegen der Völker aufschlagen, die ihrem Ziel der Einheit entgegen streben.

6. Der Letzte und der Erste: messianische Praxis

Man nennt sie die Letzten, weil sie ohne Macht, Raum und Zukunft sind. Die Letzten, denn sie haben keine Stimme, die sie gegen ihre Vertreibung in die Unterwelt der Geschichte erheben könnten, denen niemals erlaubt war, außer auf formaler Ebene, die der Neoliberalismus so verherrlicht hat, das Licht ihrer Rechte zu erblicken.

Die Förderer des Evangeliums setzen sich mit dem Drama der erniedrigten Menschen in Form der Herausforderung und Anregung auseinander. Wenn die Kirche die Dienerin des Gottes der Menschheit und der Göttlichen Menschlichkeit ist, muss sie zur Verwirklichung seiner Prophezeiungen bezüglich der Letzten, die die Ersten werden müssen, zusammenarbeiten.[39]

Es handelt sich um die Verwirklichung des prophetischen Planes aus dem Lobgesang[40], den die Tochter Israels singt, die zu den Letzten in der Bewertung der großen imperialen Gesellschaft, deren Zeitgenossin sie war, gehörte und die der Allerhöchste berufen hat, die Erste in der neuen Ordnung des Königreiches zu sein, mehr noch, Seine Mitarbeiterin in der Durchführung Seines Werkes. Maria ist das Beispiel, die Anführerin, der kondensierteste Teil der Völker Jahwes anawim auf dem Wege zur Befreiung.

Die Letzten sind ebenfalls Menschen mit der gleichen Würde. Mehr noch, sie sind eine lebende Ikone des neuen Menschen; sie sind Christus, mit denen Er sich ausdrücklich identifiziert hat[41]. Die Jünger nehmen also die Herausforderung im Sinne einer ernsthaften Aufgabe an, bzw. nicht im Sinne des inhaltlosen Rechts, sondern vor allem im Sinne der sich engagierenden politischen Liebe.

Die Liebe als geschichtliches Dienen ist das österliche Gesetz. Der erste Brief des Johannes erklärt den Übergang vom Tod zum Leben und gründet ihn auf der konkreten Liebe. «Wir wissen, dass wir aus dem Tode in das Leben gekommen sind; denn wir lieben die Brüder»[42]. Die geschichtliche Vermittlung bei der gezielten Verwirklichung dieses Lebensgesetzes ist die Wahl der Letzten in der Atmosphäre des Auswegs. Die Liebe drückt sich nicht aus in verallgemeinerter und unklarer Form. Im Gegenteil, sie ist eher auf die Bedürftigsten in der Gemeinschaft gerichtet, auf dass die Letzten die Ersten sein mögen. Das ist das Gesetz des Königreiches. Das Königreich ist bereits hier. Die Zukunft ist schon gegenwärtig. Die Wahrheit ist, dass das Königreich uns alle umfasst. Es schließt niemanden aus. Unterdrücker und Unterdrückte sind in den Befreiungsprozess einbezogen. Gott möchte alle befreien. Deshalb verweist Er die Unterdrücker darauf, sich von ihrer inneren Sklaverei zu befreien, wie Er auch dem alten Pharao bedeutet hat, das unterdrückte Volk ziehen zu lassen.[43] Die Freiheit ist unteilbar. Man kann nicht frei sein in einer Gemeinschaft, wenn man einem ihrer Teile den Raum für die Verwirklichung dieser Dimension verweigert. Sie ist in ihrer inneren Form vom Menschen zusammengesetzt, der bestrebt ist, sich seiner Natur nach auf der geschichtlichen Ebene eines wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen und politischen Musters zu äußern.[44]

Die Kirche übernimmt das messianische Wirken als das ihre. Ihr ständiger Mittelpunkt liegt - in der Bestimmung für die Letzten. Ihre Wurzel ist das Mit-Gefühl, was bedeutet, mit dem zu leiden der leidet[45], die Verantwortung für die riesige Last der Welt zu übernehmen. Albert Nolan hebt die Notwendigkeit hervor, dass sich die Gläubigen mit dem gleichen Geist in ihre eigene Zeit einmischen, mit dem Christus das zu Seiner Zeit getan hat. «Wir müssten gerade so beginnen, wie Er begonnen hat - mit dem Mitgefühl: Mitgefühl mit Millionen menschlicher Wesen, die den Hungertod sterben, mit denen, die erniedrigt und ausgestoßen sind, mit Milliarden Einzelner, die in Zukunft wegen der Welt, in der wir heute leben, leiden werden. Erst, wenn wir wie ein guter Samariter unsere gemeinsame Menschlichkeit entdecken, erst dann werden wir beginnen, das zu erfahren, was Jesus erfahren hat»[46] Um jeden Irrtum zu vermeiden, sollte gut erklärt werden, dass der «italienische Ausdruck "Mitgefühl" sehr weit von dem Ausdruck des Gefühls entfernt ist, das Jesus wirklich empfunden hat. Das griechische Verb splanchnizomai, das in allen Texten benutzt wird, kommt vom Ausdruck splánchnon, der auf das Herz hinweist, auf die inneren Teile des Herzens, was tiefe Quellen bedeutet, aus denen, so scheint es, starke Gefühle hervorkommen. Das griechische Verb bedeutet deshalb aus dem Herzen kommende Bewegung oder Regung, eine tief empfundene Reaktion der Güte»[47]. Die Kirche ist das Sakrament der Begegnung mit Gott, der Friede ist[48]. Sie muss sich also als glaubwürdiges Zeichen des Friedens zeigen können bzw. als ein Raum der Friedenserfahrung durch das Gewebe der Gerechtigkeit. Zu diesem Zweck wurde ihr Freude gegeben, die aus ihr strahlt und verkündet: «Selig sind die Friedfertigen»[49].

7. Der Süden der Welt, eine neue Herausforderung

Die Entscheidung für die Letzten identifiziert sich außerdem mit dem konkreten Engagement für den Süden der Welt, der heute marginalisiert und beschönigend als die «Dritte Welt» bezeichnet wird, während die «Welt der Letzten» eine viel entsprechendere Bezeichnung wäre. Gerade in diesem geogeschichtlichen Raum wird sich, wie bereits gesagt, die Kirche im dritten Jahrtausend entwickeln.

Ostern ist der Kampf gegen den Tod in all seinen Formen. Die Kirche hat den Auftrag, einen kontinuierlichen Kampf zu führen. Eine der schwersten Formen des Todes in der Geschichte ist der heute sogenannte „laue Krieg“, so heimtückisch wie trügerisch am Horizont, der als Zeit des Friedens erklärt wird.

An der Schwelle des Millenniums ist die große strittige Frage der Welt die Frage der wirtschaftlichen und sozialen, der politischen und strukturalen Ungleichheit. Das globale Bild der Aufteilung der Welt geht quer von Nord nach Süd. Es handelt sich um einen Mangel an Werten und Bedeutungen bei dem Ersten und um den Mangel an Brot und Instrumenten bei dem Zweiten. Die gegenseitige Abhängigkeit zwischen den geographischen Gebieten und den Schwierigkeiten zeigt, dass der Hunger der Zweiten zu Massakern im Süden führt, weil ein starker Mangel an Werten im Norden besteht.

Heute wird ein unerklärter Krieg zwischen der überentwickelten und der unterentwickelten Welt geführt. Wir können ihn als „lauen Krieg" bezeichnen.

Nach dem „heißen Krieg“ - wie ihn einige bezeichnet haben - der von 1915 bis 1945 geführt wurde und in zwei Weltkriegen und in der Entfachung des Totalitarismus im Westen kulminierte, folgte von 1945 bis annähernd 1989 der „kalte Krieg“ zwischen Ost und West. Er überschnitt sich mit dem „lauen Krieg“ zwischen Nord und Süd. Der heiße Krieg ist ein kämpferischer Konflikt. Der kalte Krieg, der zwischen zwei Großmächten und ihren Satelliten ausbrach, zeichnete sich durch die Kraft der Abschreckung und Intoleranz aus. Der «laue Krieg» wird durch die Maskierung der tiefen Kräfte des Unrechts und der Gleichgültigkeit charakterisiert. Es gibt die Gewalt des Angriffs und der Gleichgültigkeit. Das Nichtbestehenlassen ist Gewalt, hervorgerufen durch den Standpunkt des Nichtbestehens. Der Nihilismus der Werte führt zu Nihilismus in den Beziehungen.

Die Kirche, die eine geschichtliche Sendung des Dienens am Menschen hat, stellt sich - durch das Verkörpern, Aufzeigen und Vergegenwärtigen von Werten - in dieser schrecklichen Aufgabe als Animateurin derselben für den Norden der Welt dar, und das alles deswegen, damit der Süden genügend Brot und Mittel hätte, um seine eigene Kultur, unter Berücksichtigung der eigenen ursprünglichen Identität, würdevoll errichten zu können, und damit dieser Krieg beendet würde, der am verderblichsten, weil am leisesten ist.

Das bedeutet, dass die Kirche des Jahres 2000 eine Gemeinschaft sein wird, die Ostern ankündigt[50] - durch das Erwecken des Bewusstseins der Werte der Solidarität und Hilfeleistung im Norden sowie der Lebendigkeit und Mitverantwortlichkeit im Süden. Der Süden der Welt wird sich wegen der öffentlichen Verschuldung, die immer höher wird, niemals befreien können, wie die Päpstliche Kommission Iustitia et Pax in einem mutigen Dokument hervorhob[51].

Das österliche Wirken der Kirche muss anregen und vor allem in der Richtung fortfahren, zu ermutigen - zum großen Nutzen des Nordens selbst, der einen Marktraum braucht. Ohne Rücksicht auf dieses Interessenskriterium sollte im Norden der Welt wieder das ursprüngliche Prinzip des Westens aktiviert werden, das - ah, so oft verratene - Prinzip des Menschen als Mittelpunkt und nicht das wirtschaftliche Prinzip, das zweckgebunden bleibt.

Parallel zu diesem Dienst der Anregung von außen wird sie die Aufgabe der Selbstaktivierung fördern müssen, die immer ein Zeichen der Lebendigkeit nach dem Maß des Menschen ist, nicht eines frenetischen und possessiven Typs, sondern von dynamischer und freigebiger Natur, weil gerade darin die Reife der gesamten Zivilisation enthalten ist.

8. Notwendigkeiten und Anregungen

Für die Kirche des Auferstandenen, der Pilgerin in der Zeit, vereinen sich an der Schwelle des dritten Millenniums drei wichtige Aufgaben zur Stärkung ihres genetischen Codes - die Koinonie, die Prophetie und Diakonie. Die Koinonie ist die Seinsform der Kirche. Ekklesia - der Terminus, mit dem eigentlich die Gemeinschaft der Nachfolger bezeichnet wird - bedeutet konkret ein tiefes verbindliches Sichberufenfühlen. Der Glaube in dieser Dimension führt zum Wachstum des zwischenkirchlichen Dialogs zwischen dem Zentrum und den lokalen Kirchen und den lokalen Kirchen untereinander sowie auch zu der Konfrontation und dem ökumenischen Weg, so schwer er auch sein möge. Die Grundeinstellung ist deshalb die Achtung und Wertung aller Charismen, die im Rahmen des Glaubens ihre zusätzliche Bedeutung der Herkunft vom Geist annehmen, der ebenfalls ausgiebig an der Basis wirkt. Die Folge davon ist die Mitverantwortung der erwachsenen und reifen Mitglieder des Volkes Gottes.

Eine andere Dimension ist die Prophetie. Sie schließt die Möglichkeit der Vermittlung und Versöhnung mit ein. Sie drückt sich im Dialog der Kirche mit den Kulturen aus, die sich im System des Pluralismus befinden.

In jeder Kultur bestehen sowohl die Keime des Wortes als auch die Gifte des Antichrists in einem latenten Zustand. Die Welt, wie auch jeder ihres geogeschichtlichen Ausdrucks, hat ihre Eigenschaften auf dem Gebiet, auf das die evangelische Parabel hinweist, die eine Mischung aus Weizen und Spreu enthält[52]. Es handelt sich um die ständige Verflechtung des Mysteriums des Königreiches[53]2 und des Geheimnisses des Bösen[54].

Die Evangelisation stärkt diese Keime beim Verkünden der Wirklichkeit, die ihre Bedeutung vollkommen hervorhebt. Außerdem arbeitet sie an der Reinigung von den Giften, die das Wachstum der Menschlichkeit in der Geschichte verhindern.

Das prophetische Wesen der Kirche schließt die Fähigkeit der Ankündigung und Verkündigung mit ein. Diese Vorgänge können nicht in einer Distanz abgewickelt werden, sondern im Gegenteil im Zusammenleben und Mitleiden, vor allem zum Zwecke der Bewertung der Zeichen, durch die sich das Göttliche äußert. Diese prophetische Aufgabe schließt also auch die Fähigkeit der Kirche zur Inkulturation und Akulturation mit ein, dank ihrer Aufgabe als Gärstoff, Licht und Salz der Welt, zu der sie der Göttliche Schöpfer berufen hat[55].

