Neum 1999

28. 2. 1999. - 5. 3. 1999.

DOCUMENT DES HEILIGEN STUHLS ZUR PILGERFAHRT 2000 - Adalbert Rebic
DAS BESONDERE AN PILGERFAHRTEN ZU DEN GROßEN MARIENSANKTUARIEN - Stanislaw Kania Sch.P.
ANTHROPOLOGISCH-BIBLISCHE UND RELIGIÖS-GEISTIGE DIMENSIONEN DER PILGERFAHRT MIT KONKRETEM BEZUG AUF MEDJUGORJE - P. Slavko Barbaric


Die Referenten an dem Seminars sind:

Prof. dr. Adalbert Rebi - geb. 1937 in Hum an der Sutla (Kroatien). Philosophiestudium in Zagreb und an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Theologiestudium an der Gregoriana und am Biblischen Institut. Seit 1968 Professor der Bibelwissenschaft und orientalischer Sprachen (Hebräisch, Arabisch, Syrisch-Aramäisch) an der Kath. Th. Fakultät der Universität in Zagreb. Zeitweilige Lehrtätigkeit an den Theologischen Hochschulen in Zadar und akovo. An der Fakultät organisierte und leitete er finanzielle Geschäftsführung, Redakteur der Zeitschrift "Bogoslovska smotra" und Vorstand der Fakultätsbibliothek. Seit 1972 Vorsitzende des Kroatischen mariologischen Instituts. In dieser Eigenschaft organisierte er Kroatische Sektion an den internationalen mariologischen Kongressen in Rom, Malta, Zaragoza, Kevelaer, Huelvi und Censtohova.

Im Verlag "Kršanska sadašnjost" Schriftleiter für biblische Ausgaben, seit 1994 Direktor von "Kršanska sadašnjost" und Hauptschriftleiter am Projekt Religionslexikon in der Lexikographischen Anstalt "Miroslav Krlea" in Zagreb. Von 1991 bis 1996 Vorstand im Büro für Vertriebene und Flüchtlinge bei der kroatischen Regierung. Im Jahre 1995 Minister ohne Portefeuille in der Regierung Kroatiens. Hohe Auszeichnungen durch den Staatspräsident und durch die Akademie für Wissenschaft und Kunst. Er veröffentlichte 15 bedeutendere Werke und redigierte 11 Sammelbände mit mariologischer Thematik. Seine Mitarbeit in den theologischen Zeitschriften im Inn- und Ausland beträgt 430 Titel. Aus verschiedenen Sprachen übersetzte er 26 Bücher. Seit 1970 Präbendar am Zagreber Dom. Seit 1966 organsiert und leitet er Wahlfahrten ins Heilige Land (etwa 50 Mal). Mitglied der Übersetzergesellschaft und der Künstlergesellschaft Kroatiens, Mitglied der Päpstlichen marianischen Akademie in Rom, Mitglied der Jüdischen Kulturgesellschaft "Šalom Freiberger" in Zagreb, Redaktionsmitglied der Internationalen theologischen Zeitschrift "Communio".

P. Stanislaus Kania - Piarist. Geboren am 24. Februar 1948 in Polen. Er studierte Philosophie,Theologie und Kirchengeschichte am Theologischen Institut in Krakow, sowie an der Katholischen Universität in Lublin. P. Kania wurde 1973 zum Priester geweiht. Von 1982 bis 1985 war er Rektor des Priesterseminars und Sekretär der Provinz. Er gründete die Bruderschaft der Muttergottes an Katholischen Schulen, um die er sich als Kaplan kümmert. Im Jahre 1985. gründete er SOS für die Kinder armer Familien und für Familien mit Problemen, für die er heute noch als geistlicher Leiter tätig ist. Die Einrichtung ist ein Ort, an dem die Kinder lernen und spielen können, sie werden hier aber auch ärztlich, psyschologisch und seelsorgerisch betreut. Zur Zeit ist er Rektor eines Klosters in Krakow.

P. Kania kommt seit 13 Jahren nach Medjugorje. Seit 1988 ist er Direktor und Herausgeber der Medjugorje-Zeitschrift "Znak Mira (Zeichen des Friedens)", wie auch anderer Bücher und Publikationen über Medjugorje. Vom 1986. organisiert er und leitet regelmäßige Pilgerfahrten nach Medjugorje.

Dr. P. Slavko Barbaric - geb. 1946 in Dragicina, Bosnien-Herzegowina.Er studierte Theologie in Visoko, Sarajewo und Schwaz, Austria. 1971 wurde er zum Priester geweiht.Im Jahre 1982. erlangte er den Doktortitel in Religionspädagogik. Seit 1982 lebt er und arbeitet als Pilgersseelsorger in Pfarrei Medjugorje. P. Barbari schreibt Bücher und Artikel über religiöse Themen. Er leitet zahlreiche Exerzitien und hält viele Vorträge. In vielen Teilen der Welt hat er an zahlreichen Treffen teilgenommen und über die Medjugorje-Ereignisse berichtet und gesprochen.

An dem Treffen nahmen 150 Leiter aus 15 Ländern teil. Bei dieser Gelegenheit gaben die Teilnehmer folgende

ERKLÄRUNG

Wir haben das Dokument des Heiligen Stuhls "Die Wallfahrt im großen Jubiläumsjahr 2000" - das Spezifikum der Wallfahrt zu großen Marienwallfahrtsorten - betrachtet, besonders hinsichtlich der Gestaltung der Wallfahrt nach Medjugorje. Mit Bewußtsein, daß die Wallfahrt im Leben der Gläubigen einen wichtigen Platz einnimmt, wollen wir unsere Wallfahrten noch sinnvoller gestalten, so daß sie wahrlich eine Gelegenheit und ein Anlaß für den Gläubigen werden, durch sie im Glauben zu wachsen , sein Glaubensleben zu vertiefen und seinen Lebensweg hin zu Gott auszurichten.

Deshalb empfehlen wir allen Medjugorje-Zentren und Gebetsgruppen,

  • sich in ihren Ortskirchen den Wallfahrtsprogrammen zum großen Jubiläum 2000" anzuschließen;
  • im Lichte des genannten Dokumentes des Heiligen Stuhls, die Wallfahrten nach Medjugorje vorzubereiten, zu begleiten und zu gestalten, damit die Pilger "die schweigsame und konzentrierte Begegung mit Gott und mit sich selbst" erleben können, besonders im Sakrament der Versöhnung und der Eucharistiefeier.

Die Teilnehmer

Zum Seitenanfang

Adalbert Rebic

DOCUMENT DES HEILIGEN STUHLS ZUR PILGERFAHRT 2000

Der Päpstliche Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs veröffentlichte am 25. April 1998 das Dokument über die "Pilgerfahrt zum großen Jubiläum 2000" (hierin als "Pilgerfahrt 2000" bezeichnet). Allein schon der Titel des Dokuments "Pilgerfahrt 2000" zeigt den Anlass für seine Veröffentlichung: das bevorstehende große Jubiläum 2000 Jahre nach Christi Geburt. "Ein wichtiges Ziel der heutigen geschichtlichen Pilgerschaft der Kirche ist das Jubeljahr Zweitausend, auf das die Gläubigen im Namen der Dreifaltigkeit zugehen."(1) Anlässlich dieses großen Jubiläums werden zahlreiche Pilgerfahrten vorbereitet, besonders in das Heilige Land (nach Jerusalem und Bethlehem) und nach Rom. Die Pilgerfahrten im großen Jubeljahr fördern die Vertiefung der Geistigkeit und eine wirksamere Seelsorge.

Die Pilgerfahrt nimmt seit jeher einen bedeutenden Platz im Leben der Christen ein, wie überhaupt im Leben aller Gläubigen. "Im Laufe der Geschichte hat der Christ sich auf den Weg gemacht, um seinen Glauben an den Orten zu leben, die auf das Gedächtnis des Herrn hinweisen oder wichtige Zeitpunkte in der Geschichte der Kirche darstellen. Er hat sich zu den Wallfahrtsorten begeben, die in besonderer Weise die Muttergottes ehren, und an die Orte, die das Beispiel der Heiligen lebendig halten. Sein Pilgern war ein Voranschreiten auf dem Weg der Bekehrung, eine Sehnsucht nach der innigen Vereinigung mit Gott und ein vertrauensvolles Vortragen seiner materiellen Bedürfnisse. In all ihren vielseitigen Aspekten ist die Wallfahrt für die Kirche immer eine außerordentliche Gnadengabe gewesen."(2)

Besonders heute sind Pilgerfahrten für die Gläubigen ein beliebter Ausdruck ihrer Frömmigkeit. Die moderne Gesellschaft ist von einer intensiven Mobilität gekennzeichnet; d.h. daß sich die Menschen gern bewegen. Auf ihren Reisen ruhen sie sich aus, sie machen Bekanntschaften, sie lernen neue Orte und Menschen kennen und werden so in vielerlei Hinsicht bereichert. Dank moderner Verkehrsmittel reisen die Gläubigen heutzutage in das von ihrer Heimat weit entfernte Heilige Land, in marianische Heiligtümer wie Lourdes, Fatima, Czestochova und andere Orte, sei es in ihrer Heimat oder in der Welt. Deshalb muss die Seelsorge im Hinblick auf die Pilgerfahrt klare theologische Grundsätze aufstellen, die sie rechtfertigen und sie eine solide und dauerhafte Praxis im Kontext allgemeiner Seelsorge entwickeln lässt. Schließlich sind die Evangelisierung, die Vertiefung des Glaubens und des geistigen Lebens, eine der wichtigsten Ziele, für die die Kirche Pilgerfahrten vorschlägt und dazu ermutigt.(3)

Das Dokument "Pilgerfahrt 2000" ist eine theologische Analyse über die Bedeutung von Pilgerfahrten, die pastorale Richtlinien gibt, wie man Pilgerfahrten organisieren und leiten soll. In diesem Sinne ist es ein Dokument der Vorsehung für die Gläubigen, vor allem für diejenigen, die für die Seelsorge der Gläubigen verantwortlich sind. In dem Dokument finden sie eine wertvolle geistliche Hilfe, um das große Jubeljahr tiefer und intensiver zu erleben. Das Dokument "Pilgerfahrt 2000" soll "allen Pilgern und Verantwortlichen für die Pilgerseelsorge eine Hilfe anbieten, damit alle im Licht des Wortes Gottes und der jahrhundertelangen kirchlichen Tradition in vollerem Maße aus dem geistlichen Reichtum einer Pilgerfahrt schöpfen können."(4)

Das Dokument "Pilgerfahrt 2000" des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten möchte den Pilgerfahrten, die die Seelsorger anlässlich des großen Jubeljahres 2000 organisieren, einen geistlichen Sinn geben. Es möchte Pilgerfahrten fest an die Realität der Buße und der Umkehr binden: eine Pilgerfahrt ist eine Gelegenheit und ein Anlass für den Gläubigen, sich geistig zu erbauen, seinen Glaubensleben zu vertiefen und seinen Lebensweg nach Gott auszurichten.

Das Dokument "Pilgerfahrt 2000" besteht aus sechs Teilen, einer Einleitung und einem Schlusswort. In der Einleitung (S. 5-6) wird der Anlass und das Ziel des Dokuments hervorgehoben, während das Schlusswort (S. 57-58) den Inhalt des Dokuments theologisch abschließt. Der 1. Teil des Dokuments beschreibt den Pilgerweg Israels (S. 7-12); der 2. Teil, den Pilgerweg Christi (S. 13-16); der 3. Teil, den Pilgerweg der Kirche (S. 17-25); der 4. Teil, den Pilgerweg hin zum dritten Jahrtausend (S. 26-31); der 5. Teil, den Pilgerweg der Menschheit (S. 32-39) und zum Schluss der 6. Teil, den Pilgerweg der Christen heute (S. 39- 56). "Pilgerfahrt 2000" ist eine zusammengefasste Theologie der Pilgerfahrt. Es besteht aus 58 Seiten im Taschenbuchformat und ist aufgrund seines einfachen Stils leicht zu lesen.

Die Pilgerfahrt ist nicht nur ein Christliches Phänomen, sondern es gibt sie in allen Religionen. "Die Wallfahrt steht symbolisch für die Erfahrung des reisenden Menschen (homo viator), der, gerade aus dem Mutterschoß hervorgekommen, sich auf den Weg durch Zeit und Raum seiner Existenz begibt".(5) Eine Wallfahrt ist die Reise eines Gläubigen zu einem heiligen Ort, der heilig wurde durch die Offenbarung von etwas Göttlichem, oder durch das Wirken eines religiösen Lehrers oder eines Religionsgründers, mit der Absicht, dass an diesem Ort gebetet wird und Opfer gebracht werden. Als solche, ist sie eine spezifische Glaubenserfahrung und ein Phänomen, das alle Religionen kennen und das existiert, seitdem es Religionen gibt. An dem heiligen Ort ist meist ein Heiligtum errichtet, in und um welches sich die Gläubigen versammeln. Ein solcher heiliger Ort kann sich im oder außerhalb des Heimatlandes des Pilgers befinden, oftmals auch sehr weit entfernt. Das Ziel der Pilgerfahrt ist gewöhnlich das Erlangen eines materiellen oder geistigen Gutes, das, nach dem Glauben des Pilgers, gerade an diesem heiligen Ort realisiert werden kann. Die Pilgerfahrt ist ihrer Natur nach üblicherweise mit Opfern und Verzicht verbunden. Und das Gute, beziehungsweise die Gnade, die der Pilger am heiligen Ort erhält, ist die Belohnung für seine Mühe. Das Gute, das gesucht wird, kann sehr unterschiedlich sein und von der Heilung einer Krankheit bis zum Erlangen des ewigen Lebens reichen.(6)

Die Wallfahrt ist eine sehr beliebte Praxis in der frommen Welt, weil sie: 1. alle Fähigkeiten des Menschen aktiviert (audio-visuelle, motorische, emotionale), 2. die Verbindungen zur Gemeinschaft, die einen äußerst wichtigen Faktor in den Emotionen der Gläubigen darstellen, betont und vertieft, 3. den Wert der religiösen Ereignisse, die mit diesem Ort verbunden sind, betont und ihr Andenken verlängert, 4. internationale, gesellschaftliche, kulturelle und zivilisatorische Verbindungen, die über die Grenzen einer Nation oder gar einer Rasse hinausgehen, stärkt. Die Pilger machen auf ihrer langen Reise halt, verkaufen, kaufen, tauschen materielle und geistige Güter aus, lernen die kulturellen Werte der Völker kennen, in deren Land sie als Fremde (lat. peregrini) gekommen sind und deren Land sie durchquert haben. Deshalb taucht die Pilgerfahrt als solche erst relativ spät in der Geschichte der Religion auf, dann nämlich, als schon ein entscheidender Fortschritt in Bezug auf gesellschaftliche Beziehungen gemacht worden war (Familie, Sippschaft, Stamm, Volk, Land, Straßen, Heiligtümer u. ä.).(7)

Die Geschichte des auserwählten Volkes im Alten Testament ist eigentlich eine prachtvolle Pilgerfahrt auf den Wegen des Glaubens: der Auszug aus Ägypten, der Durchzug durch das Schilfmeer, der Weg durch die Wüste, Versuchungen und Sünden, der Einzug in das Gelobte Land, der Gang in die babylonische Gefangenschaft und die Rückkehr in die alte Heimat. Die Israeliten pilgerten dreimal jährlich an den großen Festtagen, dem Paschafest (Pesah), dem Wochenfest (Sevuot) und dem Laubhüttenfest (Sukkot) - in die heilige Stadt Jerusalem. Von der Praxis der jüdischen und christlichen Pilgerfahrt inspiriert, befahl Mohammed den Moslems: "Und vollzieht die Pilgerfahrt und die Umra um Allahs willen!" (Kur'an II, 196). Millionen und Millionen von Moslems pilgern jedes Jahr nach Mekka und nach Medina. Die Pilgerfahrt ist sogar eine der fünf Säulen des islamischen Glaubens.