Heute handelt es sich darum, dass man wieder zu den Fragen zurückkehren muss, die nach der Zerschlagung der Ideologien im Raum stehen geblieben sind. Es handelt sich um ein gewaltiges Erbe, dass Gefahr läuft, verschleudert zu werden, wenn es sich nicht einer vernünftigen Beurteilung unterzieht. Die kirchliche Prophetie heute erstreckt sich auch auf die Aufgabe der Hilfeleistung beim Betrachten der Fragen, die nach dem Verfall der großen Ideologien offen geblieben sind.

Desweiteren ist das Bestehen der dienenden Kirche die Fortführung des Dienens Christi. Der Empfänger ist die Welt, die Gott liebt[56]. Er zeigt sich nicht unklar, sondern differenziert. Das sollte bedeuten, dass die Vermittlung des kirchlichen Dienens die Dringlichkeiten achten muss. Dies verlangt nach einer vorrangigen Entscheidung für die alte Armut, deren Träger Menschen aus der ganzen Welt sind, die noch immer durch die primären Bedürfnisse erdrückt werden, und für die neue Armut, die Leute betrifft, die in ihren Grundbedürfnissen unterdrückt sind, vor allem in Bezug auf den Lebenssinn und den Sieg über den Un-sinn und den Sinn der Einsamkeit.

9. Neuheit und Inkarnation

Die Kirche an der Schwelle hat also bereits ihr Rolle durch die Formel, die alle ihre Dringlichkeiten umfaßt, bekanntgegeben. Sie sprach über die neue Evangelisation und setzte sie bedeutungsvoll auf die Magna Charta des Laienstandes[57].

Die Evangelisation ist die Verkündigung der Neuigkeit, immer alt und immer frisch, wie das Quellwasser der rettenden Liebe Gottes - die einen Sinn gibt, weil sie einen Anlegeplatz für das menschliche Leben bietet - und die Auferstehung des Sohnes als Neuigkeit und Verkündigung, dass in der Geschichte alles gut enden wird.

Diese Verkündigung befindet sich auf der Entwicklungslinie mit den «guten Nachrichten»[58], enthalten im Christus-Ereignis, die er - Kérux und Kérigma in einem bzw. Verkünder und Verkündeter - verbreitet hat, kurz gesagt, nichts anderes als die Fortsetzung der Inkarnation des Wortes.

Das ist die größte Neuigkeit aller Zeiten. Heute betrifft jedoch diese Sicht der Neuigkeit nicht nur die Inhalte, sondern darüber hinaus den Bezug auf die Geschichte, die sie in viel tauglicherer und entsprechenderer Form erwartet. Johannes Paul II. wies bereits darauf hin, dass der «christliche, katholische und apostolische Geist der ganzen Welt einen Sprung nach vorn erwartet. […]. Eine Sache ist, so setzte der Papst der großen Wende fort, die Grundlage des Glaubens selbst, […] und eine andere die Form, mit der die Wahrheiten verkündet werden, die in unserer Lehre enthalten sind. Dieser Form sollte man eine große Wichtigkeit beimessen und wenn es notwendig erscheint, geduldig auf ihrer Ausarbeitung bestehen»[59].

Es wird also eine neue pastorale Form im Sinne der Promotion des gesamten Menschen seitens der Kirche gesucht. Die anthropologische Wende hat die Jahrzehnte gekennzeichnet, die dem Beginn des dritten Millenniums vorausgegangen sind und setzt auch weiterhin die Anregung der Gemeinschaft der Gläubigen fort.

Diese neue Form der Pastorale ist die Antwort auf die geschichtliche Neuigkeit der Gegenwart.

Vor allem handelt es sich um die Neuigkeit der geschichtlichen Herausforderung, wie zum Beispiel in den Bereichen der Würde der Person, der Freiheit des Glaubens und der Familie als Priorität im gesellschaftlichen Engagement, in den Bereichen des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Wirkens[60]9 und nicht zuletzt den geopolitischen Einrichtungen, erneuert durch die aufgezwungenen Korrekturen der Richtungen und der Sichtweisen.

Dazu gibt es auch eine Neuigkeit der geschichtlichen Sicht. Außer der Erinnerung wird heute die Geschichte als Projekt betrachtet. Das Evangelium wird konsequent in seiner inkarnierenden und eschatologischen Rolle studiert.

Daraus ergibt sich auch der andere Typ der Neuigkeit im Hinblick auf Methode und Sprache. Es ist nicht nur notwendig, die Botschaft auf das Wesentliche zu beschränken und sie von überhöhten kulturellen Interpretationen - Aufgabe der Hermeneutik - zu befreien, sondern man muss ebenfalls wissen, wie sie auf unterschiedlichen Ebenen mit Hilfe der Inkulturationmethode, die, wie wir gesehen haben, als eine Art Inkarnation betrachtet werden kann, übertragen wird. Es handelt sich um ein fundamentales Problem des Christentums während der vergangenen Jahrhunderte, die Frage der Religionssprache. Dietrich Bonhoeffer stellte sich bereits diese Frage, «wie» über Gott in einem «säkularen» Rahmen und Stil zu reden ist, damit die säkularisierten Menschen sie verstehen könnten[61].

10. Die neue Evangelisation, ein Reisepass für die Zukunft

Es sollte berücksichtigt werden, dass die Welt heute durch das gekennzeichnet ist, was Hans-Magnus Enzen­sberger in der Debatte über die spätkapitalistische Gesellschaft, als “sekundären Analphabetismus”[62] bezeichnete. Dieser Analphabetismus ist die Folge der Meinungsbildung durch das gesamte System der Massenmedien, die die Meinung in einer bestimmten Weise durch Bilder geformt und durch kurzlebige Botschaften erobert hat. Heute ist es notwendig, De catechizandis rudibus von Augustinus[63] wieder hervorzuholen und in die Kultur einzubringen.

In Erinnerung daran ist es notwendig, sofort hinzuzufügen, dass eine viel tiefere Schicht bezüglich des sekundären Analphabetismus besteht, der nicht nur eine systematische Ablehnung des Minimums an permanenter Ausbildung und eine Passivität gegenüber den alltäglichen Angriffen der Massenmedien bedeutet, sondern er besteht aus der Ignoranz oder dem Verlust des grundlegenden Sinnes der Existenz. Wir könnten ihn als tiefgreifenden Anal­phabetismus bezeichnen.

Der sekundäre Analphabet ersten Grades versucht, sich zu entschuldigen, indem er den alten Ausspruch primum vivere, deinde philosophari wiederholt. Abgesehen davon, dass das deinde fast nie ankommt, meldet sich heute das Bedürfnis, wieder über das Motto bezüglich der Hinweise des Meisters der Logotherapie nachzudenken. Viktor Frankl, der auch mit seinen Gefährten über seine Erfahrungen in den Konzentrationslagern gesprochen hat, weist darauf hin, dass, je geistloser das Leben wird, das Bedürfnis nach der philosophari umso mehr erwacht. Darunter versteht er, dass jeder “sich selbst die Frage des definitiven Sinnes stellen muss”[64].

Leben ohne Sinn ist Vegetieren. Wenn man sinn-los lebt, stirbt man ohne Ausnahme innerlich.

Die neue Evangelisation kann diese Situation des semantisch-tiefgreifenden Analphabetismus nicht ignorieren, von dem nicht selten auch Menschen mit einer abgestandenen und resignierten Religiosität betroffen sind. Die Konfrontation mit dieser Situation besteht in dem Vorgang, der sich Vorevangelisation nennt und als Vorbereitung auf die Verkündigung notwendig ist. Sie ist nicht nur eine Phase außerhalb der Evangelisation, denn sie wird, da es sich um die neue, auf die Welt ausgerichtete Evangelisation mit so gemischtem Aussehen handelt, ihr Bestandteil.

Der fehlende Sinn, mehr noch als die Gottlosigkeit, bleibt die Herausforderung am Horizont der Herausforderungen der Welt, der sich die Kirche der Zukunft stellen muss. Die Segel können nicht gestrichen werden.

Schließlich wird als Bestandteil der Art und Weise der neuen Evangelisation die Neuigkeit der Operateure gefordert.

Die Aufgabe der Evangelisation ist die Aufgabe des gesamten Volkes Gottes «jedes nach seinem Stand und seinen Möglichkeiten»[65].

Die Inhalte dieser neuen Evangelisation – die eine wirklich neue Herausforderung darstellen – können vor allem im Bereich der Welt beschrieben werden, im Rahmen der Säkularisierung. Das ist der Wirkungsbereich des Charismas der gläubigen Laien.

Die neue Evangelisation ist das neue Bewusstsein der Kirche, wiederaufgelebt vor allem in ihrer verbreitetsten Schicht, der Schicht der Laien. Die Zukunft der Kirche geht durch das Wachsen der Verantwortung und pastoralen Kreativität, der Selbständigkeit und des Zugehörigkeitsgefühls des Laienstandes, der als Anwesenheit der Kirche in der Welt und für die gegenwärtige Welt betrachtet wird. Der neue Schauplatz der Evangelisation ist der neue Humanismus, der in die Hände der Laien gelegt wird.[66]

Beim Aufbau der Zukunft wird den Jungen eine besondere Aufgabe anvertraut. Sie sind aufgerufen, “aktive Faktoren, Hauptträger der Evangelisation und Erbauer der gesellschaftlichen Erneuerung” zu werden[67].

11. Die Hoffnung an der Schwelle

Es gibt einen Dialog zwischen den Jungendlichen und der Kirche, die sich für die Verjüngung ihres Geistes einsetzt. «Die Kirche hat den Jungen viel zu sagen und die Jungen haben der Kirche viel zu sagen. Dieser gegenseitige Dialog, der mit großer Herzlichkeit, Klarheit und Mut geführt werden soll, wird die Begegnung und den Austausch zwischen den Generationen anregen und zur Quelle des Reichtums und der Jugend für die Kirche und für die bürgerliche Gesellschaft werden»[68].

Die neue Evangelisation ist demnach nicht nur eine Frage des Wortes, sondern des Werkes, nicht der Propaganda, sondern der Zeugnislegung, nicht des Besitzens und der Macht, sondern des Seins und der Zusammenarbeit.

Die neue Evangelisation ist vor allem die Aufgabe zur Verkörperung des bereits genannten dreigliedrigen Ausdrucks, der die Kirche, noch erwärmt von Pfingsten, gekennzeichnet hat. Ad intra in der Kirche, das bedeutet das Wachsen in der Koinoníe ohne Zaun, zum Zwecke einer allgemeinen Diakoníe in der Welt ohne Grenzen. Auf diese Weise wird sich die Fähigkeit einer glaubwürdigen Prophezeiung und eines wirkungsvollen Mar­tyríums verstärken. Das heißt: Eine gestärkte Gemeinschaft in der Kirche wird zu einem besseren Dienst an den Menschen beitragen. Die Äußerung dieser Gemeinschaft des Dienens wird mit dem Begriff der Zeugnislegung benannt. Sie wird die glaubwürdigste Evangelisation für die Zukunft sein, ebenso wie die prophetische Sprache, die den Allerhöchsten anruft und sich nach vorne öffnet.

Das sind die Hauptgesichtszüge der Urkirche. Für die Aufgabe der neuen Evangelisation ist die Rückkehr nach vorn einer Gesellschaft gefragt, die, gerade im Glauben an ihren genetischen Code die richtige Atmosphäre für den Glauben an die Zukunft findet.

Desweiteren sollte, bezüglich der Form der neuen Evangelisation ein Vergleich gemacht werden.

Im ersten Jahrtausend führten die Kirchen mehrere Male die Evangelisation durch Wanderprediger durch. Ein Symbol dessen ist Paulus, der Wanderapostel. Im zweiten Jahrtausend bevorzugten die Kirchen die institutionale Evangelisation: die Gründung von Schulen, Krankenhäusern und Waisenhäusern. Im dritten Jahrtausend beginnt sich die Tendenz zur Evangelisation ambientalen Typs zu entwickeln. Es handelt sich darum, ein Gesellschaftsgefüge unter den Menschen zu schaffen. Die Kirchen des dritten Jahrtausends haben, ebenso wie das Salz eines zerstörten Landes im Bedürfnis nach Versöhnung, ein Feld der Vermittlung zwischen Personen, Gruppen und Kulturen vor sich.

Vermitteln zu können bedeutet, erfahren zu sein in den Beziehungen zwischen der psychologischen, kulturellen und vor allem spirituellen Bewegung, unter Förderung und Stärkung dessen, was vereint.

Vermitteln zu können bedeutet, bei der Enträtselung der falschen und [1] [2] betrügerischen Botschaften zu helfen, um das kritische und freie Bewusstsein zu bilden, das sich wechselweise zu verhalten weiß, wobei auf die positiven Aspekte des eigenen Reichtums hingewiesen wird, die beim Wachstum gegenseitig genutzt werden können.

Vermitteln zu können bedeutet, die Schutzlosen mutig und kompromisslos, aber mit der Strategie der Gewaltlosigkeit zu schützen, die weit entfernt ist von der Anpassung, sondern ein wahrhaftiger aktiver Widerstand ohne Aggression. Gandhi bleibt der Lehrer, der uns, inspiriert vom Evangelium, lehrt, dass die Gewaltlosigkeit nicht Verzicht auf den Kampf gegen das Böse bedeutet. Es handelt sich um eine andere Art des Kampfes, einen aktiveren und wirkungsvolleren Kampf als das Gesetz der Rache, der auf der moralischen Ebene geführt wird.

Vermitteln zu können bedeutet, zur Kontemplation und Vernunft, zur Weltlichkeit und zum kritischen Informieren sowie auch zum Gegeninformieren, vor allem zum konkreten und beharrlichen Vorgehen im Hinblick auf die «Zivilisation der Liebe»[69] zu erziehen.

Vermitteln zu können bedeutet, zur Kultur der Versöhnung zu erziehen, die sich auf der Göttlichen Begeisterung für das Hauptwort (sub-stantia) gründet: der Mensch. Das Eigenschaftswort ist Übergang und nicht Änderung des Wesens. Der Mensch bleibt immer ein heiliges Wesen, sei er nun rot oder schwarz, weiß oder gelb. Selbst wenn das Eigenschaftswort die zusätzliche Bedeutung des Bösen hat, bedeutet das Verlangen nach dem Substantiv eine vielversprechende Hoffnung, dass die negative Qualifikation dank des zusätzlichen Engagements im Bestreben um das Wachstums seiner Existenz geändert werden kann.

Schließlich sollten die Gemeinschaften der Gläubigen im auferstandenen Christus, die im Zwischenzeitraum bzw. im Provisorium der Geschichte, aber in Erwartung einer stabilen und ewigen Metageschichte leben, der Welt in Erwartung das Zeichen des inkarnierten Jona - die Tatsache der Auferstehung - als Antwort auf die Anregungen und Herausforderungen anbieten.

Maria hat auf dem Berg Ain Karim den Lobgesang gesungen - eine echte exultet ante litteram[70] – eine Hymne des ständigen Übergangs der Zeitlichkeit, von der Urgeschichte gekennzeichnet durch die Formel: der Mensch über dem Menschen bis hin zur wahrhaftigen Geschichte, die gekennzeichnet ist durch die Formel: der Mensch für den Menschen. Sie verfügt in dem Maße über die Ostererfahrung wie die Zukunftswege in der Lebenskultur offen sind.

Die Kirche, die in ihr das kondensierte Modell der Neuigkeit sieht, die der Sohn bringt, ist heute mehr als je zuvor - während sich die Zeichen des Todes mehren - aufgerufen, die gebräuchliche Art der Österlichen Frau („Donna pasquale“) wieder herzustellen.

So werden die Gläubigen in der Kirche gemeinsam mit den anderen geschichtlichen Religionsformen und mit allen Menschen guten Willens der Kulturen der Welt zusammenarbeiten, um einen entschiedenen Anstoß für die Zukunft des Menschen zu geben, zur Bildung des Menschen der Zukunft.

BEILAGE ZUR DOKUMENTATION

Hier ist es notwendig, einige der problematischen Fragen der Situation in den verschiedenen Welt-Szenerien zu erwähnen.

1. Das Elend der Zivilisation

Der Westen ist wie ein robuster Körper, auf den die Angriffe des Konsumismus, das Wüten des Kapitalismus und das Eingenommensein von der eigenen Nation lauern. Außerdem greifen auch der Hedonismus und der Nihilismus seine menschlichen Wurzeln an. Der Relativismus wird zum ethischen Bezugspunkt. Der irreführende Materialismus verbreitet die Säkularisierung in den wachsenden Formen der Indifferenz gegenüber der Religion. Das Rasen des Zuges setzt sich mit wahnsinniger Geschwindigkeit fort. Verschiedene Bedrohungen, die bis vor kurzer Zeit noch undenkbar waren, verursachen Schwindel.

Registriert wird eine starke Neigung zum Pragmatismus, begleitet vom Abkühlen der Ideale und einer verminderten Fähigkeit der politischen Vertretung, Synthese und Organisation von Appellen, die aus den Fundamenten am Horizont einer komplexen Gesellschaft hervorgehen. Daher die Trennung zwischen der Regierung und der Gesellschaft, dem Zweifel und dem Misstrauen in die Gesetze und oft an der demokratischen Realität, obgleich sie in der westlichen Zivilisation geboren wurde.

1.1. In Europa wird insbesondere eine Tendenz zur Abnahme der Einheit und Vorbildlichkeit hin zur Bruchstückhaftigkeit bemerkt.[71]

Die Idee des Nationalstaates, der einst die soziale, politische und wirtschaftliche Kraft der Minderheiten garantierte, scheint heute wegen der Verminderung ihrer Anziehungskraft bedroht zu sein.

Ebenfalls wird ein starkes demographisches Absinken bemerkt. Abgesehen von jeder anderen Überlegung wird diese Situation in kurzer Zeit dem Westen den Bedarf neuer interkultureller Anschlüsse auferlegen, unter Aufnahme eines großen Zustroms von Einwanderern, trotz der Angst vor den "Fremden", die sich in den Formen der wiederkehrenden Rassismen und manchmal auch Neonazismen ausdrückt.

Der europäische Kontinent, dessen genetischer Code einen deutlichen Standpunkt der Vereinigung registriert, nimmt – vor allem auf der anthropologischen Ebene – hervorgerufen entweder durch den neokapitalistischen Materialismus oder durch die Denkungsart, die den gegenwärtigen Augenblick und die Unmittelbarkeit privilegiert, an der Trennung zwischen dem homo faber und dem homo sa­piens teil.

Eine andere Unausgeglichenheit besteht zwischen dem Pol der Einheit und jenem der Pluralität. Trotz der Proklamierung und Verbreitung der Demokratie – sei es der inhaltslosen Art und nicht der gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen - ergibt sich die Einheit aus dem Anschein der Übereinstimmung und die Pluralität ist in Gefahr, eine Verbindung unausgeglichener Gesellschaften zu werden.

Eine weitere Unausgeglichenheit besteht zwischen den nationalen und den übernationalen Entitäten. Unter den Mitgliedsländern und dem gemeinsamen System brechen Nationalismen auf, wobei der Stärkste versucht, trotz der in Helsinki 1975 festgelegten Grundsätze, die Gesetze festzulegen. Hier wurde die Wiederversöhnung und die Anerkennung der Rechte aller Träger promoviert, um auf kreative Weise die Mechanismen für eine friedliche Lösung von Streitigkeiten und für die Bestätigung der Eigentümlichkeit einzusetzen. Die hier vorgetragene Tendenz bewegte sich auf der Linie der Relativierung der Souveränität der Staaten und der Stärkung der Strukturen der Europäischen Gemeinschaft mit der Bereitschaft, die schwächsten Gruppen zu verteidigen.

Es ist dringend nötig, noch vor dem politischen oder ökonomischen Europa ein gemeinsames Haus des sozialen Europas zu bauen. Auch innerhalb des Westens wird ein Nord-Süd-Gefälle festgestellt, wobei sowohl die einheimische Bevölkerung als auch die ausgegrenzten Schichten der Immigranten betroffen sind.

Das gemeinsame Haus kann nicht eine alte Festung an der Front sein. Es muss auf dem selben Boden ein neues Gebäude errichtet werden, das, außer den heutigen Mitgliedern der Gemeinschaft, auch die Länder des Ostens und die Mittelmeerländer, die die Aufnahme beantragt haben, beherbergen muss.

Es ist wichtig, dass es, im Einklang mit dem Geist der sozialwirtschaftlichen und politischen Demokratie, keine Obergeschoße geben wird, in denen die stärksten Kräfte wohnen und auch keine Untergeschoße, die für die Armen oder für die Zuletztgekommenen vorgesehen sind. Es darf sich um kein feudales Schloss handeln, dessen Erdgeschoß von den Knechten bewohnt wird. Es besteht eine echte Gefahr, dass im Herzen des Westens ein Süden der Minderwertigkeit entsteht. Europa muss die Philosophie der Individualität dringend durch ein Europa der Solidarität ersetzen.

1.2. Die Vereinigten Staaten von Amerika – die geopolitische Realität westlichen Ursprungs und heutige Weltmacht – ruft in der Welt, außer den Zeichen der Hegemonie, auch einen Traum der Flüchtlings- und Einwanderermassen hervor.[72]

Die Vereinigten Staaten stellen das Objekt der letzten Hoffnung verzweifelter Völker dar. Sie sind der Self-made-man-Staat, mit immer neuen Grenzen und einer exponentiell wachsenden Technologie. Sie präsentieren sich als ein entscheidender Faktor des wirtschaftlich-finanziellen Gleichgewichts oder Ungleichgewichts auf planetarischer Ebene – der Dollar ist das Gesetz – und der Politik der Kontrolle und der Bedingungen für weite Teile der Erde.

Sie bleiben jedoch paradoxerweise ein Land, in dem die Zahl der street people und der homeless in den letzten Jahren gestiegen ist. Wenn Rio de Janeiro seine favelas und Ankara seine gece­kondus hat, so haben die Vereinigten Staaten von Amerika mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Ungleichheit der Frauen im Sinne ihrer Ausbildung und Aufstiegschancen die Kartonhäuser kennen gelernt.

Auf dem empfindlichsten Gebiet der Zivilisation, dem der Ausbildung junger Menschen, wird ein erhöhter Drogenkonsum unter den Jüngsten festgestellt. Das ganze Bildungssystem wird hier zur Verantwortung gezogen. Die Gewalt der Großstadt erreichte Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahren ein alarmierendes Niveau. Es ist bezeichnend, dass der Bürgermeister von Washington gezwungen war, mehrmals die Polizeistunde für Minderjährige auszurufen. Bezeichnend ist auch The Big Apple, „Der große Apfel” bzw. New York, wo im Durchschnitt täglich sechs Überfälle mit tödlichem Ausgang registriert zum großen Teil mit dem Drogenverkauf in Verbindung gebracht werden. Die Stadt, das Symbol des American dream, hat sich in einen Raum grausamer Überfälle und wirtschaftlicher Ungleichheit verwandelt. Wird der „Große Apfel” es schaffen, nicht weiter zu verfaulen? Das ist eine sinnbildliche Herausforderung für ganz Amerika, das Land der Gegensätze, der Weltspiegel der Erschütterungen, ein Land, das auf der Suche nach neuen Grenzen ist, vor allem den moralischen.

In dieser neuen, beklemmenden Situation werden ethische Fragen gestellt, um das Entgleisen zu verhindern. Die Ethik hat auch einen wirtschaftlichen Wert, vor allem den Wert der Rettung. Die Weltführung befindet sich in der Gefahr, ein Vermittler für den Export von wirtschaftlich lebendigen aber kulturell oft toten Lebensmustern zu werden. Es ist dringend nötig, neue Formen der Wiederentdeckung und des Wiedereinbringens des reichen Erbes vorzuschlagen, das seine Wurzel in den Humus einer Botschaft mit vier fundamentalen Zivilisationswerten versenkt hat: das innere Geistesleben, die Solidarität, die geschichtliche Beweglichkeit und die Bedeutung der kosmischen Herrschaft. Nur auf diese Weise wird sich das Bewusstsein der Umwandlung des wirtschaftlichen leadership in eine neue Kultur im Dienste des Menschen entwickeln.

1.3. Die Länder des sozialen Realismus trifft das Ende des Jahrhunderts in einer Situation tiefer Revision und Restrukturierung an. Der starre Standpunkt und die Macht haben sich als geschichtlich unbegründet und unhaltbar erwiesen. Die Regierungen, die sich als Stimme des Volkes deklarierten, haben sich später selbst als Unterdrücker des Volkes gezeigt. Die zerrütteten Wirtschaften, die veralteten Technologien, die militarisierte Gesellschaft und die unmotivierten Arbeiter riefen vor allem den Widerstand gegen eine Ideologie hervor, die seit Jahrzehnten die Gedankenfreiheit und das Bewusstsein mit Füßen getreten hat. Die kulturelle Absonderung blieb bestehen. Die Religion ist noch nicht aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden. Im Gegenteil, in einigen Staaten wurde sie als Volksgeist entdeckt und deshalb als eine starke Grundlage für den Widerstand gegen die Regime.

Der Wind aus dem Osten hat kräftig geweht. Es ist keine Improvisation, sondern etwas, was von dem durch die alternative Kultur genährten kollektiven Bewusstsein vorbereitet wurde. Die Kalkmauern verfielen mit den Wällen des alten Misstrauens. Es wurde eine andere Revolution geboren, eine de­mokratisch und gewaltlos ausgerichtete Revolution, wie wir dies im zweiten Band analysiert haben.