Die Anhänger des pilgern an den Fluss Ganges, den heiligen Fluss, ihre "Mutter", der sie von Sünden reinigt. Die Buddhisten pilgern an Orte, die Buddha durch sein Leben geweiht hat. Die Schintoisten suchen ihre Ruhe tief im Wald, um dort in aller Stille zu meditieren. Die Christen gehen an heilige Orte, an denen sich Gott offenbart hat oder die mit dem Leben, Leiden, Tod und der Auferstehung Jesu Christi und seinen Heiligen verbunden sind.

Die Pilgerfahrt unterscheidet sich vom Tourismus: Tourismus ist die Flucht aus dem Alltag in etwas Ungewöhnliches, Nichtalltägliches, Unterhaltendes, während die Pilgerfahrt die Reise zu einem bestimmten Ziel ist, eine Reise voller Symbolik. Ein Pilger fährt an den Wallfahrtsort, zum "Haus des Herrn" beziehungsweise zum symbolischen Haus des Herrn, das sich - mythisch ausgedrückt - im Himmel befindet. Die Symbolik ist also ein spezifisches Element, durch das sich die Pilgerfahrt vom Tourismus unterscheidet. Ein Symbol ist eine Sache, die zwei Wahrheiten enthält: eine auf der Ebene der Wirklichkeit und die andere auf der Ebene der übertragenen Bedeutung. Drei Stoffteile - aus roter, weißer und blauer Farbe - sind ein gewöhnlicher Gegenstand mit seiner bestimmten Bedeutung und seinem Zweck; aber wenn man sie zu einer Einheit verbindet, dann wird sie zu einer rot-weiß-blauen Fahne, dem Symbol eines Staates und eines Volkes. Eine Wallfahrt ist eine symbolische Handlung: eine symbolische Reise zu Gott. "Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser. Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum, um deine Macht und Herrlichkeit zu sehen."(Ps 63,2-3). Für jene, die glauben, ist das Leben eine Reise, eine Pilgerfahrt. Ihr Leben ist fest in der Wirklichkeit bzw. in der Geschichte verankert, aber es ist zugleich auch eine Reise, eine Pilgerfahrt zum Heil.

Der erste Teil des Dokuments (Nr. 4-8) befasst sich mit dem "Pilgerweg Israels", wobei es zu Beginn auf Adams Pilgerweg eingeht, um dann die Bedeutung dieses Pilgerwegs zu erörtern, wie auch den Pilgerweg des auserwählten Volkes des Alten Testaments, mit dem Auszug aus Ägypten, dem Weg durch die Wüste und schließlich mit dem Einzug in das Gelobte Land. Der Auszug aus Ägypten hat einen dauerhaften Wert angenommen. Er wurde zum Denkmal (hebr. zikkaron, lat. memoriale). Es lebt immer im Volk, wiederholt sich in der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft, die der Zweite Jesaja als neuen Auszug besingt (vgl. Jesaja 43, 16-21), den die Israeliten bei jedem Paschafest feiern und der sich im Buch der Weisheiten in eine eschatologische Wahrheit verwandelt (vgl. Weish. 11-19). Das Endziel einer solchen Reise ist das "Gelobte Land", in dem die vollkommene Gemeinschaft mit Gott in einer neuen Schöpfung herrscht (vgl. Weish. 19).(8)

Der Fromme des Alten Testaments stellt sich Gott als "ein Gast und ein Fremdling" vor (Ps 39,13; 119,19). Die Israeliten pilgerten nach Jerusalem, auf den heiligen Zion, sangen fröhliche Hymnen, "Wallfahrtslieder" (Ps 120-134). Sie hatten die Erfahrung mit Gott als der Pilger, der immer mit Seinem Volk geht. Der Gott Israels ist nicht an einen bestimmten Ort gebunden, wie es die heidnischen Götter waren, sondern Er reist mit Seinem Volk und ist an jedem Ort anwesend. In ihren Prophezeiungen "zeigen die Propheten auch einen messianischen Pilgerweg der Erlösung an, der auch dem eschatologischen Horizont geöffnet ist, in dem alle Völker der Erde nach Zion hinaufstreben, Ort des Göttlichen Wortes, des Friedens und der Hoffnung" (vgl. Jesaja 2,2-4; 56, 6-8; 66, 18-23; Mih 4,1-4; Zah 8,20-23)."(9) Ziel dieser allgemeinen Bewegung des Volkes ist das gemeinsame "Festmahl für alle Völker" am Ende der Geschichte (Jesaja 25,6).

Im zweiten Teil erörtert das Dokument den Pilgerweg Christi. Jesus stellt sich vor als "der Weg und die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6) und macht sich durch Seine Menschwerdung und Geburt durch die Jungfrau Maria, auf den Weg Seines Volkes und der gesamten Menschheit, "sich gewissermassen mit jedem Menschen vereinigend".(10) Jesus zeigt nicht nur den Weg, den man gehen muss, um zu Gott zu gelangen, sondern Er geht auch selbst diesen Weg. Er ist in Seiner Person der Weg zu Gott. Noch als Kind pilgert Er mit Seinen Eltern nach Jerusalem in den Tempel. Sein öffentliches Wirken entwickelt sich stufenweise zu einer dauerhaften Pilgerfahrt von Galiläa über Samaria bis Judäa, bis Jerusalem, wo man Ihn kreuzigen wird. Der Evangelist Lukas beschreibt Jesu Wirken als "große Reise, deren Ziel nicht nur das Kreuz ist, sondern auch die Herrlichkeit Osterns und der Himmelfahrt (vgl. Lk 9,51; 24,51)."(11) Lukas zeigt Jesu Tod in der Verklärung auf dem Berg als "Auszug" (gr. exodus). Jesus ruft Seine Jünger auf, Ihm zu folgen: "Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach" (Mt 16,24).

Die Jünger Jesu, vom Heiligen Geist des Pfingsttages erfüllt und wiedererweckt, ziehen auf die Straßen der Welt, suchen so die verschiedensten Völker der Erde von Jerusalem bis Rom auf und verkünden überall das Evangelium Christi.(12)

"Das letzte Ziel dieses Pilgerwegs über die Straßen der Welt ist jedoch nicht in der Erdkarte verzeichnet. Es liegt außerhalb unseres Horizontes, wie es auch für Christus war, der mit den Menschen gewandert ist um sie zur Fülle der Vereinigung mit Gott zu führen."(13) Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Apostelgeschichte das christliche Leben schlechthin als "den Weg" definiert (vgl. Apg 2,28; 9,2; 16,17; 18,25-26). Das christliche Leben wird als Pilgerfahrt in das himmlische Jerusalem (Offenbarung) beschrieben, als Pilgerfahrt, die ein transzendentes Ende hat. Der Christ ist sich bewusst, dass er hier auf der Erde ein "Wanderer", "ein Fremder" oder "Gast" ist, aber dass seine "Heimat im Himmel" ist.(14)

Im dritten Teil erörtert das Dokument den Pilgerweg der Kirche (Nr. 12-17). Auch die Kirche, das messianische Volk Gottes, ist auf dem Weg zur kommenden und bleibenden Stadt.(15) Die Missionare Christi zogen über alle wichtigen römischen Straßen, Karavanenstraßen und Seewege; sie begegneten den verschiedensten Sprachen und Kulturen, während sie das Evangelium Christi verkündeten: von Kleinasien bis Italien, von Afrika bis Spanien und Gallien und später von Deutschland bis nach Britannien, von den slawischen Ländern bis nach Indien und China. In neuerer Zeit setzten sie ihren Weg fort zu neuen Ländern und neuen Völkern in Amerika, Afrika, Ozeanien und festigten somit "den Weg Christi durch die Jahrhunderte".(16)

Im 4. und 5. Jahrhundert erscheint in der Kirche die monastische Bewegung: die 'asketische Migration' und 'der spirituelle Exodus'. Fromme Menschen gehen in die Wüste und denken dort über die Erfahrung Abrahams nach, eines Fremden und Gastes, über Moses, der das Volk aus Ägypten in das Gelobte Land führt und über Elija, der auf dem Berg Karmel Gott begegnet.(17) In dieser Zeit machten sich der hl. Hieronimus und seine Schülerinnen Paula und Eustohia auf in das Heilige Land. Sie ließen sich in Bethlehem nieder, nahe der Grotte, in der Jesus zur Welt kam. Sie errichteten Klöster, Lauren, Einsiedeleien und Zönobien in der Wüste von Judäa und außerhalb des Heiligen Landes in Syrien, in Kappadokien, Tebaid und in Ägypten. Der hl. Hieronimus und andere heilige Väter rufen die Christen auf, an heilige Orte zu gehen(18), aber sie warnen auch vor Übertreibungen, Missverständnissen und falschen Auslegungen. Besonders Gregor von Nyssa warnt die Pilger, "der wahre Weg, den man gehen solle, sei der, der den Gläubigen aus der physischen in die geistige Wirklichkeit führt, von dem körperlichen Leben zum Leben im Herrn, und nicht der Weg von Kappadokien nach Palästina."(19) Der hl. Augustinus rät: "Geh' in dich: die Wahrheit wohnt im Herzen des Menschen! ... Aber verweile nicht in dir selbst, sondern geh' über dich hinaus!"(20) Auch der hl. Hieronimus warnt vor einer formalistischen Auffassung der Pilgerfahrt.(21)

Als die Araber 638 das Heilige Land eroberten und somit die Reise christlicher Pilger in das Heilige Land erschwert wurde, öffneten sich neue Wege im Westen: nach Rom ("ad Petri sedem"), zum hl. Jakobus in Compostela, zu den marianische Heiligtümern in Lourdes, Jasna Gora in Czestochowa, zu den großen mittelalterlichen Klöstern, Burgen des Geistes und der Kultur, zu den Orten, die die Erinnerung an große Heilige pflegen (Tours, Canterbury, Padova u.a.).(22)

Im Mittelalter sah sich die Menschheit einer großen Welle von Pilgerfahrten gegenübergestellt und zwar in allen Richtungen Europas und der Welt, sogar mit einigen Exzessen. Diese Pilgerfahrten nährten die Spiritualität, stärkten den Glauben, regten die Liebe an und ließen die Sendung der Kirche aufleben. "Die 'palmieri' (Heilig-Land-Pilger), die 'romei' (Rompilger), die 'peregrini' (Pilger) mit ihrer typischen Kleidung bilden fast einen eigenen 'ordo' (Orden), der die Welt an die Pilgernatur der christlichen Gemeinde erinnern will, die hinstrebt zur Begegnung mit Gott und der Vereinigung mit ihm."(23)

Eine besondere Form der Pilgerfahrt ist auch die Kreuzzugsbewegung, die in der Zeit vom 11. bis 13. Jahrhundert erscheint. In dieser Bewegung verflechten sich das "alte Ideal des Pilgerns zu den Stätten der Heiligen Schrift mit den neuen Gegebenheiten und Ideen jener geschichtlichen Epoche, wie mit der Bildung des Ritterstandes, mit den sozialen und politischen Spannungen, mit dem Erwachen der auf den Orient ausgerichteten wirtschaftlichen und kulturellen Anregungen, mit der Präsenz des Islams im Heiligen Land."(24)

Im 13. Jahrhundert erscheint der hl. Franziskus, der sich mit seinen Franziskanerbrüdern in das Heilige Land, nach Jerusalem, aufmacht. Noch heute gelten sie als Wächter heiliger Orte in Palästina und im Nahen Osten (Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten). Um 1300 wurde eine Pilgergemeinschaft für Christus gegründet. Im gleichen Jahr wurde in Rom zum ersten Mal das Jubeljahr bekanntgegeben, das tausende Pilger nach Rom zog. Die Pilgerfahrten nach Rom werden vielfach in den darauffolgenden Heiligen Jahren wiederholt. Auf diese Weise wird Rom zum kulturellen und religiösen Mittelpunkt Westeuropas.