Bei der Rückeroberung der Werte und ihrer hierarchischen Organisation siegte, beginnend beim Menschen, die Vernunft.

Es kommt also zu einem neuen lebhaften kulturellen, sozialen und politischen Aufschwung. Es zeigt sich der Schimmer einer anderen Zukunft. Zahlreiche Versuchungen, zum Materialismus in einer anderen Ausgabe zurückzukehren, werden bemerkt. Der demokratische Sozialismus als Prinzip der Sozialisierung des Reichtums zum Zwecke der gerechten Verteilung ist ein Prinzip, das dem Moloch des kapitalistischen Ökonomismus, der eine Form des Materialismus bleibt und ständig lauert, nicht geopfert werden darf.

2. Zwischen Notwendigkeit und Ohnmacht

2.1. Lateinamerika stellt am Ende des Jahrtausends einen immer dramatischeren Unterschied zwischen den Reichen, den Nutznießern des äußeren neokolonialistischen Schutzes und der Masse der Armen dar, denen der Weg zu den immensen Reichtümern des eigenen Bodens versperrt bleibt.[73]

Diese unsinnge Ungleichheit provoziert einen Konflikt zwischen der Ideologie des wirtschaftlichen und pragmatischen Liberalismus bis zum Zynismus – der offensichtlich oder stillschweigend bzw. noch immer von den militärischen oder paramilitärischen Kräften unterstützt wird - und den Resten eines revolutionären, sich widersetzenden Kollektivismus.[74]3

Im Zentrum befindet sich das Volk, das sich immer mehr seiner Würde und seiner Fähigkeiten, einen selbständigen Weg zu beschreiten, bewusst wird, während es die Fundamente konstruktiver Geduld baut. All das geschieht trotz der erdrückenden Probleme des finanziellen, militärischen und kriminellen Systems, vor allem hinsichtlich der Händler des Todes.

Es wird ein massives Phänomen der Landflucht in die urbanen Zentren registriert, entweder in einer Zwangsform wegen der Landenteignung oder in freiwilliger Form wegen einer ungebremsten verzweifelten Hoffnung. Denken wir nur daran, dass in Lateinamerika, in den neunziger Jahren, 65% der Bevölkerung in den Randbezirken der Großstädte wohnte. Die Menschen versuchen, den Armutsgebieten zu entkommen, geraten aber in eine noch schlimmere Form des Elends, verursacht durch den Prozess einer ungestümen Urbanisierung. Der primäre Sektor - die Landwirtschaft - geriet so, im Unterschied zu dem unablässigen Anwachsen der Städte, wo die Kultur der Resignation, die Ausbeutung und die Kriminalität prosperieren, ins Hintertreffen. Die schwächsten Glieder der menschlichen Kette – die Kinder, die gewöhnlich auf der Straße leben - meninos da rua – sind eher ein ethisches, als ein polizeiliches Problem.

Auf der Schwelle des Dritten Millenniums wird in Südamerika die Zahl derer, die gewöhnlich im Freien übernachten, auf 20 Millionen geschätzt. Die Obdachlosen erweisen sich dramatischerweise auch als die Habenichtse.[75]

Lateinamerika ist größtenteils durch Gegensätze gekennzeichnet: durch den Reichtum des Bodens und den geringen Verdienst, die Fruchtbarkeit des Lebens und die Barriere für neue Generationen. Die Mehrzahl der Armen sind junge Menschen und die Mehrzahl der jungen Menschen ist arm.

2.2. Die Situation Afrikas an der Schwelle des Jahres 2000 schwankt nach der langen kolonialistischen Lethargie zwischen den ursprünglichen Kulturen, die noch immer stark in den Fundamenten verwurzelt sind und den Mächten auf der Suche nach dem schwierigen politischen Gleichgewicht .[76]

Die traditionellen Werte – Gerechtigkeit, So­lidarität, Familie – erfahren tatsächlich Umwandlungen wegen der Machtkämpfe und der Gruppen des religiösen Integralismus. In vielen Gebieten besteht noch immer die Sklaverei der primären Bedürfnisse, wie z.B.: Hunger, Durst, Analphabetentum. Die gesellschaftliche Lage Afrikas hat heute einen alarmierenden Punkt wirtschaftlicher, politischer und gesundheitlicher Unterdrückung erreicht, der diesen Kontinent zum unsichersten Raum der Erde macht.

Ethnische Konflikte, Klassenunterschiede, Demagogie und Despotismus, Einparteien-Diktaturen, Verschwendung des öffentlichen Geldes, übertriebene Spesen für die Regierungsvertreter, die Ineffektivität der Bürokratie und Inkompetenz leitender Personen im Wirtschafts- und Finanzwesen, Systeme mit um sich greifendem Sittenverfall, ungenügendes Fachwissen von Fachleuten und die Zerbrechlichkeit der Schul-, Gesundheits- und Verkehrssysteme stellen das verschlissene Material der Gesellschaften dieses Kontinentes dar. Zu diesen Phänomenen gesellen sich die häufigen Naturkatastrophen: Dürren, Hungersnöte, Unterernährung, bekannte Epidemien und die neuesten Krankheiten wie z.B. AIDS.[77] Die internationale Hilfe genügt nicht und erweist sich als völlig ungeeignet.[78]

Die Versuchungen des Totalitarismus und der Stammeskorruptionen verzeichnen einen Effekt der Verseuchung der kolonisatorischen Systeme, belastet durch den wiederkehrenden Rassismus.

Der gesamte Kontinent ist am stärksten durch den Kolonialismus verletzt: «Afrika ist sicherlich der Kontinent, der mehr als die anderen die historische Zeche für die Begegnung mit der Außenwelt bezahlt hat. Wir erinnern hier nur an einige der einfachsten Fakten. Die Sklaverei: Von 1500 bis 1800 wurden mindestens 50 Millionen Sklaven nach Amerika verschleppt. Der Kolonialismus: Es wurden nur wenige Strukturen geschaffen, die mehr uns und unserer Ausbeutung dienten. Afrika wurde einer riesigen Warenmenge beraubt. Die "Aufteilung", die Afrika auf der Berliner Konferenz auferlegt wurde, zerteilte Afrika in 50 Staaten: eine schreckliche Entscheidung. Als schließlich die Unabhängigkeiten kamen, tat das schwarze Bürgertum nichts anderes, als sich auf Kosten seiner eigenen Menschen zu bereichern, indem es in den großen internationalen Finanzierungen vermittelte, und zwar zu Lasten der lokalen Gemeinschaft. All das hat Afrika offensichtlich dazu gebracht, dass es heute der ärmste Kontinent ist».[79]

In dieser äußerst schwierigen Situation werden erst in Zukunft verschiedene Versuche – von der Unabhängigkeitsbewegung und dem gesellschaftlichen Fortschritt bis zu jenen kirchlichen Bewegungen – auf der Tagesordnung stehen. Man versucht, eine Art und Weise der Teilnahme an den Märkten zu finden und vor allem eine vitale Synthese der alten Werte des Afrikanismus und der modernen Zeit zu erreichen, die im Augenblick der Akulturation mit Beharrlichkeit an die Türen des Kontinentes klopft.

Dies sind die Herausforderungen, die von den afrikanischen Kirchen gesammelt und der internationalen Gemeinschaft vorgelegt wurden, die für den Druck der Außenverschuldung, der Ungerechtigkeit in den Handelsverträgen seitens der Mächte des Nordens hinsichtlich des immer mehr verarmenden Südens verantwortlich ist.

Der Zusammenbruch der östlichen Regime hat zu einer schweren Krise der pro-sowietischen Regime Afrikas geführt.

Im Augenblick öffnet sich der Raum für die Bildung eines demokratischen Bewusstseins. In vielen Ländern wird für diese unaufschiebbare Bildung die Anwesenheit der Kirche verlangt.[80]

3. Zwischen Initiativen und Kontrasten

3.1. Asien setzt seinen Weg der jahrhundertalten Weisheit des Konzentrierens auf seine Religionen fort, die reich sind an Gefühlen der Transzendenz, während es dramatisch bemüht ist, sich auf allen Ebenen der Gegenwart anzupassen.[81]

Die Akulturation westlichen Typs hat seine Seele nicht verändert, aber seine Sitten und seine politischen und wirtschaftlichen Muster geprägt. In einigen Ländern, wie z.B. in China mit seiner kollektivistischen Wahl, konnte, ausgehend von der Rückständigkeit der Mandarine, ein gesellschaftlicher Fortschritt festgestellt werden, aber es wurde ein hoher Preis für das Erbe des ethnischen Bewusstseins, für die religiöse und bürgerliche Freiheit bezahlt.

In einigen anderen Ländern, wie in Japan, versuchte der wirtschaftliche Liberalismus, der in gewisser Weise sanfter ist als die westliche Version, die kulturelle Identität und das hier verwurzelte religiöse Lebensgefühl sowie die Ethik durch die Formung eines arbeitsamen Volkes zu verfälschen, das zwar satt ist, aber dem es an großen Werten mangelt mit den Anzeichen einer furchtbaren Existenzleere.

In einigen anderen Ländern, wie in Indien, tragen die extreme Armut in breiten Bevölkerungsschichten und das Bürgertum westlichen Typs in den privilegierten Bereichen nicht zum Zusammenschluss der Bevölkerung für Gerechtigkeit und Demokratie bei, entsprechend der Botschaft Mahatma Gandhis, der sein Leben für dieses Ideal gab.

Im gesamten Osten gibt es Anstrengungen, die kontemplativen Aspekte zu verbinden, die zu seinem authentischen Erbe gehören mit den Bewegungen einer wirkungsvollen modernen Gesellschaft.

Asien ist, kurz gesagt, ein spezifisches Laboratorium der Kontraste. Es ist ein melting pot, der das älteste religiöse Erbe und die modernste technologische Entwicklung vereint. Die symbolischen Städte - Dhaka in Bangladesh, Djakarta in Indonesien, Kolkata (Calcutta) in Indien, Shanghai in China – verzeichnen eine Koexistenz gewagter wirtschaftlicher Unternehmungen einerseits und der Masse im Armutszustand andererseits. Desweiteren ist der geschichtliche Gegensatz bedingt durch die Kulturen der Gewaltlosigkeit, die ihren Ursprung in den Religionen mit kontemplativer Dominanz haben und den blutigsten Kriegen dieses Jahrhunderts, wie z.B. den Kriegen zwischen Indien und Pakistan, Pakistan und Bangladesh, Indonesien und Ost-Timor, ganz zu schweigen von den koreanischen, chinesischen und vietnamesischen Bruderkriegen.

Zu diesen Problemen kommen jene ererbten hinzu, die heute, hinsichtlich der offiziellen Proklamation der Würde und Freiheit des Menschen, den Kontrast noch dramatischer machen. Denken wir zum Beispiel nur an das Problem der dalit oder an die von den Kasten in Indien Ausgeschlossenen, an die Millionen von Frauen und Männer, denen fast keine Rechte zuerkannt werden.

In einer positiven Perspektive lässt sich eine neue Ordnung des am stärksten besiedelten Kontinentes der Erde erahnen. Asien ist ein Gigant nicht nur im Sinne der Menschenmassen, sondern auch - wie es sich darstellt - hinsichtlich der Qualität der Einheit. Trotz der kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und gesetzlichen Unterschiede, wird die Notwendigkeit spürbar, die Qualität mit der Quantität zu verbinden und das wird durch die Einheit bedingt.

Schon längere Zeit ist der Wunsch zur Gründung der Vereinigten Staaten von Asien als einer kulturhistorischen Notwendigkeit zu spüren und dies umsomehr, nachdem die zahlreichen Mauern gefallen sind, nachdem der Bipolarismus zusammengebrochen ist, nach der Erweiterung mit der Aussicht auf die Vereinigten Staaten von Europa und der geplanten Schaffung eines gemeinsamen Marktes zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika, Mexiko und Kanada (North American Free Trade Agreement - NAFTA).

3.2. Ozeanien befindet sich, infolge der alten Besiedlungen und kontinuierlichen Immigrationen, in einem Zustand der geophysischen Spaltung und geopolitischen Erneuerung.

Neben den alten melden sich deshalb neue strukturelle Probleme, die durch natürliche Umstände hervorgerufen wurden. Bis gestern konnten sie noch von nebensächlichem Interesse sein, aber im Hinblick auf die untereinander stark abhängig gewordene Welt stellen sie heute dringende Fragen, mit denen man sich auseinandersetzen muss.

Die Lage der australischen Region mit dem weltweit am höchsten entwickelten Kosmopolitismus und einer Großstadtkonzentration im Verhältnis zur niedrigen Bevölkerungsdichte ist auch bezeichnend.

Australien wurde durch die enorme Nachkriegsimmigration aus Europa und Asien verändert. Die Einwanderer, die sich angesiedelt haben, entwickelten dank ihres Fleißes ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit und der bewussten Mitarbeit am wirtschaftlichen Aufschwung.

All dies wurde jedoch vor dem Hintergrund der Effektivität gelebt, die sich allmählich ohne feste Bezugspunkte formte. Es entstand eine Gesellschaft des Wohlstandes und der Selbstgenügsamkeit mit den Zügen der Intoleranz gegenüber dem Nächsten, der später auf der Szene erschien.

Heute kann ein starkes Bedürfnis festgestellt werden, denjenigen wirksame Macht zu bieten, die machtlos sind, gleichgültig, ob es sich um die Ureinwohner oder um die von der alten oder neuen Armut Betroffenen handelt, deren Zahl ständig steigt.

Die Herausforderungen des Christentums sind hier also durch das Auferlegen der Säkularisierung bedingt, die riskiert, zu einer Säkularisation im Rahmen des Prozesses der Postaufklärung, des Hedonismus und ethischen Relativismus auszuarten, im Verein mit dem großen wirtschaftlichen Unterschied im Verhältnis zu den Ureinwohnern.

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Alfons Sarrach

MEĐUGORJE- EIN GESCHENKTES DRITTES AUGE

Wer von Ihnen schon einmal einer indischen Frau begegnet ist, vielleicht sogar im malerischen Sari, dem wird aufgefallen sein, dass die meisten von ihnen auf der Stirn einen roten Punkt tragen. Die tiefere Bedeutung ist selbst vielen Indern nicht klar. Manche werden auf Befragen antworten, dass verheiratete Frauen ihn tragen. Aber heute schmückt man sogar kleine Mädchen mit einem solchen Punkt. Die wahre Bedeutung ist eine tiefere. Und man ahnt sie, wenn man die Darstellung indischer, auch männlicher Gottheiten betrachtet. Sie haben alle diesen roten Punkt. Er hat also eine religiöse Bedeutung.

Die Antwort finden wir in der Bhagavad - gita, dem heiligen Buch der Inder, die oft mit dem Neuen Testament verglichen wird. Es schildert den Höhepunkt vor einer grossen Schlacht auf dem Kuru-Feld ( in der Nähe des heutigen New Delhi), zwischen den verwandten, aber verfeindeten Stämmen der Pandavas und der Kauravas. Als König Arjuna, der Oberbefehlshaber der Pandavas, einen Blick auf die andere Seite wirft, erkennt er dort viele seiner Verwandten, gegen die er kämpfen soll. Entsetzt wirft er seine Waffe aus dem Wagen. Da dreht sich der Wagenlenker um und gibt sich als Krishna zu erkennen, der menschgewordene Gott Vishnu, und belehrt ihn über das Pflichtbewusstsein. Der König, sichtlich beeindruckt, erbittet von dem Wagenlenker die Gnade, seine göttliche Natur schauen zu dürfen, um letzte Zweifel zu beseitigen. Da spricht dieser die entscheidenden Worte:

„ Aber du wirst nicht imstande sein, mich mit diesem deinem eigenen Auge anzuschauen. Ich gebe dir ein göttliches Auge. Nun sich` meine göttliche Wunderkraft.“ (XI,8):

Mit anderen Worten, ein menschliches Auge kann die göttliche Natur nicht anschauen. Es muss daran zerbrechen. Es bedarf einer besonderen Gnade, eines besonderen Auges, um Gott und was noch wichtiger ist - die Beziehungen Gottes zum Universum, zu seiner ganzen Schöpfung, zu schauen und ein wenig zu verstehen. Seit ich das erste Mal in Medjugorje war, lässt mich dieses Bild nicht los.

Die Lichtsäule

In der Anfangszeit der Ereignisse von Medjugorje haben viele Menschen vom Tal aus gesehen, wie sich das Kreuz auf dem Križevac in eine Lichtsäule verwandelte. Eine Anspielung auf die Feuersäule, die den Israeliten vor über dreitausend Jahren den Weg gewiesen hat hinaus aus Ägypten.

Aus einer korrupten Kultur in die Wüste, wo Gott für sie – und die ganze Menschheit einen vollkommen neuen Wertekatalog bereithielt, nach dem sich die menschliche Kultur und das geistige Leben entwickeln sollte – im Sinne Gottes.

Nach bald zwanzig Jahren Rückblick auf Medjugorje läßt sich bei vielen Menschen feststellen, dass eine vollkommen neue Sichtweise der Welt und der Beziehungen zu Gott bei ihnen Wurzeln geschlagen hat. Es ist, als hätten sie in Medjugorje von der Madonna ein „drittes Auge“ bekommen, das sie befähigt, fortan ihre Umwelt und sich selbst mit anderen Augen zu schauen.

Ob jemand glaubt oder nicht glaubt, das bestimmt seine Sichtweise der Welt. Darüber erübrigt sich jede lange Diskussion. Auf Konsum setzen oder auf Verzicht verändert das Verhalten eines Menschen von Grund auf. Auf Luxus setzen oder auf das einfache Leben kann einer ganze Kultur eine vollkommen andere Qualität geben, auf Macht oder auf Dienen. Dies könnte die Geschichte der Menschheit revolutionieren, auf Streit oder Frieden, ihr eine neue Zukunftsdimension geben.

Veränderte Sicht

Umkehr bedeutet: veränderte Sicht! Umkehr hat bewirkt, dass aus Saulus von Tarsus Paulus wurde, der plötzlich die Gestalt Jesu, sein Wirken auf Erden, die Christen und die Botschaft von Jesus mit vollkommen anderen Augen sah, eine Sichtweise, die ihn befähigte, sich mit jenen zu identifizieren, die er bisher gehasst und verfolgt hatte. Unzählige Male hat die Gospa in Medjugorje die Worte wiederholt: „Entscheidet euch für Gott!“

Umkehr, die „Entscheidung für Gott“, hat aus vielen Pilgern, manchmal nur neugierigen Pilgern, prophetische Naturen werden lassen. Prophetie heißt ja nicht Zukunftsdeutung, ein immer noch anzutreffendes Mißverständnis, sondern Erinnerung an das, was Gott dem Menschen bereits geoffenbart hat, Anmahnung und Wegweisung aus einer verworrenen, ausweglosen Situation. Den Weg erkennen, den Gott bereits gewiesen hat – vor langer, langer Zeit. Der Prophet durchschaut mit seinem geistigen Auge, von der Gnade erleuchtet, die Irrlichter seiner Zeit, die Illusionen, in denen sich die Menschen verloren haben.

Auf vielen religiösen, kirchlichen Veranstaltungen, manchmal sogar nichtreligiösen, ob nun auf nationaler Ebene, oder auf internationaler, begegnet man immer wieder jenen Menschen, die sich heute als „Medjugorje – Freunde“ bezeichnen. Man kann es besonders bei Jugendtreffen und bei Begegnungen mit dem Papst feststellen. Sie scheinen den nicht organisierten, spontanen Kern vieler Aktivitäten in der Welt darzustellen. Sie durchschauen die Spielregeln der zeitgenössischen Zivilisation, sie bringen die Dinge auf den Punkt und sie sind überall dabei, wo der Geist Gottes leise und unscheinbar neue Wege weist.

Und sie greifen aktiv ein. In Krisenregionen und bei geistigen Auseinandersetzungen.

Der Prophet erleidet seinen Auftrag zuerst an sich selbst. Das gilt auch für eine prophetische Bewegung. An ihr wird gemessen, ob die Botschaft, auf die sie sich beruft, von Gott kommt oder nur auf menschliche Selbsttäuschung zurückgeht. Medjugorje wird seit seinen Anfängen fast pausenlos geprüft, im Feuerofen von Verleumdungen, Verdächtigungen und Mißtrauen geläutert. Angefangen von den Schwierigkeiten im Bistum Mostar bis hin in die entferntesten Gegenden der Welt. Es hat diese Prüfungen bisher überall überstanden. Es sollte sich jedoch auf weitere, unter Umständen sogar größere, im neuen Jahrhundert vorbereiten.

Der Prophet kann gelegentlich eine scharfe Zunge haben. Seine Aufgabe ist es ja, in die Zeit, in das verirrte Volk hineinzureden, manchmal auch den schwachen oder zögernden Führern ins Gewissen zu reden. Dennoch wird er nie versuchen, sich an die Stelle der Institution zu setzen, die Verantwortlichen abzulösen, wie das Revolutionäre oft tun, die nach erfolgreichem Sturz der Macht sich selber an die Macht setzen. Das wäre Verrat an seiner Mission. Er bleibt Dienender eines Höheren. Das trifft auf Medjugorje zu.

Der Prophet ist hörfähig. Er lauscht der Stimme Gottes. Was bei langjährigen Medjugorje – Pilgern auffällt, ist nicht Diskussionsfreudigkeit, sondern ihre Hörfähigkeit. Sie werden nicht müde zu lauschen. Das läßt sie innerlich reifen. Mit dieser Haltung setzen sie Zeichen für die ganze Kirche.

Bessere Wahrnehmung der Realität

Der Erzbischof von Fulda, Dr. Johannes Dyba, hat bei einem Medjugorje – Deutschlandtreffen, Medjugorje – Pilger in seiner Kathedrale ein „hartgesottenes Geschlecht“ genannt. Ein größeres Lob aus dem Munde eines Oberhirten kann man sich kaum wünschen. Er hat damit die Standfestigkeit hervorgehoben, das Durchhaltevermögen, die typisch sind für diese Gruppen.

Abraham Maslow, einem der bekanntesten Psychologen des 20. Jahrhunderts, ist einmal aufgefallen, dass man sich in seinem Fach vorwiegend mit kranken Menschen befasst. Er hatte daraufhin den Einfall, einmal gesunde Menschen zu untersuchen, um festzustellen, worauf möglicherweise ihre gesunde Verfassung zurückzuführen sei. Maslow war kein besonders religiöser Mensch, seine Neugier stützte sich ganz auf wissenschaftliches Interesse. Er suchte sich also über viele Jahre Menschen aus, die durch ihre seelische und körperliche Gesundheit auffielen und machte dabei eine überraschende Entdeckung. Von den Wesensmerkmalen, die er bei diesen Menschen feststellen konnte, sollen hier nur einige genannt werden:

Sie besitzen eine bessere Wahrnehmung der Realität

· Sie können sich selbst, andere und die Natur akzeptieren

· Sie sind problemorientiert

Sie besitzen eine unverbrauchte Wertschätzung. Sie besitzen eine stärke ethische Veranlagung und - das Allerwichtigste:

Sie wurden von mystischen Erfahrungen geprägt (Ich – Verlust und Erfahrung der Transzendenz).

Seine Erfahrungen konnte er schon 1962 wie folgt zusammengefassen:

„Das Weniga, das ich bis dahin über mystische Erfahrungen gelesen hatte, brachte sie mit Religion in Verbindung, mit Visionen der Übernatürlichen. Und wie die meisten Wissenschaftler hatte ich ungläubig die Nase darüber gerümpft und alles als Unsinn abgetan, als Halluzination oder Hysteria vielleicht, als höchstwahrscheinlich pathologisch … . Aber die Menschen, die mir das erzhälten oder über solche Erfahrungen schrieben, waren nicht pathologisch. Es waren die gesündesten Menschen, die ich finden konnte“.

Ohne Übertreibung läßt sich das von vielen Medjugorje – Gruppen sagen und manche Bischöfe werden es bestätigen können.

„Ich mache alles neu“ (Of 21,6)

In der Theologie hat sich seit langem die Erkenntnis durchgesetzt „Gratia supponit naturam“, die Gnade setzt die Natur voraus. Gestützt auf diese alte Regel scheint es wichtig, nicht nur – wie der Prophet – auf Gott zu lauschen, sondern auch die Vorgänge in der Natur, in der Geschichte zu beobachten. Gott wirkt nicht außerhalb der Geschichte, er wirkt in die Geschichte hinein.Wollen wir den prophetischen Charakter von Medjugorje erkennen, bleibt uns nicht erspart, zeitgeschichtliche Vorgänge, vor allem große Veränderungen genau zu analysieren und zu versuchen festzustellen, ob ein Zusammenhang zwischen den Botschaften des Himmels und Vorgängen im Diesseits bestehen.

Eine neue Zeit

Vor diesem Hintergrund verdienen zwei Erkenntnisse der neuen Zeit besondere Beachtung A. Die Systemanalyse hilft uns, Zusammenhänge zu verstehen, z.B. die Zusammenhänge zwischen Mensch, Maschine und Umwelt, die Auswirkungen auf das wirtschaftliche und soziale Leben. So wurde entdeckt, dass sich wirtschaftlicher Aufschwung und Niedergang in Wellenbewegungen vollzieht, dass dieser Zyklus auch soziale, ja sogar moralische und religiöse Hintergründe hat. Manche glauben erkannt zu haben, dass der Sexwahn dieser Zeit langfristig in die wirtschaftliche Verelendung führen wird.