Im 15. und 16. Jahrhundert wird mit der Entdeckung der Neuen Welt die eurozentrische Vision der Welt überbrückt und der christliche Westen, den Streitereien entzweiten, büßt als Folge die Einheit mit seinem Zentrum in Rom ein. Es gibt nun alternative Ziele für Pilgerfahrten, die zahlreichen marianischen Heiligtümer.(25) Trotzdem werden auch im 18. und 19. Jahrhundert Pilgerfahrten im Leben der christlichen Gemeinschaft fortgesetzt, die den Glauben von Generation zu Generation unterstützten, neue Geistigkeiten mit neuen Glaubenszentren (Guadalupe, Lourdes, Aparecida, Fatima ...) öffneten. Die erneuerte Erkenntnis, das pilgernde Volk Gottes zu sein, entwickelte sich in der Zwischenzeit zum äußerst ausgeprägten Bild der Kirche, die sich im II. Vatikanischen Konzil versammelte.(26)

Im vierten Teil wird der Pilgerweg hin zum dritten Jahrtausend erörtert (S. 18-23). In diesem Zusammenhang hat die Wallfahrt eine außerordentlich wichtige Bedeutung. Allein schon das Zweite Vatikanische Konzil stellte im symbolischem Sinn eine große und gemeinsame Pilgerfahrt der gesamten Kirchengemeinschaft dar. Das Konzil erschien wie ein geistiger Aufstieg. Die Konzilsväter begrüßten die suchenden Menschen als "Pilger auf dem Weg zum Licht".(27) Dieses symbolische Bild der pilgernden Kirche wurde den Pilgern durch Wallfahrten der beiden Pilger-Päpste, Papst Johannes XXIII. nach Loreto am Anfang des Konzils (1962) und Papst Paul VI. in das Heilige Land am Ende des Konzils (1964) verdeutlicht. Daraufhin folgten zahlreiche Pilgerfahrten der Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. Die Pilgerfahrt des Papstes Paul VI. in das Heilige Land, durch die der Papst die zentralen Sakramente des Glaubens, die Menschwerdung und die Erlösung feiern wollte, regte eine neue Welle von Pilgerfahrten in das Heilige Land aus allen Teilen der Welt an. Mit seinen Pilgerfahrten gab Papst Johannes Paul II. der Pilgerfahrt einen außergewöhnlichen Auftrieb als eine Form des Gebets, der Umkehr und der Erkenntnis, das pilgernde Volk Gottes zu sein.

Das Zweite Vatikanische Konzil stellte in seinen Konstitutionen die Kirche als "Pilgerin", als "in der Welt zugegen und doch unterwegs"(28) dar und betonte mehrere Male das pilgernde Wesen der Kirche: ihr Ursprung ist in der Mission Christi, den der Vater zu uns sandte, wir kommen von Ihm, leben durch Ihn und unser Weg führt zu Ihm, während der hl. Geist unsere Wege lenkt, die den Spuren Christi folgen.(29) Das Konzil selbst definiert das christliche Leben als eine Pilgerfahrt im Glauben.(30)

Die Kirche ist ihrer Natur nach missionarisch.(31) Die Worte des auferstandenen Christus an seine Jünger: "Gehet hin und lehret alle Völker!" (Mt 28,19) betont speziell das Verb "gehen", die unumgängliche Weise der Evangelisierung, die der Welt geboten wird.(32)

Ein Hauptziel der heutigen geschichtlichen Pilgerfahrt der Kirche ist das Jubeljahr 2000, auf das der Gläubige im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit zugeht. Diese Reise sollte eher innerlich und lebendig und nicht räumlich sein.(33)

Im fünften Teil (Nr. 24-31) deutet das Dokument Pilgerfahrt 2000 den Pilgerweg der Menschheit und betont dabei den geistigen Wert der Pilgerfahrt und die Notwendigkeit der seelsorgerischen Betreuung einer Pilgerfahrt. Auch in unserer Zeit reist der Mensch - er fühlt sich als 'homo viator' - und sucht als solcher Wahrheit, Gerechtigkeit, Frieden und Liebe. Er sucht das Absolute und das Unendliche, er sucht Gott. Diese Bewegung der Menschheit beinhaltet "den Keim der Sehnsucht nach dem transzendenten Horizont der Wahrheit, der Gerechtigkeit und des Friedens. Es zeugt von einer Unruhe, die erst im ewigen Gott gestillt wird, im Hafen, in dem sich der Mensch von seinen Bedrängnissen erholen kann.(34) Einige Fortschritte sind auf dieser Reise sichtbar: die Beachtung der Menschenrechte, der Fortschritt der Wissenschaft und Technik, der interreligiöse Dialog ...(35) Wir sind Zeugen massiver Bewegungen ganzer Völker, die vor Kriegsgefahren oder Naturkatastrophen in ihrem Land flüchten oder eine größere Sicherheit und mehr Wohlstand für ihre Lieben suchen. Das Christentum bietet sich auf dieser Pilgerfahrt der Menschheit als barmherziger Samariter an, der immer bereit ist, zu helfen.(36) Der Wert des Suchens, des Fortschritts und der Förderung des gegenseitigen Verständnisses zwischen den Völkern beinhaltet auch den Tourismus(37), wissenschaftliche Forschungen, Kultur-, Handels- und Sportreisen. Das Dokument Pilgerfahrt 2000 hebt hervor, dass der Tourismus und Handelsagenturen nicht nur nach wirtschaftlichen Interessen handeln sollten, sondern sich auch ihrer menschlichen und sozialen Aufgaben bewusst sein sollten.(38)

Hierzu gehören auch die ganz besonderen christlichen Erfahrungen der Pilgerfahrt: die Missionarstätigkeit in weitentfernten Ländern, ökumenische Versammlungen zu gemeinsamen Gebeten für das Geschenk der Einheit aller Christen und interreligiöse Begegnungen (wie z. B. in Assisi 1986).

Das Dokument Pilgerfahrt 2000 betont besonders zwei Städte als Pilgerfahrtsziele: Rom, das Symbol der allgemeinen Sendung der Kirche, und Jerusalem, der heilige Ort, den alle verehren, die Abrahams Glauben folgen, die Stadt, von der "wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort" (Jes 2,3).(39) Aber auch Pilgerfahrten zu Städten, in denen Böses getan wurde (Auschwitz, Hiroshima, Nagasaki) dürfen nicht vergessen werden.

Im sechsten Teil des Dokuments Pilgerfahrt 2000 geht es um den Pilgerweg der Christen heute (Nr. 32-42). Das ist der abschließende und gleichzeitig umfangreichste Teil. Hier werden die wichtigsten Elemente der Pilgerfahrt hervorgehoben und Richtlinien für die seelsorgliche Betreuung der Pilgerfahrten gegeben. Für den Christen ist die Pilgerfahrt "die Feier des eigenen Glaubens ... ein Ausdruck der Verehrung, die in Treue zur Tradition mit tiefem religiösem Empfinden als Verwirklichung seiner österlichen Existenz erfüllt wird."(40) Diese Erfahrung kommt besonders in der Eucharistiefeier des österlichen Geheimnisses, während der Kommunion und bei der Lesung und Betrachtung des Evangeliums zum Ausdruck.(41) Zu diesem Zweck soll die pastorale Betreuung in den Wallfahrtsorten entwickelt werden, in denen der Pilger "die stille und aufmerksame Begegnung mit Gott und sich selbst erlebt", vor allem in der hl. Beichte, in der die Sünden vergeben werden und der Mensch zu einem neuen Wesen wird. Ziel der Eucharistiefeier ist die Versöhnung mit Gott und mit seinen Brüdern.(42) In den Wallfahrtssorten, wie auch auf dem Weg hin zum Wallfahrtsort, sollte ein geistlicher Begleiter mit spezifischer katechetischer Ausbildung anwesend sein, der die Pilger auf die Begegnung mit Gott vorbereiten kann. Eine besondere Verantwortung kommt den Priestern zu, die die Pilger während ihrer gemeinsamen Reise animieren.(43)

Die Begegnung mit Gott im "Zelt der Begegnung" im Wallfahrtsort ist eine Begegnung mit der Liebe Gottes, eine Begegnung mit der Menschheit, eine kosmische Begegnung mit Gott in der Schönheit der Natur und eine Begegnung mit sich selbst.(44) Eine große Zahl der christlichen Wallfahrtsorte ist auch das Ziel vieler Pilgerfahrten von Gläubigen anderer Religionen. Diese Tatsache sollte eine Anregung für die pastorale Tätigkeit der Kirche sein, darauf mit Initiativen der Gastfreundschaft, Dialogen, Hilfestellungen und aufrichtiger Brüderlichkeit zu antworten.(45)

Die Wallfahrt ist auch eine Begegnung mit Maria, dem Stern der Evangelisierung. Marianische Heiligtümer - große und kleine - können bevorzugte Orte der Begegnung mit Ihrem Sohn sein, den Sie uns schenkt. Der Christ schlägt gemeinsam mit Maria den Weg des Glaubens ein, den Weg der Liebe, und den Weg der Welt - um den Kalvarienberg hinaufzusteigen und dort neben Ihr zu verweilen, wie der geliebte Apostel, dem Christus Seine Mutter anvertraut hat - bis zum Saal des letzten Abendmahls, um dort aus der Hand Ihres auferstandenen Sohnes das Geschenk des Heiligen Geistes zu empfangen.

Zum Seitenanfang

Stanislaw Kania Sch.P.

DAS BESONDERE AN PILGERFAHRTEN ZU DEN GROßEN MARIENSANKTUARIEN

Die Etymologie des Begriffes "Pilgerfahrt" reicht sehr weit ins Altertum zurück. Mit dem griechischen Ausdruck per-epi-demos (wörtlich "Fremder", "Nichtansässiger") wurde ein Pilger oder zufälliger Reisender bezeichnet. Das ursprüngliche lateinische Wort peregrinus bezeichnete eine Person, die durch fremde Länder reiste oder nicht das Bürgerrecht hatte. Es entstand durch die Zusammensetzung der zwei Ausdrücke peragros, was denjenigen bezeichnete, der über die Felder geht (die Felder überquert), außerhalb seines Wohnortes, weit von zu Hause (peregre - "in der Fremde", "im Ausland", "nicht zu Hause"). Die Bezeichnung peregrinatio bezeichnet einen Aufenthalt außer Landes, eine Wanderung, Reise, den Besuch fremder Länder. Im Prinzip versteht man unter dem Begriff peregrinatio erst seit dem 12. Jh. eindeutig den religiösen Brauch, heilige Stätten zu besuchen. In der polnischen Literatur (insbesondere bis zum Beginn des 20. Jh.) kann man die Begriffe "pielgrzymstwo [Pilgerschaft]", "peregrynacja [Peregrination]", "patnictwo [Wallfahrten]" und "patnik [Wallfahrer]" finden, die abwechselnd mit "pielgrzymowanie [Pilgern]", "pielgrzymka [Pilgerfahrt]" und "pielgrzym [Pilger]" verwendet werden. Die Historiker verwenden auch gerne das altpolnische Wort, das in diesem Falle "Pilgerfahrt zu heiligen Stätten bedeutet".

Als Pilgerfahrt gilt eine aus religiösen Motiven unternommene Reise zu einem Ort, der deshalb als heilig gilt (locus sacre), weil Gott oder eine Gottheit dort in besonderer Weise wirkt. Ziel einer solchen Reise sind bestimmte religiöse Akte, fromme Taten und Buße. Mit anderen Worten: das Wesen einer Pilgerfahrt entsprang immer dem Bestreben, mit dem Sacrum zu verkehren.

Die meisten Pilgerfahrten sind mit Kirchen verbunden, von denen die heiligsten mit dem Begriff "Sanktuarium" bezeichnet werden. Das neue kanonische Recht von 1983 definiert Sanktuarium als "eine Kirche oder andere sakrale Stätte, zu der mit dem Einverständnis des zuständigen Bischofs, aufgrund religiöser Frömmigkeit, zahlreiche Gläubige um einer besonderen Frömmigkeit willen pilgern". Ein Sanktuarium ist also eine heilige Stätte der Verehrung Gottes, ein Ort der besonderen Gegenwart Gottes.

Schätzungen zufolge pilgern alljährlich etwa 240 Mio. Menschen, darunter 150 Mio. Christen, zu Zentren religiöser Verehrung von überregionaler Bedeutung. In Polen nehmen jedes Jahr 5-7 Mio. Menschen (mehr als 15 % der Bevölkerung) an den Pilgerbewegungen teil. Neben Katholiken lateinischen und östlichen Ritus pilgern Anhänger der orthodoxen Kirche, des Judaismus und des Islams. Polen kann also zu den Staaten mit einer besonders stark entwickelten Pilgeraktivität gezählt werden.

In heidnischen Zeiten waren auf polnischem Boden hauptsächlich Berge, Haine, Flüsse, Quellen, Bäume und Steine Objekte der Verehrung. Die heidnischen Stämme brachten ihnen Ehrfurcht und Achtung entgegen, weil sie sie für heilig hielten. Die Riten des heidnischen Kultes wurden unter anderem auf den Bergen Sleza und Lysa Gora gefeiert. Tempel waren in den heidnischen Zeiten auf polnischem Boden eine Seltenheit. Sie traten nur in Westpommern auf.

In der ersten Periode der Geschichte des Christentums in Polen entwickelte sich vor allem die Verehrung der Heiligen, die Verehrung der Einsiedler und die Verehrung der Passion Christi. Erst um die Wende vom 12. zum 13. Jh. wurden Pilgerfahrten, die sich mit der Marienverehrung verbanden, populär. Die Anfänge des Pilgerns verbinden sich mit dem hl. Adalbert [Wojciech] (956-997) und seinem Märtyrertod.

Gnesen - die Stadt, die mit dem Leben des hl. Adalbert verbunden ist und wo sich auch sein Grab befindet, wurde zum wichtigsten Pilgerzentrum während des Frühmittelalters (11.-13. Jh.). Gnesen wurde auch von den Angehörigen des Piastengeschlechts, den Herrschern des polnischen Staates, besucht.

Parallel zur Verehrung des hl. Adalbert entwickelte sich auf polnischem Boden die Verehrung der Einsiedler. Zu den bekanntesten Eremiten, die auf polnischem Boden wirkten, gehört der hl. Andrzej Swierad (gestorben um 1034), der bis heute verehrt wird. Ein Schüler des hl. Andrzej Swierad, der um das Jahr 1037 den Märtyrertod erlitt, war der hl. Benedikt. Andere Eremiten aus dieser Zeit waren der seliggesprochene Bogumil-Piotr II., die seliggesprochene Juta aus Chelmza, Dorota aus Matowy. Die Geschichte der Einsiedlerverehrung in Polen, insbesondere nach deren Tod, führt uns zu der im Mittelalter sehr populären Verehrung von Verstorbenen, die als Heilige galten, insbesondere derjenigen, die von der Kirche auf den Altar erhoben wurden. Ihre Gräber oder Reliquien zogen die Gläubigen an, was schließlich bewirkte, daß sich Pilgerzentren herausbildeten. Unter vielen außergewöhnlichen Persönlichkeiten aus der Frühphase des polnischen Christentums erfreuten sich einige besonderer Verehrung. Neben der Gestalt des hl. Adalbert sind hier vor allem der hl. Stanislaus, der als Bischof den Märtyrertod erlitt, die hl. Hedwig aus Schlesien und die seliggesprochene Kinga zu erwähnen.

Die Marienverehrung entstand auf polnischem Boden zusammen mit der Annahme der Taufe durch Polen (im Jahre 966). Die Pilgerbewegung zu Stätten dieser Verehrung entwickelte sich um die Wende vom 12. zum 13. Jh.

Die erste Spur einer Pilgerfahrt zu einem Mariensanktuarium weist nach Schlesien, wo unweit von Sroda Slaska im 12. Jh. eine Wallfahrtskirche der Heiligen Jungfrau Maria existiert haben soll, die den Benediktinern gehörte. Die intensive Entwicklung der Marienverehrung fällt jedoch erst in das 13.-14. Jh. Sie begann gewissermaßen die Verehrung der Einsiedler und Heiligen, die in den ersten Jahrhunderten des Christentums populär gewesen waren, zu "ersetzen". Kein Wunder also, daß mit der Entwicklung der Marienverehrung die Zahl der Zentren mit einem Gnadenbild der Muttergottes wuchs. Mit Sicherheit war die Ansiedlung der Paulinermönche auf dem Berg Jasna Gora und die Übergabe des Gnadenbildes der Muttergottes von Tschenstochau (um 1383) an sie von bahnbrechender Bedeutung für die Entwicklung dieser Verehrung.

Das Paulinerkloster Jasna Gora gehört zu den größten und wichtigsten Zentren religiöser Verehrung weltweit, und das nicht nur innerhalb des Christentums. Es ist darüber hinaus nach Lourdes das zweitgrößte Zentrum der Marienverehrung. Jasna Gora ist das weltweit größte christliche Zentrum der Marienverehrung, dessen Entstehung und Entwicklung nicht mit Erscheinungen der Muttergottes verbunden ist. Heute werden in Jasna Gora jährlich 4-5 Mio. Pilger gezählt, darunter etwa 400.000 Ausländer aus mehr als 80 Ländern.

Seit den Anfängen seines Bestehens spielte Jasna Gora eine wichtige Rolle in der römisch-katholischen Kirche - sowohl in der polnischen als auch in der gesamten katholischen Kirche. Eines der Anzeichen dafür waren die Besuche zahlreicher kirchlicher Würdenträger aus der ganzen Welt im Sanktuarium von Jasna Gora und am Ende dieses Jahrtausends die mehrfachen Besuche des Heiligen Vaters, Johannes Paul II. Die Rolle von Jasna Gora wurde auch von seinen Vorgängern betont (u. a. Martin V., Alexander VI., Klemens XI., Pius X., Pius XI., Pius XII., Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul I.). Das Dekret Klemens XI., welches das Gnadenbild der Muttergottes von Tschenstochau krönte (1717, erste Krönung außerhalb Roms, ihr ging das Gelöbnis von Jan Kazimierz in Lemberg am 1. April 1656 voraus, in dem er die Muttergottes offiziell zur Königin Polens erklärte), bewirkte, daß die Königin Polens in der christlichen Welt noch bekannter wurde.

Die Pilgertraditionen von Jasna Gora reichen bis zu seinen Anfängen zurück (1382). Das Sanktuarium erlangte sehr schnell internationale Bedeutung (zu Beginn des 15. Jh.). Nahezu alle polnischen Könige pilgerten dorthin. Im 16. Jh. begann sich eine Tradition regelmäßig stattfindender Pilgerfahrten nach Jasna Gora herauszukristallisieren. Von 1711 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt findet alljährlich die sog. Warschauer Fußwallfahrt statt. In der Zwischenkriegszeit festigte sich die internationale Bedeutung des Sankturariums von Jasna Gora endgültig. Insbesondere die großen Scharen von Teilnehmern an Fußwallfahrten zeichnen Jasna Gora unter anderen großen - und nicht nur christlichen! - Sanktuarien aus. Jedes Jahr kommen im Rahmen solcher Wallfahrten mehr als 200.000 Menschen nach Tschenstochau, also etwa 5 % der Pilger insgesamt.

Seit 1977 ist eine deutliche Entwicklung der Fußwallfahrten nach Tschenstochau zu beobachten, was u. a. mit den Feierlichkeiten anläßlich des 600jährigen Bestehens des Klosters zusammenhängt (1982-1983). Um dieses Jubiläum zu ehren, wurden manche Fußwallfahrten neu ins Leben gerufen, beispielsweise die kaschubische Wallfahrt, die von Swarzewo ausging ("600 km zum 600jährigen Jubiläum"). In den achtziger Jahren spielten neben religiösen Inhalten patriotische Elemente eine nahezu gleichrangige Rolle. Die Teilnahme an einer Wallfahrt wurde angesichts des herrschenden Regimes zu einer Form des Protests sui generis, der sich gegen die Einführung des Kriegszustandes im Jahre 1981 und die mit ihm verbundenen politischen Repressionen richtete.

Zur Zeit kommen die meisten Pilger an den Hauptablaßtagen nach Tschenstochau: Muttergottes Königin Polens (3. Mai), Mariä Himmelfahrt (15. August), Muttergottes von Tschenstochau (26. August) und Mariä Geburt (8. September). Die Zahl der Gläubigen beläuft sich dann auf 300.000-500.000 Menschen. Nach Tschenstochau führen mehr als 50 Fußwege, die ganz Polen durchziehen, und ihre Länge schwankt zwischen einigen und einigen hundert Kilometern. Unterwegs nach Jasna Gora besuchen die Pilger in der Regel andere Sanktuarien, die am Wege liegen, die Pilgerfahrt der Gebirgsbewohner (Goralen) macht z. B. Station in Ludzmierz, Kalwaria Zebrzydowska, Makow Podhalanski, Lesniow; die Warschauer Fußwallfahrt der Studenten nimmt ihren Weg über Niepokalanow, Miedniewice, Smardzewice, Gidle und Mstow; die Fußwallfahrt aus Przemysl besucht das Sanktuarium in Borek Stary und die Diözesanwallfahrt aus Zielona Gora und Gorzow den Heiligen Berg in Gostyn. Jedes Jahr kommen im Rahmen von Fußwallfahrten etwa 150 Gruppen nach Tschenstochau, die insgesamt 175.000 bis mehr als 200.000 Menschen zählen. Die Fußwallfahrten nach Jasna Gora sind sicherlich ein besonderes religiöses und gesellschaftliches Phänomen von internationaler Bedeutung, insbesondere in der christlichen Welt. Zu keinem anderen christlichen Sanktuarium kommen so viele Gläubige zu Fuß. Die Einflüsse der polnischen Pilgerfahrten nach Jasna Gora kann man in vielen Ländern finden, vor allem in Europa. Sie widerspiegeln sich nur teilweise in der einerseits beständig wachsenden Zahl ausländischer Pilger, andererseits werden im Ausland die Erfahrungen von Jasna Gora bei der Organisation von Wallfahrten, insbesondere Fußwallfahrten, genutzt.

Man darf icht vergessen, daß in Polen Fußwallfahrten nicht ausschließlich für Jasna Gora typisch sind; diese Tradition, die manchmal mehrere hundert Jahre zählt, betrifft vielmehr die meisten polnischen Pilgerstätten. Sogar zu kleinen Zentren von lokaler Bedeutung kommen zu den wichtigsten religiösen Feierlichkeiten, Ablässen oder Jubiläen in der Regel Pilger zu Fuß aus den benachbarten Pfarreien und Dekanaten. Besonders lebendige Pilgertraditionen haben sich bis heute in Kalwaria Zebrzydowska, Ludzmierz, Piekary Slaskie, Wambierzyce, Bardo Slaskie, Koden, Gietrzwald und Wejherowo erhalten. An dieser Stelle ist noch ein Sanktuarium zu erwähnen, zu dem die Pilger ausschließlich zu Fuß kommen. Es handelt sich um Wiktorowki - ein Zentrum, das Maria, der Königin der Hohen Tatra, geweiht ist und in den Bergen auf einer Höhe von 1150 m ü. d. M. liegt. Neben dem Hauptablaß im August (15.8.) wandern einige tausend Goralen am Heiligen Abend zur Christmette dorthin sowie in der Sylvesternacht.

Seit dem 19. Jh. erfreut sich die Muttergottes im Ostra-Brama-Tor in Wilna in Litauen eines ähnlichen Ruhmes wie die Schwarze Madonna von Tschenstochau. Nach Wilna zogen Pilgergruppen aus ganz Polen. Damals begann auch Wilna die Rolle eines der wichtigsten Nationalheiligtümer zu spielen. Die Einverleibung Litauens in die UdSSR nach dem Zweiten Weltkrieg machten Reisen von Polen nach Wilna unmöglich. Erst in den letzten Jahren lebt in Polen wieder die Sitte auf, zur Muttergottes im Ostra-Brama-Tor zu pilgern.

Entgegen den zur Zeit allgemein herrschenden Tendenzen zu einer Säkularisierung des individuellen und gesellschaftlichen Lebens ist im Zeitraum der letzten zwei Jahrzehnte ein gewaltiges Anwachsen der Pilgerbewegungen zu beobachten. In der römisch-katholischen Kirche, aber nicht nur dort, hängt dies zweifellos mit den zahlreichen apostolischen Reisen Johannes Paul II. zusammen. Schätzungen zufolge nehmen jährlich insgesamt etwa 220-250 Mio. Menschen an Pilgerfahrten zu Zentren der religiösen Verehrung von internationaler Bedeutung teil, wovon etwa 150 Mio., also 60-70%, Christen sind. Man geht davon aus, daß allein in Europa etwa 30 Mio. Christen, hauptsächlich Katholiken, ihren Urlaub und ihre Ferien (oder einen Teil davon) für eine Teilnahme an einer Pilgerfahrt opfern.

Zu den größten Zentren religiöser Verehrung in der christlichen Welt, die insgesamt nahezu 25 Mio. Pilger anziehen (15 % der pilgernden Bekenner dieser Religion) gehören: Rom mit dem Vatikan (etwa 8 Mio.), Lourdes (6 Mio.), Jasna Gora (4-5 Mio.), Fatima (4 Mio.), Guadalupe (2 Mio.). Unter den christlichen Sanktuarien spielen die Mariensanktuarien die Hauptrolle. Mariensanktuarien gehören - der Auffassung des Heiligen Vaters zufolge - zum "geistigen und kulturellen Erbe des jeweiligen Volkes und besitzen eine große Anziehungs- und Ausstrahlungskraft". Mit der Marienverehrung verbinden sich die meisten Pilgerstätten des Christentums (etwa 80 %).

Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Marienverehrung -- und auch bei den mit ihr verbundenen Pilgerbewegungen - spielten die Stätten, an denen Erscheinungen der Muttergottes stattgefunden hatten. Im heutigen Katholizismus spielen unter den vielen Orten, an denen im Laufe der Geschichte solche Erscheinungen zu beobachten waren, in Europa La Salette (1846), Lourdes (1858) und Fatima (1917) die Hauptrolle. Einen wichtigen Platz nimmt auch Medjugorje (1981) ein. Außerhalb von Europa ist Guadalupe in Mexiko das wichtigste Zentrum (Erscheinung der Muttergottes im Jahre 1531).

Im Spektrum der Marienwallfahrten verdient das in Ermland in Polen liegende Gietrzwald besondere Aufmerksamkeit. Die dortige Erscheinung der Muttergottes in den Tagen vom 27. Juni bis 16. September 1877 ist als einzige in Polen von der Kirche offiziell anerkannt worden. Interessant ist die Statistik dieser Erscheinungen im Vergleich mit den Erscheinungen in Lourdes: dort zeigte sich die Muttergottes 18mal, in Fatima 6mal, in Gietrzwald hingegen mehr als 160mal. Dank dieser Erscheinungen erwarb sich Gietrzwald die Bezeichnung "das polnische Lourdes".

Ein besonderes Zentrum ist Lourdes, das sich seit den Erscheinungen der Muttergottes im Jahre 1858, unter dem Einfluß der Entwicklung von Pilgerfahrten, von einem kleinen Bauernstädtchen in ein spezialisiertes religiöses Zentrum verwandelte. Die sich entwickelnde religiöse Funktion ging einher mit einer infrastrukturellen Entwicklung, die für die Aufnahme der immer zahlreicher herbeiströmenden Pilger unabdingbar war. Das Hotelangebot umfaßt mehr als 18.000 Zimmer (1 Zimmer pro Einwohner!). Unter den 400 Geschäften sind mehr als 85 % auf den Handel mit religiösen Artikeln spezialisiert. Jährlich werden etwa 5-6 Mio. Pilger gezählt, die aus mehr als 120 Ländern der Welt anreisen. Die Ausländer überwiegen insbesondere bei organisierten Reisen (mehr als 60 %). Eine besondere Gruppe von Pilgern bilden die Kranken (etwa 70.000 Personen jährlich), von denen etwa 60 % Ausländer sind. Sie kommen hauptsächlich mit einigen hundert speziellen Zügen ("trains blancs") nach Lourdes, die dank eines ausgebauten Nebengleissystems dort für einige Tage abgestellt werden können. Trotz seiner Randlage in Europa ist Lourdes verkehrsmäßig sehr gut erreichbar - sowohl dank der guten Eisenbahnverbindungen und dank des Straßennetzes als auch wegen des eigenen Flughafens Tarbes-Ossun-Lourdes, der im Laufe des Jahres 500.000-800.000 Passagiere abfertigt. Dies stellt Lourdes in eine Reihe mit den größten Charterflughäfen in Frankreich (neben Paris und Nizza). All dies bewirkt, daß Lourdes zum Typus einer Ortschaft mit funktionaler Monokultur gezählt werden kann, die sich mit dem Besuch von Pilgern und Touristen verbindet. In der Fachliteratur wird Lourdes auch häufig mit dem Begriff "Hotel-Stadt" ("ville-d'hotel") bezeichnet.