Seit der Renaissance, seit der Aufklärung hat der Mensch sich selbst, seine Vernunft immer mehr in den Mittelpunkt gestellt. Den Kollaps dieser Geisteshaltung auf der ganzen Linie haben wir gegen Ende des 20. Jahrhunderts erlebt.

Gegen Ende einer Entwicklungsphase bildet sich ein gewaltiger Stau an neuen Bedürfnissen – manchmal vollkommen entgegengesetzter Natur. Dieser Stau entsteht, wenn viele sich noch auf dem Höhepunkt der auslaufenden Phase glauben. Den Mann, der diese Gesetzmäßigkeit entdeckt hat, den Russen Nikolai Dmitrijewitsch Kondratieff, ließ der sowjetische Diktator Josef Stalin im Jahre 1938 erschiessen. Er war erst 46 Jahre alt. Vor welcher Erkenntnis fürchtete sich Stalin?

Mit einem Problemstau haben wir es gerade heute zu tun. Am Ende der von Hedonismus und Materialismus geprägten Zeit haben sich unterschwellig Bedürfnisse geistiger Natur angesammelt. Sie werden sich eines Tages Luft machen. Die Frage ist die, welche geistigen Werte oder Scheinwerte werden es sein, die sich dann dem Menschen anbieten. Die Gospa hat diese Entwicklung vorausgenommen und ruft uns seit den 80er Jahren unermüdlich auf: „Entscheidet euch für Gott!“ Rechtzeitig – ehe ihr neuen Irrtümern verfällt. Sie hat das kommende geistige Vakuum der Menschen vorweggenommen und möchte es in die richtige Richtung leiten.

Gegen Ende lesen wir im Buch der Offenbarung: „ Seht, ich mache alles neu“ (Off 21,6). Es fällt auf, dass die Gospa in ihren Botschaften oft das Wort „neu“ gebraucht. Im Juni 1992 hieß es: „Meine Gegenwart hier ist dafür, dass ich euch auf einen neuen Weg führe, den Weg des Heiles.“ Und im November desselben Jahres:“ …. deshalb bin ich mit euch, um euch zu lehren, und zu einem neuen Leben des Verzichtes und der Umkehr zu führen. Nur so werdet ihr Gott und all das entdecken, was euch jetzt fern ist.“ Und einen Monat später: „ … in der ganzen Welt ist viel Unfriede, deshalb rufe ich euch auf, dass ihr alle mit mir durch das Gebet eine neue Welt des Friedens aufbaut.“ Im Februar 1993 setzt sie diese Sprache fort: „Ich bin mit euch und führe euch in eine neue Zeit.“

Ende der Ich – Kultur

B. Eine der wichtigsten Erkenntnisse in der Physik ist der Austausch und die Wechselwirkung in der ganzen Schöpfung. Ein universaler und fundamentaler Aspekt der Wirklichkeit. Eine Autor hat das auf die verständliche Formel gebracht: „Ein Schmetterling in Australien kann einen Orkan in der Karibik auslösen“. Auch die kleinsten Dinge stehen in ständiger Wechselwirkung mit den größten !!

Vor diesem Hintergrund sei an die Botschaft der Gospa vom Dezember 1992 erinnert: „deshalb rufe ich euch auf, dass ihr alle mit mir durch das Gebet eine neue Welt des Friedens aufbaut. Ich kann das ohne euch nicht tun … Und vergeßt nicht, dass euer Leben nicht euch gehört, sondern ein Geschenk ist, mit dem ihr andere erfreuen und zum ewigen Leben führen sollt“. „ … durch jeden von euch will ich die Welt bekehren und retten.“

Seit fast 20 Jahren wird jetzt in Medjugorje und durch Medjugorje rund um den Erdball intensiv gebetet und gefastet.

An die Stelle der Ich – Kultur leitet die Gospa eine Kultur ein, die auf den anderen Menschen ausgerichtet ist. Deren Einfluß auf das Schicksal der Menschheit und den Ablauf der Geschichte ist wahrscheinlich – könnten wir das aus der Ewigkeit betrachten atemberaubend. 1991 brach der Kommunismus in sich zusammen. Seit 1981 stellt die Gospa Weichen für ein neues Denken. Sie brachte eine neue Gebetslawine ins Rollen. Diese darf nicht zum Stillstand kommen. Scherzhaft könnte man sagen: Auf eine ganz schlichte Weise hat die Gospa uns so ganz nebenbei einen großartigen Unterricht in Systemanalyse und moderner Physik erteilt.

Die drei Finger

Am 10. Oktober machte der spanische Religionsphilosoph Raimond Panikkar im HR 2 (ein deutscher Sender) eine bemerkenswerte Aussage. Er meinte, die Zeit des Monotheismus gehe zu Ende. Nur das Christentum, habe eine andere Sicht. Diese Aussage kann leicht mißverstanden werden. Aber er wollte sagen, Gott sei Leben und Beziehung !!!

Nach Fertigstellung des großartigen Kreuzweges auf dem Križevac kamen auf dem Podbrdo die fünfzehn Stationen des Rosenkranzgebetes hinzu. Das erste Bild zeigt sehr aussagekräftig die Verkündigungsszene in Nazareth. Im allgemeinen zeichnen die Künstler aller Epochen Maria im Gebet versunken, auf den Knien, vor ihr meist etwas angehoben – den Engel Gabriel. Auf dem Podbrdo gehen wir es genau umgekehrt. Maria steht und vor ihr – etwas unterhalb, ein gewaltiger Engel, so gewaltig, dass sein rechter Flügel den Bildrahmen durchbricht. Der Engel hält Maria drei Finger entgegen, er weist sich also als Botschafter des Dreifaltigen Gottes aus. Und ehe er die Botschaft ausgesprochen hat, gibt er durch seine Haltung zu erkennen, wer Maria ist, nicht nur „Voll der Gnade“, sondern – wichtig für ihn – „Königin der Engel“.

Aber die drei ausgestreckten Finger haben noch eine andere Bedeutung. Sie kündigen eine neue Zeit an. Die Zeit des dreifaltigen Gottes. Gott speigelt sich auf vielfältige Weise in der Schöpfung und in den Gesetzen der Natur wider. Der Künstler hat eine geniale Intuition bewiesen. Kündigt sich möglicherwiese durch Medjugorje eine Zeit an, in der Beziehungen unter den Menschen eine entscheidende Rolle spielen werden. Ihre Aussage: „ Vergeßt nicht, dass euer Leben nicht euch gehört, … Ein Geschenk, mit dem ihr andere zum ewigen Leben führen sollt …“ d.h. doch: zur Fülle des Lebens. Wie groß unsere Verantwortung ist, hat sie ungemein taktvoll und liebenswürdig – im November 1987 angedeutet, als sie sagte: „Gott hat jedem die Freiheit gegeben, die ich in Liebe achte, und vor der ich mich in Demut verneige.“

Der Seher von Kurescek, dessen Auftrag ja in Medjugorje begonnen hat, will die Weisung erhalten haben, in Slowenien eine Kirche zu Ehren der Heiligen Dreifaltigkeit zu erbauen.

Das weist in die gleiche Richtung. Gott lüftet den Vorhang, der unso von ihm trennt, wieder ein bisschen mehr. Er will die Zivilisation der Ich – Anbetung, der Verherrlichung der menschlichen Vernunft auslaufen lassen und der Menschheit, d.h. auch den Beziehungen, die die Menschheit zusammenhalten, seine Züge aufdrücken. Er will sie der Vergöttlichung näher bringen.

Und Medjugorje war und ist dabei Weg und Werkzeug. Eine Erkenntnis, bei der wir nur auf die Knie fallen können und ausrufen: O Herr – wie wunderbar sind deine Wege!

[1] Aufgrund des Buches Sirach und dessen, was wir aus Qumranschriften wissen, schließen wir, daß der alttestamentliche Prophetenkanon ca. 200 v. Chr. abgeschlossen war. Die Unterteilung in die älteren (Josua-2Kön) und jüngere (Jes-Mal) verdanken wir der Arbeit des Masoreten zu Beginn des Frühmittelalters.

[2] Siehe CONC. ECUM. VATICANO II., Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio (21.11.1964), Nr. 4, in AAS 57 (1965) 90-107; ID., Dekret über das Laienapostolat. Apostolicam actuositatem (18.11.1965) Nr. 14, in AAS 58 (1966) 837-864; ID., Dekret über den Dienst und das Leben der Presbyter. Presbyterorum ordinis (7.12.1965), Nr. 9, in AAS 58 (1996) 991-1024

[3] «Ohne es zu bemerken - führt Walbert Bühlmann an – wurden wir Zeugen eines historischen Prozesses der Kirche. [...] Die südliche Kirche hat eine Führungsrolle übernommen, nicht nur hinsichtlich der Quantität, sondern auch der Qualität [...] Es könnte also eine Geschichte der Kirche geschrieben werden, in der annähernd behauptet wird, dass sich das erste christliche Jahrtausend unter der Leitung der ersten Kirche, der orientalischen Kirche mit ihren ersten acht Konzilen, die alle im Osten abgehalten wurden, entwickelt hat. Im zweiten Jahrtausend gab es eine unbestrittene Vorherrschaft der zweiten Kirche, der westlichen Kirche, unserer Kirche par excellence. Im dritten Jahrtausend wird es wahrscheinlich die dritte Kirche geben, die Kirche der Dritten Welt, die die Führung übernehmen, aber im Rahmen der einen katholischen Kirche verbleiben wird » (W. Bühlmann, La Chiesa alle soglie del terzo millenio, Dehonia­ne, Bologna 1990, S. 25-26).

[4] J.-B. Metz, Im Aufbruch zu einer kulturell polyzentrischen Wel­tkirche, in «Zeitschrift für Missionswissenschaft», Münster i. W., (1986) 140.

[5] W. Bühlmann, La Chiesa alle soglie del terzo millenio, o.c., S. 28.

[6] Bühlmann schlägt hinsichtlich des Konzilinhaltes eine Art zehn Gebote der Kirche an der Schwelle des dritten Jahrtausends, einer wahrhaftig einigen und kulturell polyzentrischen Kirche, vor. Die Indikatoren sind auf drei Ebenen verteilt: Die ersten drei betreffen die kirchlichen Probleme, die weiteren vier die Probleme bezüglich der einzelnen Kontinente und schließlich die letzten drei die weltlichen Probleme. «1. Ihr werdet den richtigen Bereich der Vernunft achten: die Autonomie der Wissenschaften. 2. Ihr werdet euch als das Volk Gottes betrachten: die Laien in der Kirche. 3. Ihr werdet euch mit den anderen Christen versöhnen: der Ökumenismus. 4. Ihr werdet auf die Seite der Armen treten. Die Gerechtigkeit: Lateinamerika. 5. Ihr werdet die Größe des Schöpfers bewundern. Inkulturation: Afrika. 6. Ihr werdet das "Ich bin" aller Völker erkennen. Der Dialog mit den Religionen: Asien. 7. Ihr werdet die gläubigen Nomaden begleiten. Die Säkularisierung: Euroamerika. 8. Ihr werdet die Reihen der für den Frieden Wirkenden stärken: iustitia et pax. 9. Ihr werdet die Erde im Zeichen des Paradieses entwickeln: Ökologie und Eschatologie. 10. Ihr werdet den Gott der Geschichte treffen: Mystik und Politik» (Ibidem, S. 41-42).

[7] Siehe Joh 3,16.

[8] Siehe Chr. Duquoc, Liberazione e progressismo. Un dialogo teologico tra l'America Latina e l'Europa, Cittadella, Assisi 1989.

[9] Siehe A. Rizzi, L'Europa e l'altro. Abbozzo di una teologia europea della liberazione, Paoline, Cinisello Balsamo 1991.

[10] Siehe Die Synode der Bischöfe. Die BESONDERE versammlung für Europa, Wir sind die Zeugen Christi, der uns befreit hat, Paoline, Milano 1991; S. Palumbieri, L'uomo e il futuro, II/ Germi di futuro per l'uomo, Dehoniane, Roma 1993, S. 146-148.

[11] Siehe CONGREGAZIONE PER LADOTTRINA DELLA FEDE, Istruzione su liberta' cristiana e liberazione. Tip. Poliglotta Vaticana, 1986.

[12] P. de Charentenay, El desarrollo del hombre de los pueblos, Sal Terrae, Santander 1992; J. Comblin-J. I. Gonzáles Faus-J. Sobri­no, Cambio social y pensamiento cristiano en América Latina, Trotta, Madrid 1993; J. Comblin, Spirito Santo e liberazione, Cittadella, Assisi 1991; Conferencia Episcopal Paraguaya, Sobre la teología de la liberación, in «Páginas» (1990) 92-113; O. Mar­son, Vangelo chiesa e liberazione. Dibattito sulla teologia lati­noamericana, Concordia Sette, Pordenone 1992; B. Mondin, Los teó­logos de la liberación, Edicep, Madrid 1992; J. B. Libânio, Teo­logia da libertaçno. Roteiro didático para um estudo, S. Paulo 1987.