Ein Zentrum mit einer ähnlichen Besucherzahl wie Jasna Gora ist Fatima, dessen Entwicklung mit berühmten Erscheinungen der Muttergottes im Jahre 1917 zusammenhängt. Jährlich kommen etwa 4 Millionen Pilger dorthin. Wenn man Fatima mit Lourdes vergleicht, dann verdient die wesentlich langsamere Entwicklung von Fatima besondere Beachtung. Es begann sich erst Mitte der sechziger Jahre als Zentrum von internationaler Bedeutung herauszubilden. Dies hing vor allem mit der Randlage Fatimas in Europa zusammen und mit der verkehrsmäßig sehr schwierigen Erreichbarkeit. Viele Jahre lang war auch das politische System für die Entwicklung von ausländischen Pilgerfahrten nicht förderlich. Die Ausländer, die heute dorthin kommen, stammen aus mehr als 100 Ländern. Unter den Ausländern bilden die Pilger portugiesischer Herkunft eine starke Gruppe. Die meisten kommen am 13. August im Rahmen der "Nationalen Pilgerfahrt Portugiesischer Emigranten" nach Fatima. Eine Eigenschaft, die Fatima unter den meisten wichtigen Pilgerzentren Westeuropas auszeichnet, ist die Pflege der Fußwallfahrten (mehr als 30.000 Menschen jährlich). Das Übernachtungsangebot, das ziemlich differenziert ist, umfaßt 5.000 Plätze (mehr als 1.000 Betten auf 1.000 Einwohner).

Ein sich schnell entwickelndes Zentrum der Marienverehrung, das sich mit Erscheinungen verbindet, die seit dem Jahre 1981 andauern, ist Medjugorje in Bosnien-Herzegowina. Damals ein kleines Dörfchen, das 10 Jahre später "wie durch ein Wunder" vom Krieg verschont blieb, ist es heute zu einem Pilgerzentrum mit einem gut entwickelten Übernachtungsangebot geworden. Die hier ohne Unterbrechung andauernden, täglichen Erscheinungen der Muttergottes ziehen Scharen von Pilgern an, nicht nur aus Europa, sondern aus der ganzen Welt. Selbst der nicht ganz eindeutige Standpunkt der Katholischen Kirche bezüglich der Authentizität dieser Erscheinungen entmutigt die Pilger nicht, die hauptsächlich mit Busen anreisen. In Polen wird Medjugorje immer bekannter, und es hat den Anschein, daß von Jahr zu Jahr immer mehr Polen dorthin fahren werden.

Nicht nur die polnischen Pilger besuchen auf dem Weg nach Medjugorge auch das kroatische Heiligtum Marija Bistrica. Jährlich werden hier etwa eine halbe Million Pilger gezählt. Die für ihre Wunder berühmte Figur der Muttergottes von Bistrica wurde zur Königin der Kroaten erklärt, und ihr Sanktuarium ist seit 1971 als "Kroatisches Nationalheiligtum" anerkannt. Es wird von Pilgern aus der ganzen Welt besucht, darunter auch von vielen Fußwallfahrten.

Die größten Pilgerzentren der Welt, die nicht mit der Marienverehrung zusammenhängen, sind das Heilige Land mit Jerusalem, wohin Gläubige aus der ganzen Welt kommen, sowohl Christen als auch Juden und Anhänger des Islams, und Rom mit dem Vatikan (die Gräber der Apostel Petrus und Paulus, Sitz des Heiligen Vaters). In den letzten zwei Jahrzehnten haben die Pilgerfahrten zum Grab von Jakobus dem Älteren in Santiago de Compostela stark zugenommen.

Worauf beruht das Phänomen der Mariensanktuarien, die so riesige Pilgerscharen anziehen?

Die Sanktuarien bewirken durch ihre Anziehungs- und Ausstrahlungskraft, daß Pilger dort nach Begegnung mit der Muttergottes suchen. Indem sie zu Mariensanktuarien pilgern - sei es zu solchen mit länger zurückliegenden Erscheinungen (Lourdes, Fatima) oder heutigen (Medjugorje), und auch zu Sanktuarien, die für ihre dort befindlichen Gnadenbilder berühmt sind, haben die Menschen die Überzeugung, daß sie sich zu einer Begegnung mit der Muttergottes aufmachen. Sie betrachten sie als Mutter Jesu, aber auch als ihre eigene Mutter, als Beschützerin, die ihnen die notwendigen Gnaden erwirken kann, die ihnen nahe ist und die Probleme eines jeden Menschen versteht, zu jeder Zeit und an jedem Ort.

Nach der allgemeinen Überzeugung der Gläubigen stellt das Sanktuarium - anders als andere Kirchen oder Kapellen - ein besonders heiliges Phänomen dar. Es ist ein Ort, der Interesse, Phantasie und eine seltsame Unruhe weckt: er "verlockt" und lädt ein; er läßt etwas Außergewöhnliches erwarten, nicht so sehr durch ein klar bewußtgemachtes, sondern eher durch ein geahntes "Geheimnis des Glaubens", das er enthält. Allein die Geschichte eines "wunderbaren Ortes", die erzählten Begebenheiten, die sakrale Architektur und die dort befindlichen Andenken und Votivgaben, insbesondere das für seine Gnaden berühmte Bild - das Herz der Heiligkeit des ganzen Sanktuariums - die feierliche Liturgie und der Gottesdienst sowie die zahllosen Scharen von Besuchern und inbrünstig betenden Pilgern, auch die Besuche verschiedener Vertreter von Kirche und Staat, von Wissenschaftlern und Kulturschaffenden - all dies ruft nicht nur Bewunderung und innere Bewegung hervor, sondern schafft die Bereitschaft zum Nachdenken und zum Gebet, verlangt eine tiefe religiöse und theologische Reflexion.

Über das Besondere der Marienverehrung, der Sanktuarien und Marienwallfahrten macht sich der Heilige Vater, Johannes Paul II., in seiner Enzyklika "Redemptoris Mater" Gedanken. Er führt an, daß die unablässige Gegenwart der Gesegneten Gottesgebärerin Maria in der Kirche, die das Reich Ihres Sohnes in die Welt bringt, sowohl in unserer Zeit als auch in der ganzen Kirchengeschichte vielfältige Ausdrucksmittel gefunden hat. Sie besitzt auch einen vielfältigen Wirkungsbereich. Und hier verweist der Papst unter anderen Mitteln und Dimensionen, die diese Gegenwart bekunden, auf die zahlreichen und großen Pilgerstätten, in denen "der christliche Glaube durch die Jahrhunderte herrliche Kirchen erbaute, wie in Guadalupe, Lourdes oder Fatima und in verschiedenen anderen Ländern, unter denen ich nicht Jasna Gora in meiner Heimat nicht unerwähnt lassen kann".

In der Enzyklika "Redemptoris Mater" finden wir die endgültige Grundlage für die Marienfrömmigkeit und das Pilgern des Gottesvolkes zu allen Stätten, an denen die Gottesgebärerin in besonderer Weise gegenwärtig ist - zu Ihren Sanktuarien und Kirchen, "damit wir in der Reichweite der mütterlichen Gegenwart von Der, Die glaubte, Festigung in unserem eigenen Glauben finden". Aus dieser Sicht - bemerkt der Papst - "kann man von einer Geographie des Glaubens und einer Marienfrömmigkeit sui generis sprechen", die in den Sanktuarien ihren Ausdruck findet, die über die ganze Erde verstreut sind und zu denen "nicht nur einzelne oder Gruppen vor Ort, sondern mitunter auch ganze Nationen und Kontinente pilgern und die Begegnung mit der Mutter des Herrn suchen ..."

Die Mariensanktuarien werden als Orte wahrgenommen, wo die Gesegnete Gottesgebärerin Maria, obwohl sie immer in der Kirche gegenwärtig ist, ihre geistige Mutterschaft zum Wohlgefallen Gottes in besonderer Art und Weise erfüllt.

Für das Gottesvolk ist das Sanktuarium ein Ort besonderer Erfahrungen, religiöser Erlebnisse und geistiger Veränderungen. Diese erlösenden Ereignisse sind von der besonderen Gegenwart und mütterlichen Fürsprache der Gottesgebärerin Maria erfüllt. Vom Standpunkt theologischer Reflexion aus ist anzunehmen, daß Gott die Mariensanktuarien als Orte seiner besonderen Barmherzigkeit wählte, wo er mehr als in anderen Kirchen seine Güte erweisen und dem Menschen durch die Vermittlung Mariens Gnaden zuteil werden lassen will. Deshalb erfahren die Gläubigen in den Mariensanktuarien gewissermaßen greifbar das besondere Wirken Gottes, sie erleben ihren Kontakt mit Maria intensiver und haben an außergewöhnlichen erlösenden Ereignissen Anteil. Diese Ereignisse finden oft konkreten Ausdruck in Wunderheilungen und Bekehrungen wie auch im großen Eingreifen der Gnade Gottes, so daß sie eine vollständige Wandlung einzelner oder ganzer Gruppen bewirken.

Als Seelsorger bei zahlreichen Pilgerfahrten nach Medjugorje und auch zu polnischen Mariensanktuarien beobachte ich seit Jahren die Reaktionen der Menschen, die sich zu einer Begegnung mit der Muttergottes in Ihren Sanktuarien begeben. Ich beobachte die Freude, die in Liedern und Gebeten zum Ausdruck kommt. Die Atmosphäre von Marienwallfahrten ist von der Hoffnung erfüllt, daß Die, zu Der wir unterwegs sind, versteht, anhört, hilft - wie jemand, der uns nahe steht und uns liebt. Pilgerfahrten ins Heilige Land und nach Rom haben einen etwas anderen Charakter. Dorthin begeben sich Pilger, um "auf den Spuren der Vergangenheit zu wandeln", also um die Stätten zu finden, an denen einst Christus, Maria und die Heiligen lebten. Die Wallfahrten zu Mariensanktuarien dagegen sind vom Geist der Gegenwart erfüllt. Man hat den Eindruck, daß sich die Menschen auf die Begegnung mit der hier und jetzt gegenwärtigen Maria wie auf die mit einer guten und liebenden Mutter vorbereiten. Davon, daß sie ihr tatsächlich während der Wallfahrten begegnen, zeugen die Millionen von Bekehrungen und Heilungen in den Mariensanktuarien der Welt, die sich in der Vergangenheit vollzogen haben und auch heute vollziehen.

Bibliographie

Jablonski, Z. A. OSPE: Ruch pielgrzymkowy na Jasna Gore w Czestochowie. Tradycja i wspolczesnosc [Die Pilgerbewegung nach Jasna Gora in Tschenstochau. Tradition und Gegenwart], "Peregrinus Cracoviensis", Nr. 3, 1996.

Jackowski, A.: Pielgrzymowanie [Pilgern], Wyd. Dolnoslaskie,Wroclaw 1998.

Jackowski, A./Kaszowski, L.: Jasna Gora w systemie osrodkow pielgrzymkowych swiata [Jasna Gora im System der Pilgerzentren der Welt], "Peregrinus Cracoviensis", Nr. 3, 1996.

Nalaskowski, Jan OSPE: Jasna Gora w swietle refleksji teologicznej o sanktuariach maryjnych [Jasna Gora im Lichte einer theologischen Reflexion über Mariensanktuarien], "Peregrinus Cracoviensis", Nr. 3, 1996.

Sojlan, I./Jackowski, A.: Jasna Gora na tle innych osrodkow pielgrzymkowych w Polsce [Jasna Gora und die anderen Pilgerzentren in Polen], "Peregrinus Cracoviensis", Nr. 3, 1996.

Zum Seitenanfang

P. Slavko Barbaric

ANTHROPOLOGISCH-BIBLISCHE UND RELIGIÖS-GEISTIGE DIMENSIONEN DER PILGERFAHRT MIT KONKRETEM BEZUG AUF MEDJUGORJE

I.DER MENSCH AUF DER SUCHE NACH GOTT

Pilgerfahrten kennt man in allen Religionen. Sie sind ein Ausdruck des Menschen, der Gott an

Orten sucht, an denen Er sich auf besondere Weise offenbarte, an denen Er dem Menschen di Möglichkeit gab, seine Anwesenheit leichter zu fühlen oder bei besonders begabten Personen, die mit ihren Gaben ein besonderes Zeichen der Anwesenheit Gottes bezeugen. Deshalb gibt es

Pilgerorte, die die Menschen anziehen und zu denen sie auf der Suche nach neuen Gotteserfahrungen kommen, beziehungsweise nach Erfahrungen des Friedens, der Freude, Liebe und Hoffnung. Mit jeder Pilgerfahrt verlässt der Mensch seinen Alltag, lässt Arbeit, Familie, Freunde, Sicherheit hinter sich und macht sich, getragen von der Sehnsucht nach einer neuen Begegnung mit Gott, auf seinen Weg.

Obwohl die Grundlage und das primäre Motiv jeder Pilgerfahrt die Sehnsucht nach Gott, der Ausstieg aus dem Alltag und das Öffnen zu Gott sind, gibt es sicherlich auch sekundäre Motive für eine moderne Pilgerfahrt - das Kennenlernen der Welt, der Völker und ihrer Bräuche. Treten diese sekundären Motive aber in den Vordergrund, so handelt es sich um Tourismus. Sowohl die primären als auch alle möglichen sekundären Motive sind besonders von der Neugier des Menschen getragen, die im ersten Augenblick alle anderen Motive übertreffen kann. Es gibt Pilgerorte, die durch das direkte Eingreifen Gottes in das Leben eines oder mehrerer Menschen entstanden sind (zum größten Teil entstanden so die marianischen Pilgerorte, die mit Erscheinungen verbunden sind) oder sie entstanden im Laufe der Zeit, sehr oft auch nach dem Tod eines von Gott besonders auserwählten Menschen oder gar durch das charismatische Wirken einzelner Personen innerhalb der Kirche.

Unabhängig von der Entstehungsweise eines Pilgerortes, sucht der Pilger immer dasselbe. Da die Pilger aus verschiedenen Motiven kommen, ist es die Pflicht jener, die für die Pilgerorte verantwortlich sind, jedem Pilger dabei zu helfen, sich der wahren Motivation seiner Pilgerfahrt bewusst zu werden: die Begegnung mit Gott, der auf den Menschen wartet. Um dies zu erreichen, sollte man alle dafür zur Verfügung stehenden Mittel verwenden, um das geschehen zu lassen, was geschehen soll: die Begegnung zwischen dem wartenden Gott und dem suchenden Menschen. Deshalb sollte man folgende Frage im Auge behalten: "Wer ist der Mensch? Was möchte er und was bietet Gott ihm als Antwort?" Unsere besondere Pilgerstimmung erlaubt uns zu sagen, dass der Mensch an sich eine FRAGE UND DIE SUCHE NACH DER ANTWORT IST, WÄHREND GOTT DIE ANTWORT UND DAS WARTEN AUF DEN SUCHENDEN IST.

I. DER MENSCH AUF DER SUCHE NACH FRIEDEN

Der Mensch ist ein geistig-seelisches und physisches Wesen. Ihm wurde der Verstand, der freie Wille und das breite Spektrum seelischer Erfahrungen gegeben. Tief in seinem Inneren trägt er die Sehnsucht nach seiner Selbstverwirklichung. Er sucht ständig nach dieser Verwirklichung und das, was er sucht, lässt sich so erklären: Der Mensch ist ein Wesen, das sich nach Frieden sehnt. Deshalb kann man zweifellos sagen, dass der Mensch dort zu Hause ist, wo er 'seinen Frieden' findet. Die Suche nach Frieden ist das Hauptmotiv jeder menschlichen Tätigkeit und zwar das ganze Leben lang. Aus Erfahrung wissen wir, dass der Mensch bereit ist, alles Gute zu tun - ja sogar sein eigenes Leben zu opfern - wenn er auf diesem Weg 'Frieden' spürt. Allerdings wissen wir auch, dass der Mensch, wenn er diesen Frieden nicht gefunden hat, obwohl er Gutes getan und sich den positiven menschlichen Werten geöffnet hat, beginnt, den Frieden in einer negativen und zerstörerischen Welt zu suchen. Auf diese Weise kann dieser nach Frieden suchende Mensch sich selbst, andere Menschen und alles um sich herum zerstören.

Betrachtet man das Heranwachsen und die Entwicklung des Menschen vom Augenblick seiner Empfängnis an, so kommt man zur Erkenntnis, dass er den Frieden braucht, um sich überhaupt entwickeln und wachsen zu können. Wenn die Mutter in Frieden lebt, so wird auch das Kind, das sie unter ihrem Herzen trägt, diesen Frieden genießen und sich 'glücklich' entwickeln können. Wenn aber der Frieden der Mutter aus irgendeinem Grund gestört wird während sie ihr Kind unter dem Herzen trägt, wird sich das Kind nicht mehr wohl fühlen und mit schwerwiegenden Folgen der Unruhe geboren werden, von denen es manchmal sein ganzes Leben lang nicht mehr loskommen kann. Das Kind möchte nach seiner Geburt akzeptiert und geliebt werden, damit es in Frieden sein Leben auf dieser Welt weiterführen kann. Aus Erfahrung wissen wir ebenfalls, dass viele Kinder eine durch Eifersucht verursachte Unruhe in sich fühlen, sowie sie begreifen, dass ihre Familie ein neues Kind erwartet. Erst nachdem dieses eifersüchtige Kind erfahren hat, dass es durch das Neugeborene nicht bedroht, sondern sogar bereichert wird, und es auch weiterhin fühlt, dass es geliebt und akzeptiert wird, kehrt der Friede in das Kind zurück. Durch sein Heranwachsen und seine Entwicklung ändert sich nichts. Nun drückt der Mensch seine Unruhe auf andere Weise aus und sucht seinen Frieden auf eine andere Art - entweder auf positive oder negative Weise. Nun stellt sich uns eine grundlegende Frage: Ist der Mensch ein Vertriebener, der vor langer Zeit sein 'friedliches Heim' verloren hat und nun auf jede Weise versucht, es wiederzufinden, oder ist er mit der Sehnsucht in seinem Herzen geboren, den Frieden zu finden, der über alle Versprechen geht, die ihm die Welt, in der er lebt, bietet? Wir wollen hier nun nicht alle anthropologisch-psychologischen Thesen und Fragen analysieren, da allen eine Sache gemeinsam ist: der konkrete Mensch, dem der Verstand, der freie Wille und die Seele gegeben wurden, möchte in Frieden leben, aber die Welt, die er empirisch erlebt, sichert ihm diesen Frieden nicht vollkommen zu; deshalb sucht er ihn unermüdlich und kommt von dem Wunsch nicht los, diesen Frieden zu verwirklichen. Um diesen Frieden erleben und in 'seinem friedlichen Heim' bleiben zu können, müssen alle Segmente des Menschen, d. h. der Verstand, der freie Wille, der Geist und die Seele, zufriedengestellt werden.

Dadurch unterscheidet sich der Mensch wesentlich von der Tierwelt. Die Tiere gehen nicht aus sich selbst heraus, um Frieden zu finden. Um zufrieden zu sein, genügt es, dass ihr Hunger gestillt, ihr Durst gelöscht und ihre instinktiven Bedürfnisse befriedigt werden. Sogar die blutgierigsten Tiere vergessen ihre Aggressivität, sobald ihre instinktiven Bedürfnisse befriedigt sind. Wir sollten nicht vergessen, dass die Anthropologie, Psychologie und Soziologie versuchen, den Menschen davon zu überzeugen, dass er nur ein wenig mehr als die Tiere braucht, um Frieden zu finden; aber dieses 'ein wenig mehr' übersteigt nicht die Horizonte dieser Welt. Und wieder zeigt uns die Erfahrung: je zufriedener der Mensch auf physisch-instinktiver Ebene ist, desto unruhiger, aggressiver und somit gefährlicher wird er für sich selbst und seine Umgebung, solange sein Wesen nicht von geistigen Gegebenheiten durchdrungen wird.

II. DAS BIBLISCHE BILD DES MENSCHEN

- DER UNRUHIGE VERTRIEBENE

Das biblische Bild des Menschen ist transzendental. Gott schuf den Menschen nach Seinem Bilde (vgl. Ge 1,27). Gott ermöglichte dem Menschen, mit Ihm zusammenzuarbeiten und zusammen mit Ihm seinen Frieden und sein Glück auf dieser Erde zu verwirklichen. Der Mensch hatte seinen Platz im irdischen Paradies, in dem er gemeinsam mit Gott den Frieden genoss. Allerdings geschah etwas, was in der Bibel als Erbsünde definiert wird. Der Mensch machte einen Fehler, als er nach etwas Verbotenem griff und dadurch seine Gemeinschaft mit Gott und ihre gegenseitige Gemeinschaft zerstörte. Er konnte die Gegenwart Gottes nicht mehr ertragen, da ihm Seine Schritte, beziehungsweise Seine Anwesenheit Angst machten und er sich deshalb verstecken musste. Für den Menschen hatte dies schwerwiegende Folgen. Er will seine Schuld nicht zugeben und schiebt sie auf einen anderen: der Mann, Adam, auf seine Frau, Eva, und Eva auf die Schlange-Satan, die sie betrogen hat. Und der Mensch verliert seinen Frieden, seine Existenz ist bedroht, weil sich alles gegen ihn gewendet hat und er muss das irdische Paradies, sein 'friedliches Heim' verlassen und sich als Vertriebener allen Schwierigkeiten und Problemen, einer mühseligen Arbeit aussetzen und schwerarbeitend das bittere Brot essen (vgl. Ge 3,17-19). Gemäß der Bibel genoss der Mensch also einst den Frieden, verlor ihn aber und wurde aus dem Paradies verjagt und wurde zum Vertriebenen. Die Verbannung wurde für ihn eine Pilgerreise, da ihn Gott nicht verlassen hat, sondern ihm Hoffnung schenkte, indem Er eine Frau mit einem Kind ankündigte, die das Böse besiegen und dem Menschen das verlorene Paradies, sein neues 'friedliches Heim', zurückgeben wird. Die gesamte Bibelgeschichte verweist auf einen umherirrenden Menschen, der Gott sucht, der sich offenbart, und der auf den Menschen zugeht und ihm Frieden anbietet.

Nach der Bibel steht der Mensch zwischen der Erinnerung an das Leben im Paradies und dem inneren Bedürfnis, nach dem schon auf der Erde versprochenen endgültigen Frieden, der sich aber erst im ewigen Reich Gottes offenbart, dem Reich des Friedens, der Gerechtigkeit und Wahrheit. Die Propheten strebten ständig nach Frieden, sie beteten und sangen vom Frieden, den Gott seinem Volk in Liebe schenken wird. Alle prophetischen Erwartungen hätten sich im Messias erfüllen sollen, der kommen und neue Bedingungen für den endgültigen, messianischen Frieden schaffen sollte.

In der biblischen Überlieferung werden verschiedene Pilgerorte erwähnt; Orte, an denen die Menschen ihren Gott und die Begegnung mit Ihm suchen. Es werden auch religiöse Menschenversammlungen erwähnt - die Pilgerfahrten. Eine von ihnen ist auch Sichem, in dem sich das Volk im Heiligtum Gottes versammelte und in dem der Bund mit Gott geschlossen wurde (vgl. Js 24,25). Außer Sichem wird als Versammlungsort auch Bethel genannt (1 Sam 10,3), Beerscheba (Am 5,5), sowie Ofra und Zora (Richter 6,24 und 13,19).

Später wurden alle Heiligtümer abgeschafft und das Paschafest (2 Kö 23), das Wochenfest und das Laubhüttenfest (vgl. 5 Deut 16,1-17) eingeführt, die in Jerusalem gefeiert werden. Es gibt zwei Gründe für derartige Versammlungen: das Volk vor seinem Gott zu versammeln und es vor Götzenverehrung und Häresie zu schützen. So bleibt als einziger Pilgerort der Tempel in Jerusalem. Um den Tempel versammelte sich eine Menge von Menschen aus Palästina und aus der Diaspora mit dem gleichen Ziel: dass dem Volk der richtige Glaube erhalten bleibt und es nicht von seinem Gott abschweift. An diesen Tagen wurde gebetet und der wahre Gott angebetet, die Ergebenheit zur heiligen Stadt bekundet und schließlich eine tiefe Verbundenheit des Volkes Gottes verwirklicht. Pilgerfahrten werden nicht nur als ein konkreter Besuch eines heiligen Ortes verwirklicht, an dem sich Gott offenbarte, sondern sie sind auch ein eschatologisches Ereignis. Man spricht von einem "Tag der Rettung", der als Pilgertreffen aller Völker und Ungläubigen gedacht ist. Bei dem Propheten Jesaja sagt der Herr: "Ich komme, um alle Völker und Zungen zu versammeln, dass sie kommen und meine Herrlichkeit sehen! Und ich will ein Zeichen unter ihnen aufrichten und einige von ihnen, die errettet sind, zu den Völkern senden, nach Tarsis ... Und sie werden alle eure Brüder aus allen Völkern herbringen dem Herrn zum Weihgeschenk auf Rossen und Wagen, in Sänften, auf Maultieren und Dromedaren nach Jerusalem zu meinem heiligen Berge..." (66, 18-20). Und beim Propheten Micha steht geschrieben: "Es kommt der Tag, da werden sie von Assur und von den Städten Ägyptens zu dir kommen, von Ägypten bis an den Euphrat, von einem Meer zum andern, von einem Gebirge zum andern" (7,12).

An dieser Stelle genügt es, sich die Psalmen 120 - 134 ins Gedächtnis zu rufen, um die volle Bedeutung der Pilgerfahrt für das israelische Volk zu verstehen:

"Ich freute mich, als sie zu mir sagten:
Wir gehen zum Haus des Herrn!
Unsere Füße standen dann in deinen Toren, Jerusalem.
Jerusalem, die du aufgebaut bist als eine fest in sich geschlossene Stadt,
Wohin die Stämme hinaufziehen, die Stämme Jahs, ein Mahnzeichen für Israel,
Um den Namen des Herrn zu preisen.
Denn dort stehen Throne zum Gericht, die Throne des Hauses David.
Erbittet Heil für Jerusalem!
Ruhe sollen die haben, die dich lieben!

Heil sei in deinen Festungswerken, sichere Ruhe in deinen Palästen.
Um meiner Brüder und meiner Freunde willen will ich sagen:
Heil sei in dir!
Wegen des Hauses des Herrn, unseres Gottes, will ich dein Bestes suchen. "

(Ps 122, 1-9)

Aus der biblischen Offenbarung geht klar hervor, dass der Mensch dazu aufgerufen ist, von seiner Seite aus alles zu tun, um das anzunehmen, was Gott in seiner Liebe für ihn vorbereitet hat. Deshalb ist der Mensch zur Bekehrung aufgerufen, die den Weg zum Frieden darstellt, auf dem er alles hinter sich lässt, was ihn hindert, den Frieden zu erleben und zu leben. Damit diese Bekehrung gelingt, die das Aufgeben dieser Welt, seiner Versprechen und das Öffnen zu Gott, der Frieden ist, bedeutet, musste der Einzelne, die Familie und von Zeit zu Zeit auch das ganze Volk nicht nur beten, sondern auch fasten, glauben und lieben, sich versöhnen und vergeben, um am Ende alle Schwierigkeiten zu überwinden und den Frieden zu finden, den Gott verspricht. Und all dies ereignet sich auf besondere Weise auf einer Pilgerfahrt.

Papst Johannes Paul II. schreibt über die Pilgerfahrt Israels im Dokument "Die Pilgerfahrt zum Großen Jubiläum" Nr. 8: "Dem Volke Gottes, Opfer der Entmutigung und beladen von Untreue, zeigen die Propheten auch einen messianischen Pilgerweg der Erlösung an, der auch dem eschatologischen Horizont geöffnet ist, in dem alle Völker der Erde nach Zion hinaufstreben, dem Ort des Göttlichen Wortes, des Friedens und der Hoffnung. In einer neuen Erfahrung des Exodus muss das Volk Gottes es zulassen, dass der Geist sein steinernes Herz wegnimmt und ihm eines aus Fleisch schenkt. In seinem Lebenswandel muss er Gerechtigkeit und liebevolle Treue zeigen, sich als Licht für alle Völker erheben bis zum Tag, an dem Gott, der Herr, auf dem heiligen Berg 'für alle Völker ein Festmahl geben wird'."