[13] Celam, Puebla. La evangelización en el presente y en el futuro de América Latina, Bogotá 1979.

[14] Episcopato Latinoamericano, Santo Domingo. IV Conferenza genera­le, Dehoniane Bologna 1992.

[15] J. Sobrino, Il martirio dei gesuiti salvadoregni, La Piccola Edi­trice, Celleno 1990; Id., Resurrección de la verdadera Iglesia. Los pobres como lugar teológico de la eclesiología, Santander 1989.

[16] Anmerkung von Piersandro Vanzan: «Die Bedeutung der lateinamerikanische Kirche ist nicht nur quantitativ, weil sie bereits 52% der Universalkirche ausmacht, sondern vor allem qualitativ: Sie ist in den letzten Jahren mit einer Reihe theologisch-pastoraler Initiativen herausgekommen, die so interessant waren, dass sie ein Motto hervorbrachten: „Die Rückkehr der Segelschiffe“. Darunter sind die kirchlichen Gemeinschaften der Basis (CEB) oder die Theologie der Befreiung, die präferenziale Option der Armen oder die Inkulturation des Glaubens zu verstehen, als eine evangelische Kraft der Letzten in dem Maße, in dem sie sich das Evangelium wieder zu Eigen machen. (P. VANZAN, Da Puebla a Santo Domingo. L’«instrumentum laboris» der IV. Allgemeinen Konferenz des lateinamerikanischen Episkopats, in «La CiviltB Cattolica» 3415 [1992] 14-15).

[17] Im letzten Teil des Dokumentes von Santo Domingo ist hinsichtlich der gesamtheitlichen Förderung der lateinamerikanischen und karibischen Völker zu lesen: «Machen wir den Schrei der Armen zu unserem Schrei. Übernehmen wir mit dem erneuerten Eifer die evangelische, bevorzugte Option für die Armen, in Kontinuität mit Medellín und Puebla. Diese Option, weder ausschließlich noch ausschließend, wird durch das Nachahmen Christi unseren Evangelisationsprozess erleuchten. In diesem Licht laden wir zur Promotion einer neuen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ordnung ein, entsprechend der Würde der betroffenen Personen, einzeln und gemeinsam, wobei ein Impuls der Gerechtigkeit und Solidarität gegeben wird und ihre Horizonte der Ewigkeit geöffnet werden» (LATEINAMERIKANSICHES EPISKOPAT, Messaggio ai popoli dell’America Latina e dei Caraibi, in Santo Domingo. IV. Allgemeine Konferenz, Conclusioni, S. 132-133).

[18] Siehe Lineamenta. La Chiesa in Africa e la sua missione evangelizzatrice verso l‘anno 200: Sarete miei testimoni. Es handelt sich um «die erste Etappe des Weges zum Zelebrieren der Synode für Afrika. Das Material wurde den Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar am 24. Juli 1990 übergeben. Es sind fünf Bereiche vorgesehen: Verkündigung, Inkulturation, Dialog, Gerechtigkeit und Frieden, soziale Kommunikation» (zitiert aus W. BÜHLMANN, La Chiesa alle soglie del terzo millenio, o.c., S. 139-140).

[19] B. CHENU, Teologie cristiane dei Terzi Mondi: teologia latinoamericana, teologia nera americana, teologia nera sudafricana, teologia asiatica, Queriniana, Brescia 1988; A. PIERIS, Una teologia asiatica della liberazione, Cittadella, Assisi 1990.

[20] Siehe M: BLONDEL, L'Azione, La Nuova Italia, Florenz 1973. Aktion ist Streben bzw. ständige Spannung der Bewegung außer sich. Es handelt sich um eine Geistesströmung, die als theoretische und als praktische Aktivität wirkt. Sie umfasst den Lauf der Gedanken und des Willens und übernimmt bewusst die Aufgabe, die Welt für den Menschen einzurichten. Sie zieht in das gesellschaftliche Leben ein, aber erschöpft es nicht. Diese Strömung wird im Grunde genommen als Ausdruck der fortwährenden Autotranszendenz des Menschen, als ein «unbesiegbares Bedürfnis, Gott zu besitzen», angenommen. Dieses höhere Ziel der Aktion kehrt zu den menschlichen Ebenen ihrer Verwirklichung zurück, um sie auszufüllen und ihnen ihre Bedeutung wiederzugeben. Das heißt, dass die Aktion die Anregung für den Menschen ist, der auf wirksame Weise versucht, den Sammelplatz des Willens zum Wohle der Gemeinschaft zu ordnen. In der Fortsetzung wird die Tendenz hin zu Gott entdeckt, der das Fundament der Gemeinschaft ist und der sie entschieden zum Dienen anregt.

[21] Anmerkung Bühlmanns dazu: «Der Cosmogral des österreichischen Architekten Clemens Holzmeister sollte auch an anderen Orten errichtet werden: E ist ein Gebäude von acht im Kreis angeordneten Kapellen, die die acht Weltreligionen darstellen. Im Zentrum, mit einem Zugang aus den Kapellen, befindet sich das Heiligtum, das für bestimmte Gelegenheiten eines gemeinsamen Gebetes vorgesehen ist. Eine utopische, paradiesische Musik für das dritte Millennium!» (W. BÜHLMANN, La Chiesa alle soglie del terzo millenio, o.c., S. 159)

[22]Col 1,3.

[23] R. DAHRENDORF, Quadrare il cerchio, Laterza, Bari 1996

[24] Ibidem, S. 19

[25] Ibidem, S. 36

[26] Ibidem, S. 42

[27] Ibidem, S. 44

[28] E.N. LUTTWAK, La Dittatura del capitalismo. Dove ci porteranno il liberalismo selvaggio e gli eccessi della globalizzazione, Mondadori, Mailand 1999.

[29] Ibidem, S. 42-43

[30] Ibidem, S. 274

[31] Ibidem, S. 275

[32] JOHANNES PAUL II., Päpstliche Bulle Laborem exercens, Nr. 6 in AAS 73 (1981) 577-647

[33] Ibidem, Nr. 23

[34] Ibidem, Nr. 13

[35] In der Dritten Welt fegt weiterhin die ökonomische Deregulierung und die finanzielle Befreiung jene Illusion des Vorteils der Öffnung des Arbeitsmarktes, der verwirklicht werden konnte, wenn auch nur durch die Ausnutzung der Ärmsten, hinweg.

[36] «In den letzten fünf Jahren wuchsen in den USA die Corporate profits - die Gewinne der großen Gesellschaften - um 19 %, während die Löhne gleich blieben: Es versteht sich von selbst, dass die Kosten der Globalisierung von den Arbeitern bezahlt werden müssen und die enormen Gewinne an die Investoren und Manager gehen, die das investierte Kapital verwalten » (W. PFAFF im «International Herald Tribune - Los Angeles Times» (21. August 1999), übertragen von E. CHIAVACCI, La terra di tutti, in «In Dialogo», 3 [Juni 1999] 15).

[37] Der Entwicklungsbericht der UN-Agentur UNDP zum Ende des Jahrhunderts stellt eine Bilanz der drei mächtigsten Männer des Planeten auf. Er präzisiert, dass die Einnahmen von Bill Gates, dem Gründer, Präsidenten und Mehrheits-Aktionär von Microsoft, von Robson Walton, dem Mehrheitseigner der Supermarktkette Wal-Mart und von Haji Hassani Bolkiah, Sultan von Brunea, ein so hohes BSP erzielen, wie 43 der ärmsten Länder zusammen, die sich zum größeren Teil in Afrika befinden. Dazu kommen die zweihundert Millionen der Reichsten, die insgesamt ein Vermögen erzielen, das den globalen Einnahmen von 41 % der Weltbevölkerung entspricht. Potentiell kann gesagt werden, dass drei Wirtschafts-Imperatoren des Planeten die Arbeit von 43 Nationen kaufen können.

[38] Johannes 1,14

[39] Siehe Mathäus 19,30; 20,16; Markus 9,35; 10,31; Lukas 13,30

[40] Lukas 1,46-55

[41] 1. Johannes 3,14

[42] 1. Johannes 3,14

[43] Siehe Es 5,1

[44] Die Kirche, die das Königreich darstellt (sieh CONC. ECUM. VATICANO II, Lumen gentium, Nr. 5), muss das Gesetzeswort des Königreiches stufenweise in die Gegenwart einbringen können. So wird der Letzte der Erste werden. Die größte Überraschung wird die Entdeckung Christi in Seiner Frische sein, dort, wo man Ihn überhaupt nicht erwarten würde. Oft werden auch diejenigen, die sich als Empfänger der Evangelisation bezeichnen konnten, diese Letzten hinsichtlich der moralischen Degradierung, zu Evangelisatoren bzw. zu Instrumenten der Kommunikation, der Güte und Kraft der Liebe des unergründlichen Gottes werden. Die Zeugnislegung von Frei Betto aus seiner Erfahrung unter den Letzten ist bedeutsam: «Der Herr hat mich in den Untergrund des Lebens und der Geschichte geworfen. Und dort, wovon ich einmal dachte, dass nur das Böse, die Gleichgültigkeit und die Sünde herrschen, entdeckte ich Barmherzigkeit, Glaube, Liebe und Hoffnung […]. Christus fürchtet sich nicht, in Versuchung geführt, verleumdet und ein Belzebub, Freund der Dirnen und Sünder geschimpft zu werden. Es störte Ihn nicht, dass Ihn diejenigen einen Trinker und ein "Vielfraß" nannten, die die Gesetze und die Tradition nicht achteten. Christus geht dorthin, wo wir keinen Mut haben hinzugehen: Wenn wir Ihn im Tempel suchen, ist Er im Stall; wenn wir Ihn unter den Priestern suchen, ist Er unter den Sündern; wenn wir Ihn in der Freiheit suchen, ist Er im Gefängnis; wenn wir Ihn in Ruhm gehüllt suchen, hängt Er blutüberströmt am Kreuz. Wir haben Grenzen geschaffen. Wir haben die Welt in Gute und Böse eingeteilt. Wir denken, dass sich Gott unseren Ideen, unseren Vorurteilen, unserer Rationalisierung unterordnen wird. Wie oft saß er auf unserer Eingangstreppe und wartete auf ein Stück Brot.» (FREI BETTO, Dai sotterranei della storia, Mondadori, Milano 1971).

[45] Siehe Rom 12,15

[46] A. NOLAN, Gesu' prima del cristianesimo. Un vangelo di liberazione, Dehoniane, Bologna 1986, S. 199

[47] Ibidem S. 42

47 Siehe CONC. ECUM. VATICANO II, Lumen gentium, Nr. 1

[49] Matthäus 5,9

[50] In einem Brief, der von Fr. Roger Schutz während des Jugendkonzils in Taizé geschrieben wurde, lesen wir: «Eine Frage von Christus wird dir den Hals zuschnüren: Als der Arme hungrig war, hast du mich in ihm erkannt? Wo warst du, als ich das Leben mit den Ärmsten teilte? Warst du ein Unterdrücker vielleicht nur eines einzigen Menschen auf der Erde? Während ich sprach: "Wehe den Reichen", den Reichen an Geld, den Reichen an Doktrinen, hast du die Illusion des Reichtums mehr geliebt? Dein Kampf kann nicht in einem Geflecht von Ideen leben, die niemals verwirklicht werden. Höre auf mit der Unterdrückung der Armen und Ausgebeuteten - und du wirst wie ein überraschter Zeuge die Zeichen der Wiederauferstehung auf Erden sehen. Verteile dein Vermögen für eine größere Gerechtigkeit. Mache niemanden zum Opfer. Der Bruder aller Menschen, der Bruder der Welt schreitet entschlossen auf den Menschen zu, der ohne Belang ist, auf den Ausgestoßenen» (Taizé - Il concilio dei giovani. Perché?, Morcelliana, Brescia 1975.

[51] PÄPSTLICHE KOMMISSION «IUSTITIA PAX», Un approccio etico al debito internazionale, Elle Di Ci, Leumann (Torino) 1987

[52] Siehe Mt 13,24-30

[53] Mc 4,11-12; siehe Mt 11,25-26

[54] 2Tes 2,7

[55] Siehe Mt 5,13-14

[56] Siehe Johannes 3,16

[57] Siehe JOHANNES PAUL II., Christifideles laici, Nr. 34

[58] Mc 1,1

[59] JOHANNES XXIII., Discorso nella solenne apertura del Concilio (11.10.1962), in AAS 54 (1962 792 (ital. Übersetzung in Enchiridion Vaticanum, I, Dehoniane Bologna 197610, S. [45]).