IV. JESUS, DER PILGER

Im Laufe der Geschichte, in der Fülle der Zeit, wird Gott selbst Mensch durch Seinen Sohn, Jesus Christus, und geht auf den Menschen zu, den Er in das "friedliche Heim" zurückführen möchte. Deshalb kann man sagen, dass auch Jesus Christus ein Pilger ist, jedoch mit einer anderen Bedeutung. Während Seiner Pilgerfahrt auf dieser Erde suchte Er nicht Gott, sondern den Menschen und bot ihm den göttlich einfachen Weg zum Frieden an, der von Gott kommt, denn Er schenkt den Frieden (vgl. Joh 14,27). Seine Menschwerdung ist der Beginn Seiner Pilgerfahrt, die in dem Augenblick fortgesetzt wird, in dem Ihn Maria und Josef in den Tempel führten, um Ihn als ihren Erstgeborenen darzustellen, wie es in der Heiligen Schrift und im Gesetz geschrieben stand, dass jeder Erstgeborene dem Herrn dargestellt werden muss (vgl. Lk 2, 22-26).

Mit 12 Jahren setzte Jesus Seine Pilgerfahrt fort. Wie es im Gesetz stand, ging Er mit seinen Eltern nach Jerusalem (vgl. Lk 2,41), um im Tempel zu beten nach dem Brauch des Festes: "Dreimal im Jahre soll erscheinen vor dem Herrn, dem Herrscher, alles, was männlich ist unter dir." (Ex 23,17) Von Zeit zu Zeit während Seines öffentlichen Lebens, machte sich Jesus an verschiedenen Festtagen zu Pilgerfahrten auf (vgl. Joh 2,13; 5,1). Jesu Aufstieg auf die Berge, Sein Fasten in der Wüste und Sein Tod auf dem Berg außerhalb der Stadt sind Stationen auf Seiner Pilgerfahrt, die auf dem Berg Seiner Himmelfahrt endet. (vgl. Mt 5, 1-2; 4, 1-11; Joh 19, 17; Apg 1, 6-12).

Er versprach Seinen Jüngern, bei ihnen zu bleiben und sandte sie an das Ende der Welt, während er Seine Anwesenheit mit Seiner eucharistischen Gegenwart verwirklicht und mit Seinem Volk durch die Geschichte bis ans Ende der Welt und ans Ende der Zeit pilgert. Im Dokument "Pilgerfahrt zum Großen Jubiläum", Nr. 30, schreibt der Papst über die Pilgerfahrt der Menschheit: "Die Wanderung der Menschheit, selbst in ihren Spannungen und Widersprüchen, ist Teil der unvermeidlichen Wallfahrt hin zum Reich Gottes, dessen Verkündigung der Kirche aufgetragen ist und von ihr mit Mut, Redlichkeit und Ausdauer durchgeführt wird, denn sie ist von ihrem Herrn aufgerufen, Salz, Sauerteig, Licht und Stadt auf dem Berge zu sein." Nur auf diese Weise werden die Wege geöffnet, auf denen "Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen" (Ps 85,11). Zu dieser Pilgerfahrt der Kirche, des Volkes Gottes und der Menschheit ist jeder Christ aufgerufen. "Gelebt als Feier des eigenen Glaubens ist die Wallfahrt für den Christen ein Ausdruck der Verehrung, die in Treue zur Tradition mit tiefem religiösem Empfinden als Verwirklichung seiner österlichen Existenz erfüllt wird." ("Pilgerfahrt zum Großen Jubiläum", Nr. 32).

Kurz gesagt, der Sinn der Pilgerfahrt liegt also in der Suche nach Gott, der sich zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedene Weise offenbarte. Damit diese Begegnung mit Gott auf der Pilgerfahrt zustandekommt, muss der Mensch sein Alltagsleben verlassen, sich auf den Weg machen und seinen Glauben im Gebet und in der Tradition feiern, damit Gott ihn von seiner alten Sünde und vom Bösen befreien kann, um sich erneut mit ihm als Pilger auf den Weg zum Reich Gottes zu machen. Deshalb muss in Pilgerorten der Gottesdienst gestaltet werden, der dann zum 'Menschendienst' wird.

V. PILGERFAHRT - AUSGANG UND AUFSTIEG

Aus dem, was bisher gesagt wurde, geht klar hervor, dass - aufgrund seiner anthropologisch-psychologischen und religiös-geistigen Wirklichkeit - alles getan werden muss, um den Menschen zu motivieren, einen Schritt nach vorne zu gehen, sich Gott zu öffnen, Ihn zu akzeptieren, Ihm zu begegnen und auf dem Weg zu Gott zu bleiben, der dem Menschen treu bleibt. Gott offenbart sich in Pilgerorten auf außerordentliche Weise durch die Bibel und besondere Menschen. Das ist, was den Menschen motiviert, sein Alltagsleben hinter sich zu lassen und sich einem solchen Ort zuzuwenden. Gott bietet dem Menschen zuerst Seine Anwesenheit mit der Absicht an, dass Ihn der die geliebte Anwesenheit suchende Mensch findet. Der die geliebte Anwesenheit erlebende Mensch wird empirisch die Befreiung von seiner Last spüren, die er sich auf seiner irdischen Pilgerfahrt als Folge der eigenen Schwäche und Sündhaftigkeit, wie auch der Sünden der anderen, aufgebürdet hat.

Nachdem man die Befreiung von den Sünden und ihren Folgen erlebt hat, sollte man der Erfahrung des Friedens, der Freude, Liebe, Hoffnung und des Vertrauens folgen und die Anwesenheit des Herrn in seinem Leben akzeptieren. Man sollte alles tun, um in dieser Anwesenheit zu bleiben, auch wenn es im Leben nicht immer einfach ist. Wird man von der göttlichen Anwesenheit getrennt, sollte man sich wieder auf die Suche nach ihr machen und sie verwirklichen. Je tiefer die Erfahrung des Friedens und der Liebe, desto leichter ist es, auf dem Weg mit Gott zu bleiben und fest entschlossen gegen alles, was einen von Gott entfernt, zu kämpfen.

Damit sich der Mensch leichter von seinen Sünden trennt und von deren Folgen befreit, ist es also erforderlich, dass jeder Pilgerort verschiedene Formen der Begegnung mit Gott anbietet. Nach der Bibel und den Erfahrungen der Propheten gibt es zuerst den AUFRUF, die Stadt zu verlassen, aus dem Alltag zu steigen und einen Ort zu suchen, an dem man Frieden und Ruhe findet. Mit anderen Worten, sollte man also in die Wüste gehen, sich dann auf den Weg zum Berg begeben, auf den Berg steigen, wo die Propheten beteten und dem Herrn begegneten, um dann wieder in den Ort - in die Stadt - zurückzukehren und die Arbeit fortzusetzen. In der biblischen Pilgerpraxis ist der wichtigste Ort doch der Tempel, der Mittelpunkt, an dem sich das gläubige Volk versammelt. An diesen Orten, zu denen sie gerufen wurden, BETETEN UND FASTETEN die Gläubigen. In den Tempel brachte man Opfer, Kulte wurden gefeiert, es kam zur VERSÖHNUNG DER MENSCHEN MIT GOTT. Nach diesen Begegnungen kehrten die Gläubigen zurück in ihre Häuser und waren bereit, ihre Aufgaben zu AKZEPTIEREN, Gutes zu tun und an die Waisen und Witwen zu denken.

Der Mensch kommt also in den Pilgerort mit seinen Wünschen, aber getragen von seinen Sünden und Schwierigkeiten, so dass man ihm ermöglichen muss, alles im Lichte der Liebe und Barmherzigkeit Gottes zu sehen, um die Wahrheit jener Worte Jesu zu erleben, mit denen Er alle Mühseligen und Beladenen aufrief, zu Ihm zu kommen, um ihnen Ruhe und Frieden zu geben (vgl. Mt 11,28). Dem Pilger muss also geholfen werden, sich auf seiner Pilgerfahrt auf den Wegen des biblischen Pilgers zu bewegen, wozu man ihm genügend Zeit geben sollte bzw. ihm nicht gestattet, alles übereilt zu tun, wie ein Tourist, der sich Sehenswürdigkeiten ansieht. Er muss innehalten, sich Zeit nehmen, auf den Berg steigen und im Tempel dem Herrn begegnen, der vergibt und ihm den Frieden zurückgibt.

VI. MEDJUGORJE - DAS HEUTIGE ANGEBOT

Im Lichte des bisher gesagten ist es nicht schwer zu verstehen, was in Medjugorje geschieht und was noch geschehen muss, bzw. wie der Gottesdienst gestaltet werden soll, wie er heute gestaltet ist, und warum man dem Medjugorje-Pilger gerade das anbietet, was ihm angeboten wird.

Tatsache ist, dass sich kein einziges Heiligtum, und so auch kein marianisches Heiligtum so entwickelt hat und sich noch immer so entwickelt wie Medjugorje. Und ich wage zu behaupten, dass kein einziges der idealen Form der Pilgerfahrt entspricht, wenn man den suchenden Menschen und den sich anbietenden Gott in Betracht zieht, wie das in Medjugorje der Fall ist (eine Ausnahme könnte die Pilgerfahrt in das Heilige Land sein, weil dort Treffen an Orten möglich sind, an denen sich Gott offenbarte und an denen Jesus wirkte).

1. DER ERSCHEINUNGSBERG

Die Muttergottes erschien das erste Mal auf dem Berg Crnica, der heute Erscheinungsberg genannt wird. Sie rief uns zum Frieden, zum Gebet und Fasten, zum Glauben und zur Liebe auf. Sie erschien Kindern, die heute schon erwachsene Menschen sind, die man treffen kann und mit denen sich die Pilger auch treffen. Alles begann mit dem Aufruf zum Frieden und dem Glauben an Gott in einem Land, in dem der Atheismus die offizielle Ideologie war. Auf der einen Seite, hat die Regierung heftig dagegen reagiert, auf der anderen Seite aber, spürte die Menge einen unglaublichen Drang, zu kommen und zu sehen, zu erfahren und zu antworten.

Der Mensch ist von Natur aus auf der Suche nach Frieden. Durch die Königin des Friedens, bietet ihm Gott diesen Frieden an, der seine tiefste Sehnsucht nach der Fülle des physisch, psychisch und geistig Guten erfüllt. Die Menschen setzten sich in Bewegung. Im biblischen Sinn ist der Erscheinungsberg auch ein Bethlehem: Ein Aufruf zum Frieden mit der Geburt Christi und als Berg ein Aufruf zum Ausgang und Aufstieg. Auf dem Erscheinungsberg erlebt der Pilger den ersten Aufruf, hier öffnet sich sein Herz zum ersten Mal in dafür gut "vorbereiteten Bedingungen". Es ist der Ort, an dem der Mensch Freude und Frieden erlebt und es gibt keinen Pilger, der diesen Ort nicht besucht. Deshalb ist für eine gut gestaltete Pilgerfahrt ein "Ausgang und Aufstieg" auf diesen Berg unerlässlich.

Auf dem Erscheinungsberg werden die freudenreichen und die schmerzhaften Geheimnisse des Rosenkranzes gebetet und man verbleibt in der Stille an einer Stelle, die als der Ort gekennzeichnet ist, an dem die Seher die Muttergottes gesehen haben. Man muss sich genügend Zeit nehmen, um auf den Erscheinungsberg zu steigen, besonders aber sollte man sich am Erscheinungsort selbst viel Zeit in Stille nehmen. In dieser Stille sollte man einige Botschaften der Muttergottes lesen, darüber nachdenken, sich Ihr weihen, d.h. Sie bewusst als Mutter annehmen, weil Sie gerade an diesem Ort so viele Male gesagt hat, dass Sie unsere Mutter ist. Man sollte sich hier Ihrem Segen öffnen, weil Sie in Ihren Botschaften wiederholt: "Ich segne euch alle mit meinem mütterlichen Segen". An der gleichen Stelle ist es auch gut, sich zu entscheiden, Maria als Lehrerin anzuerkennen, denn Sie lehrt uns und zeigt uns den Weg zu Ihrem Sohn.

Es ist wichtig in einer Gruppe hierherzukommen, aber es ist ebenso wichtig, allein zu kommen, zu beten, während des Rosenkranzgebetes mit Jesus und Maria zu verbleiben und Ihre Stimme, die uns zum Frieden aufruft, zu hören. Das ist der gleiche Frieden, zu dem die Engel aufriefen, als Jesus geboren wurde. Es empfiehlt sich besonders, beim Kreuz, das gegenüber der Station des zweiten freudenreichen Geheimnisses aufgestellt ist, für den Frieden zu beten, weil hier Marija Pavloviæ am dritten Tag der Erscheinungen, am 26. Juni 1981, die weinende Muttergottes mit dem Kreuz sah, die ständig wiederholte: "Frieden! Frieden! Frieden! Nur Frieden! Frieden zwischen Gott und den Menschen und Frieden zwischen den Menschen." Viele Pilger gehen auch nachts auf den Erscheinungsberg und berichten von wunderschönen Gebetserfahrungen. So wird das wiederholt, was Jesus oft tat, als er nachts ausging, um auf einem Berg zu beten.

2. DAS BLAUE KREUZ

Im Laufe der Zeit entstand ein weiterer Platz des stillen Gebetes, an dem viele Einzelpersonen und kleinere Gruppen Zeit im persönlichen Gebet verbringen. Der Name entstand zufällig, weil jemand ein blaues Kreuz an der Stelle aufstellte, an dem die Muttergottes erschien, als man wegen der Polizei nicht auf den Erscheinungsberg durfte. Hier traf sich auch oft die Gebetsgruppe des Sehers Ivan, wenn die Begegnung nur für seine Gruppe gedacht war und ihm die Muttergottes während dieses Treffens erschien. Auch für diesen Ort gilt wie für alle anderen Gebetsorte, dass man die Zeit im Gebet verbringt, in der Stille, also in einer Atmosphäre des Gebetes verbleibt. An diesem Ort betet auch oft Mirjana am 2. des Monats, wenn sie der Muttergottes begegnet und für die Ungläubigen betet. Das alles sind Anregungen für den Pilger, "auszugehen" an diesen Ort und hier zu beten. Es gibt auch eine praktische Seite für diesen Gebetsort. Pilger, die aufgrund ihres physischen Zustandes nicht auf den Erscheinungsberg oder Križevac steigen können, schaffen es oftmals zum Blauen Kreuz und können an diesem Ort das Gebet auf dem Berg erfahren.