[60] Siehe JOHANNES PAUL II., Christifideles laici, Nr. 37-44

[61] Siehe D. BONHOEFFER, Lettere a un amico, Bompiani, Milano 1969, S. 82

Einer der bekanntesten Aufsätze, der Bonhoeffers Bemühen um den Menschen wiedergibt, ist folgender: «Ein Christ zu sein, bedeutet nicht, auf eine bestimmte Art religiös zu sein, etwas von sich aus zu tun […] aufgrund einer bestimmten Verfahrensweise, sondern es bedeutet, ein Mensch zu sein; Christus formt in uns nicht einen bestimmten Menschentyp, sondern einen Menschen» (ID., Widerstand und Ergebung, o.c., S. 441). C. Cantone erklärt dies glänzend: «Vielleicht ist dies wirklich die heutige Herangehensweise an die christliche Erfahrung, von der ich denke, dass sie auf diese Art das Endstadium der „Reife" erreicht, als Erfahrung der tiefgreifenden kenotischen Identifikation Gottes mit dem Menschen: Also keine "heilige" Erfahrung (mit allen "Hindernissen" und "Verboten", die das Heilige mit sich bringt, sondern eine "säkulare" Gotteserfahrung , die deshalb offen ist […] für den menschlichen Pluralismus […] der "Wege", auf denen gerade […] bei der Entdeckung der "Wahrheit des Menschen", die nichts anderes sein kann, als die "Befreierin der Wahrheit-Liebe-Gemeinschaft", im letzten Stadium die "Befreierin der Wahrheit-Liebe-Gemeinschaft" bzw. die Göttliche Rettung entdeckt wird.» C. CANTONE, Rilievi introduttivi: per una coscienza religiosa, in «Cronache e commenti di studi religiosi, 5/Religione e religioni», [=Quaderni di Salesianum 16], LAS, Rom 1989, S. 17-18).

[62] Der sekundäre Analphabetismus ist ein Produkt der aktuellsten Phase der Industrialisierung. In den fortschrittlichen Industriegesellschaften stellt der Analphabet, der mit dem Zeichen des Kreuzes unterschreibt, eine Störung dar, die beseitigt werden muss. Der sekundäre Analphabet kann jedoch zu etwas nützen und das kann irgendwer sein: ein Direktor, ein Politiker, ein gewöhnlicher Arbeiter, jemand der einen Scheck unterschreiben oder ein statistisches Diagramm dechiffrieren kann, der aber eine Eigenschaft hat: Es ist ein Mensch, der im Grunde nicht versteht, was mit ihm geschieht. Das Fernsehen ist für einen solchen Menschen das ideale Medium […] Das alte bürgerliche Kulturverständnis war mehr oder weniger so: Wenn du keine Klassiker gelesen hast, kannst du nicht Mitglied des Klubs sein. Das ist falsch. Heute hat der größere Teil der bürgerlichen Gesellschaft das sekundäre Analphabetentum gewählt. Ich kenne viele Direktoren, die nichts und nie lesen, doch sicher fehlte es ihnen nicht an Gelegenheiten und Anregung. Sie haben ihre Wahl, sekundäre Analphabeten zu sein, klar getroffen. (H.M. ENZENSBERGER, in einem Interview in «La Repubblica-Mercurio» [30.6.1990] 13). Siehe S. PALUMBIERI, L’uomo e il futuro, II. S. 227.

[63] AGOSTINO, De catechiyandis rudibus, PL 40, 309-348.

[64] V.-E. Frankl, Psychotherapy and existentialism. Selected papers on Logotherapy, Washington Square Press-Pocket Books, New York (NY) 1985, S. 107.

[65] FRANCESCO DI SALES zit. Aus GIOVANNI PAOLO II, in Christfideles laici, Nr. 56

[66] Siehe S. PALUMBIERI Laici nuovi per un umanesimo nuovo, in Aa.Vv., Laici per una nuova evangelizzazione. Studi sull'esortazione apo­stolica “Christifideles laici” di Giovanni Paolo II, herausgegeben von M. Toso, Elle Di Ci, Leumann (Torino) 1990, S. 157-184.

[67] Giovanni Paolo II, Christifideles laici, Nr. 46.

[68] Ibidem.

[69] Paolo VI, Discorso per la chiusura dell'An no Santo (15.12.1975), in AAS 68 (1976) 143-145, Zit. S. 145

[70] Siehe S. Palumbieri, Um “Magnificat” per il Terzo Millennio. Dimensione antropologica del Cantico, Paoline, Milano 1998, S. 108-114.

[71] Siehe A. O. Hirschman, Tre continenti. Economia, politica e svilup­po della democrazia in Europa, Stati Uniti e America Latina, Ei­naudi, Torino 1990; P. W. B. Phillips, Wheat, Europe and the GATT. A political economy analysis, Pinter, London 1990; J. M. van Brabant, Remaking Eastern Europe. On the political economy of transition, Kluwer Academic Publishers, Dordrecht 1990; L. Spa­venta, The political economy of European monetary integration, “Quarterly Review - Bancoper”, 172 (3/1990) 3-19; P. Ciocca, L'unione monetaria d'Europa fra politica ed economia, in “Impresa Banca”, 3 (9/1990) 13-17; S. M. Cherian, End-Independent legal rules and the political economy of expanding market societies of Europe, in “Univ. Essex Department of Economics. Discussion pa­per”, 372 (1990); Aa.Vv., Prepararsi all'Europa, III/Unione poli­tica e sviluppo economico, herausgegebn von Confindustria, SIPI, Roma 1992; G. Gomel-S. Rebecchini, Migrazioni in Europa. Andamenti, prospettive, indicazioni di politica economica, Banca d'Italia, Roma 1992; A. Koeves, Central and East European economies in transition. The international dimension, Westview, Boulder 1992; D. Lorenz, Economic geography and the political economy of regio­nalization. The example of Western Europe, in “American Economic Review - Paper & Proceedings”, 2 (5/1992) 84-87; “European Jour­nal of Political Economy”, 1 (2/1992) (contiene, tra altri, ar­ticoli di S. M. R. Kambur, Policy choice and political con­straints, S. 1-29; U. Broll-J. E. Wahl, International inve­stments and exchange rate risk, pp. 31-40; C. Weinhardt, How to measure price progression. A first axiomatic approach, S. 115-127).

[72] A. O. Hirschman, Tre Continenti. Economia, politica e sviluppo della democrazia in Europa, Stati Uniti e America Latina, o.c.; P. R. Krugman, Il Silenzio dell'economia. Una politica economica per un'epoca di aspettative deboli, Garzanti, Milano 1991; F. Th. Cargill-Sh. Royama, Il Processo di trasformazione dei sistemi finanziari. Le esperienze giapponese e statunitense a confronto, Milano 1991.

[73] Aa.Vv., Dalle armi alle urne. Economia, societB e politica nell'America Latina degli anni Novanta, herausgegeben von G. Urbani-F. Ricciu, Il Mulino, Bologna 1991; Aa.Vv., The political economy of agricultural pricing policy, I/Latin America, herausgegeben von A. Valdes-A. O. Krueger, M. W. Schiff, John Hopkins Univers. Press for the World Bank, Baltimore 1991; M. Plane-A. Trento, L'America Latina nel XX secolo. Economia e societB. Istituzioni e politica, Ponte alle Grazie, Firenze 1992.

[74] H. Assmann-F. Hinkelammert, A idolatria do mercato. Ensaio sobre economia e teologia, Vozes, S. Paulo 1989.

[75] Siehe Pontificia Commissione “Iustitia Et Pax”, La Chiesa e il pro­blema dell'alloggio, Lettera di Giovanni Paolo II vom 27.12.1987, in Enchiridion Vaticanum, 10/1986-1987, Dehoniane, Bologna 1989, §§ 2425-2502, S. 1636-1697.

[76] Siehe B. M. Magubane, The political economy of race and class in South Africa, Monthly Review Press, New York-London 1979; Aa.Vv., Apartheid - Capitalism or socialism? The political economy of the causes, consequences and cure of the colour bar in South Africa, a cura dell'Institute of Economic Affairs, IEA, London 1986; Aa.Vv., Adjustment or ... The African experience, herausgegeben von A. Mahjoub, (=The UN University Studies in African Political Econo­my), ZED, London 1990; S. Amin, Maldevelopment. Anatomy of a glo­bal failure, (=The UN University: 3rd World Forum Studies in African Political Economy), ZED, London 1990; Aa.Vv., Economic policies for a new South Africa, herausgegeben von D. Lachman-K. Bercu­son, International Monetary Fund, Washington 1992; Aa.Vv., The political economy of agricultural pricing policy, III/Africa and the Mediterranean, herausgegeben von A. Valdes-A. O. Krüger-M. W. Schiff, J. Hopkins Univ. Press for The World Bank, Baltimore 1992.

[77] “Die OMS schätzt, dass es auf dem Kontinent heute mindestens fünf Millionen sero-positive Erwachsene und 700.000 Erkrankte gibt. [...] Laut den Schätzungen der OMS könnte es auf dem Kontinent von jetzt an bis zum Ende des Jahrhunderts zwischen 20 und 25 Millionen Seropositive geben. Schon jetzt sind in Ost-Afrika [...] ganze Dörfer dezimiert, ganz zu schweigen von den Städten, von denen einige bereits bis zu 30% Seropositive verzeichnen” (Il mondo dopo il crollo del comuni­smo e la guerra del Golfo. Verso un nuovo ordine mondiale?, Leitartikel in “La CiviltB Cattolica”, 3401 [1992] 417-430, Zit. S. 426).

[78] Es ist wichtig festzustellen, dass sich das im Mai 1986 angenomme “Programm der UNO für die Entwicklung Afrikas von l986-l990 als schwer gescheitert erwiesen hat. Die Schulden des Kontinents stiegen um ungefähr 20 Milliarden Dollar pro Jahr während eines Jahrzehntes an”. (Cl. Brisset, Famines et guerres en Afrique subsaharienne, in “Le Mon­de diplomatique” [Juni 1991] 8-9).

[79] A. Zanotelli, Il coraggio dell'utopia, o.c., S. 27. Dieser glaubwürdige Zeuge des afrikanischen Verfalls, hervorgerufen durch den Kolonialismus, bringt eine Zusammenfassung der statistischen Daten der Weltbank, die “uns hilft, zu verstehen, wohin Afrika geht sowie die Tragik des Moments, den es erlebt". Laut den Berechnungen der Bank lebte 1980 ungefähr 60% der afrikanischen Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Die absolute Armut, wird vom ehemaligen amerikanischen Verteidigungsminister McNamara als eine Lebensbedingung definiert, die so stark von Unterernährung, Analphabetentum, Krankheiten, hoher Mortalität der Kinder, niedriger Lebenserwartung eingeschränkt ist, dass sie unterhalb jeder vernünftigen Definition der Menschenwürde liegt. Die Weltbank sieht voraus, dass, wenn die Wirtschaft weiterhin so läuft wie bisher, in Afrika im Jahre 1995 80% der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze leben wird. Es ist die Tragödie eines Kontinents, aber insbesondere eine Tragödie der Kinder, die in eine Welt ohne Zukunft hineingeboren werden. ” (Ibidem, S. 27-28).

[80] “In den Ländern wie Benin, Kongo, Gabon, Togo, Zaire und Mali wurden als Vorsitzende der Nationalen Konferenzen aller lebendigen Kräfte katholische Bischöfe gewählt (in einigen Fällen handelte es sich um regelrechte konstituierende Versammlungen), die verpflichtet sind, die neuen Verfassungen zu erarbeiten und politische Wahlen auszuschreiben” (E. Tresoldi, Africa perla preziosa, in “Jesus”, 15/3 [1993] 98-102, Zit. S. 102).

[81] J.P. LEHMANN, Politics and the Pacific Economic Miracle. Dictatorship and Development in Pacific Asia – Wider Implications, in “International Affairs”, 4 (1985) 591-606; AA.VV. Il Sud-Est asiatico nell’anno della tigre. Rapporto 1987 sulla situazione politica ed economica dell’area, a cura dell’Institute of Southeast Asian Studies, Fondaz. Agnelli Torino 1988. AA.VV., Il Sud-Est asiatico nell’anno del serpente. Rapporto 1989, Torino 1990; G. FODELLA, Dove va l’economia giapponese. L’Estasia verso l’egomonia economica mondiale, La Nuova Italia Scientifica, Roma 1989; S. MANZOCCHI, The Political Economy of EEC-Asian NIC’s Relations. A Structuralist Perspective on 1992, in “Rivista di diritto valutario e di economia internazionale”, 1 (3/1991) 45-61; AA.VV., Modernization in East Asia. Political, Economic and Social Perspectives, herausgegeben von R.H. Brown-W.T. Liu, Praeger, Westport 1992; AA.VV., The Political Economy of Agricultural Pricing Policy, II/Asia, herausgegeben von A. Valdes – A.O. Krüger – M. W. Schiff, J. Hopkins Univ. Press for The World Bank, Baltimore 1992.

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