3. KRIEVAC

Nach der Begegnung auf dem Erscheinungsberg, auf dem der erste Aufruf zu hören war, der in den Herzen der Seher und später in den Herzen von Millionen von Pilgern widerhallte, setzt sich der Pilgerweg im biblischen Sinne fort. Der Pilger, der sich mit seinen Schwächen und Sünden auf den Weg macht und durch die Schwächen und Sünden der anderen verletzt ist, muss seinen Weg fortsetzen, der auch der Weg Christi ist, den Er nach Bethlehem hinter sich legte. Dieser Weg führte Jesus über einen anderen Berg und einen anderen Aufstieg mit dem Kreuz auf die Spitze des Kalvarienberges. Der dem pilgernden Jesus folgende Pilger "geht hinaus und steigt" auf den Berg Krievac. Hier ist es ihm möglich, Jesus zu begegnen, der leidet und stirbt, der am Kreuz die Prüfung als König des Friedens besteht, indem Er sein Leiden mit Liebe annimmt, betet und vergibt. Hier ist auch die leidende Maria, die Ihrem Sohn treu bleibt; die liebt, wie Er liebt; die betet, wie Er betet, und vergibt, wie auch Er vergibt. Im Lichte Jesu, der den letzten Teil seines Pilgerweges zurücklegt, erkennt der Pilger auf der einen Seite die unermessliche Liebe, die für ihn leidet, und auf der anderen Seite das menschliche Böse, in dem er sich selbst, sein eigenes Verhalten und das Verhalten der anderen erkennt. Diese Erkenntnis hinterlässt keine Bitterkeit in seinem Herzen, denn auch Jesus starb nicht in Bitterkeit. Diese Erkenntnis weckt den Wunsch, zu vergeben sowie Vergebung und Versöhnung zu suchen. Mit dem Aufstieg auf den Krievac kommt der Pilger in Berührung mit Tod und Leben, Vergänglichkeit und Ewigkeit, Liebe und Hass, Gebet und Verdammung, Versöhnung und Vergeltung, Gewalttätigkeit und Barmherzigkeit, Armut und Habgier, Schwäche und Macht, Wahrheit und Lüge, dem Grab und der Auferstehung, der Güte und Bosheit des Menschen, dem Fall und dem Aufstieg. Durch eine solche Begegnung auf dem Krievac öffnet sich das Herz des Pilgers für Gott und ist bereit, seine Sünden zu bereuen, zu vergeben und um Verzeihung zu bitten. Hier erkennt der Mensch, seinen irdischen Weg mit Gott und den anderen Menschen. Ohne eine derartige Begegnung könnte der Mensch, aufgrund seiner Leiden und seines Unglücks, weder mit seinen eigenen Leiden in Berührung kommen noch sich Gott öffnen. Auf diesem Weg wird seine Seele für eine neue Begegnung vorbereitet, die im Tempel geschieht.

Man sollte sich besonders viel Zeit für das Gebet auf dem Krievac nehmen. Hier wird der Kreuzweg gebetet, der auf dem Krievac auf 16 Stationen dargestellt ist. Die erste Station zeigt den Garten von Gethsemane, die letzte die Auferstehung. Vor jeder Station sollte man beten und über Jesus und seine Zeitgenossen nachdenken, sowie in alldem sich, sein eigenes Verhalten und die einen umgebenden Menschen betrachten. Wenn man so auf den Krievac steigt, dann geht im Menschen das vor, was passieren sollte: er erkennt die erlösende Liebe Jesu, die eigene Sünde und Schwäche und auch die Notwendigkeit der Erlösung. Besonders wichtig ist es, für den Glauben zu beten, damit sich für diejenigen, die Gott lieben, alles zum Guten wendet. Man steigt nicht auf den Krievac, um sich von seinem Kreuz zu befreien, sondern um zu lernen, sein eigenes Kreuz zu tragen und anderen zu helfen, ihr Kreuz zu tragen. Wenn man auf den Krievac steigt, ist es besonders wichtig, in Stille vor dem Kreuz zu beten, um sich bewusst mit Maria zu vereinen, die unter dem Kreuz blieb und uns dazu aufrief, auch vor das Kreuz zu kommen und davor zu beten. In tiefer Sammlung vor dem Kreuz, übergeben wir Jesus unsere eigenen Wunden und die Wunden jener, die wir verwundet haben, wie auch die Leiden der Familie, der Kirche und der Welt. Speziell hier sollte man für die geistige und seelische Heilung beten.

"Liebe Kinder!

Heute lade ich euch auf besondere Weise ein, das Kreuz in die Hände zu nehmen und die Wunden Jesu zu betrachten. Bittet Jesus, dass er eure Wunden heilt, die ihr, liebe Kinder, in eurem Leben durch eure Sünden und die eurer Eltern bekommen habt. Nur so werdet ihr, liebe Kinder, verstehen, dass die Welt die Heilung des Glaubens an Gott, den Schöpfer, braucht. Durch das Leiden und den Tod Jesu am Kreuz werdet ihr verstehen, dass auch ihr nur durch das Gebet zu echten Aposteln des Glaubens werden könnt, wenn ihr in Einfachheit und Gebet den Glauben, der eine Gabe ist, lebt. Danke, dass ihr meinem Ruf gefolgt seid!" (25. März 1997)

Das ist der Ort vollkommener Sammlung und geistiger Besonnenheit. Deshalb entspricht es nicht dem Pilgergeist, auf dem Krievac oder bei dem Kreuz zu reden, zu essen oder zu trinken, was leider viele als Abschluss ihres Aufstiegs auf den Krievac oft tun. Es ist auch gegen jeglichen Pilgergeist, dort etwas zu verkaufen oder zu kaufen oder Abfall zu hinterlassen. Auch der Abstieg vom Krievac sollte in völliger Sammlung erfolgen, so wie auch Maria gesammelt war, als Sie vom Kalvarienberg zurückkehrte nach allem, was Sie dort erlebt hatte und nachdem Sie Ihren Sohn beerdigt hatte. Beim Abstieg könnte man den Rosenkranz der sieben Leiden der Heiligen Jungfrau Maria beten. Nach einem solchen Auf- und Abstieg vom Krievac ist die Seele des Pilgers bereit für neue Begegnungen.

In der Kirche begegnet der Pilger dem auferstandenen Herrn, der Seinen Jüngern die Macht gibt, Sünden zu vergeben und die Gläubigen mit der Eucharistiefeier zu nähren.

4. DIE BEICHTE

Es ist kein Zufall, dass Medjugorje für viele Pilger zum Ort der Beichte und der Bekehrung geworden ist. Deshalb ist es wichtig, den Pilgern zu helfen, sich durch eine gründliche Prüfung des Gewissens auf die Beichte vorzubereiten. In ihrer Seele sind sie schon bereit zu bereuen, zu vergeben und Vergebung zu suchen, zur vollkommenen Reinigung der Seele und des Herzens und zur Versöhnung mit Gott und den Menschen. Wichtig ist neben der Vorbereitung auch, dass die Priester ihnen immer zur Verfügung stehen und dass sie sich bewusst genügend Zeit für jede Beichte nehmen. Der Priester nimmt die Beichte ab und sollte nicht nur die Sünde aufzeigen, sondern den Pilger im Geiste Mariens anregen, Sünden nicht nur zu meiden, sondern auch im Guten zu wachsen, denn das Leben eines Christen ist nicht nur ein Kampf gegen die Sünde, es ist auch ein unermüdlicher Kampf für das Gute. Mit anderen Worten, von den Botschaften ausgehend ruft Maria nicht nur dazu auf, eine Welt ohne Krieg und Konflikte, Hass und Bösem zu schaffen, sondern aktiv an der Verwirklichung des Friedens, der Liebe und der Gerechtigkeit mitzuwirken. Wer daran nicht aktiv teilnimmt, auch wenn man nicht wegen eines Konfliktes sündigt, begeht eine Sünde, weil er nicht aktiv genug an der Schaffung des Guten mitwirkt.

Maria ruft uns klar zur Beichte auf wenn Sie sagt:

"Liebe Kinder!

Ich lade euch ein, die Türe eures Herzens zu öffnen, wie die Blume sich der Sonne öffnet. Jesus möchte eure Herzen mit Frieden und Freude erfüllen. Ihr könnt, meine lieben Kinder, den Frieden nicht verwirklichen, wenn ihr nicht mit Jesus im Frieden seid. Deshalb lade ich euch zur Beichte ein, damit Jesus eure Wahrheit und euer Friede sei. Meine lieben Kinder, betet, dass ihr Kraft habt zu verwirklichen, was ich euch sage. Ich bin mit euch und liebe euch. - Danke, dass ihr meinem Ruf gefolgt seid!"(25. Januar 1995)

5. DAS ABENDLICHE GEBETSPROGRAMM

Den ersten Teil des Abendprogrammes bildet das Rosenkranzgebet. Das ist die Zeit der Vorbereitung auf die heilige Messe. Die Muttergottes selbst forderte uns auf, uns auf die hl. Messe vorzubereiten. Während dieser Zeit und in dieser Atmosphäre des Gebets, gehen viele Gläubige zur Beichte. Während dieser Vorbereitung im Gebet ist auch die Zeit der Erscheinung. Die Gläubigen versammeln sich, da die Muttergottes kommt; Sie betet und segnet alle und bereitet somit durch Ihre Anwesenheit die Gläubigen auf die Feier der hl.Messe vor.

Die hl. Messe ist so gestaltet, dass es allen Gläubigen verschiedener Sprachen möglich ist, so aktiv wie möglich an der Messe teilzunehmen. Die Evangelien werden in den Sprachen der Pilger gelesen wie auch, soweit möglich, die Gebete der Gläubigen. Auch die Lieder werden so gewählt, dass möglichst viele Pilger mitsingen können.

Nach der hl. Messe werden das Glaubensbekenntnis, sieben Vaterunser, Gegrüßet seist du, Maria und Ehre sei dem Vater gebetet, gefolgt vom Heilungsgebet. Die Muttergottes forderte uns auch dazu auf, die Kirche nach der Messe nicht gleich zu verlassen, sondern noch etwas bei Jesus zu bleiben. Das ist die beste Zeit, für die Heilung zu beten, weil wir vor der Kommunion zu Jesus gesagt haben: "Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund." Während dieses Gebetes geschehen viele innere Heilungen, es gibt auch physische Heilungen. Zum Schluss werden die freudenreichen Geheimnisse gebetet. Diese Geheimnisse werden am Ende des Gebetsprogrammes und am Ende des Tages gebetet, damit die Seele und Herz das vorausahnen, was den Menschen nach dem Tod erwartet, an der Feier des auferstandenen Herrn teilzunehmen und seinen geistigen Blick auf Maria zu richten, die glorreich in den Himmel aufgenommen und zur Königin gekrönt wurde. Auf diese Weise öffnen sich Seele und Herz dem Leben Gottes und der Hoffnung, die Trost und Kraft gibt, unseren irdischen Lebensweg weiterzugehen bis zum endgültigen Sieg.

Ein solches Programm wollte die Muttergottes. Deshalb sollte man den Pilgern empfehlen, am ganzen Gebetsprogramm teilzunehmen. Es ist nicht so wichtig, dass jedes Wort verstanden wird, da man ein Geheimnis nicht verstehen, sondern nur mit dem Herzen erfassen kann. Das wissen alle, die am ganzen Programm teilgenommen haben. Es kommt vor, dass manche Pilger nicht an der hl. Messe teilnehmen unter dem Vorwand, sie nicht zu verstehen oder dass etwas anderes zur selben Zeit organisiert wurde - eine Begegnung oder ein Abendessen. Es gibt auch Pilger, die am Programm teilnehmen, aber während der hl. Messe um die Kirche spazieren und auf das Heilungsgebet warten. Das muss vermieden werden. Man sollte am ganzen Abendprogramm teilnehmen, damit man versteht, was die Muttergottes wünscht.

6. EUCHARISTISCHE ANBETUNG

Viele lernten gerade als Pilger in Medjugorje zum ersten Mal in ihrem Leben die wahre Bedeutung der eucharistischen Anbetung kennen - die Begegnung mit Jesus, der im göttlichen Brot bei Seinem Volk blieb. Bei all diesen Begegnungen auf dem Erscheinungsberg, auf dem Križevac und in der Kirche begegnete der Pilger sich selbst in verschiedenen Dimensionen und sprach von einem Neubeginn seines Lebens mit Gott, was auch das Endziel jeder Pilgerfahrt darstellt.

In der Kirchentradition existiert noch eine weitere Art der Begegnung mit Jesus - die eucharistische Anbetung. Die Muttergottes fordert und auf, Jesus, Ihren Sohn, anzubeten:

"Auch heute abend, liebe Kinder, bin ich euch auf besondere Weise dankbar, dass ihr da seid. Betet ohne Unterlass das Allerheiligste Sakrament des Altares an! Ich bin immer anwesend, wenn die Gläubigen das Allerheiligste anbeten. Dabei werden besondere Gnaden erteilt."(15. März 1984)

Von der Pfarrgemeinde forderte Sie auch die Anbetung jeden Donnerstag nach der hl. Messe. Der Donnerstag ist immer ein besonderer Tag für die Eucharistie und das Priestertum. Die Muttergottes spricht auch von Ihrer Anwesenheit in diesen Augenblicken und lädt uns ein, uns in Jesus in der Eucharistie zu verlieben. Nur derjenige, der verliebt ist, hat Zeit:

"Liebe Kinder!

Heute lade ich euch ein, euch in das Allerheiligste Sakrament des Altares zu verlieben. Betet Ihn, meine lieben Kinder, in eure Pfarreien an und so werdet ihr mit der ganzen Welt verbunden sein. Jesus wird euch zum Freund werden und ihr werdet nicht über Ihn sprechen, wie über jemanden, den ihr kaum kennt. Die Einheit mit Ihm wird euch zur Freude und ihr werdet Zeugen der Liebe Jesu, die Er für jedes Geschöpf hat. Meine lieben Kinder, wenn ihr Jesus anbetet, seid ihr auch mir nahe. - Danke, dass ihr meinem Ruf gefolgt seid!"(Botschaft vom 25. September 1995)

Im Laufe der Zeit wurde auch die Anbetung am Mittwoch und Samstag abend eingeführt sowie zur Vigil vor großen Feiertagen. In der Anbetungskapelle finden viele Pilger eine Zeit der Stille und begegnen Jesus in der Eucharistie. Viele Gläubige haben eigentlich in Medjugorje die eucharistische Anbetung zum ersten Mal erlebt und haben diese Erfahrung dann in ihre Gebetsgruppen übernommen und mit der Zeit auch in die Pfarrgemeinden. Es gibt schon Pilgergruppen, die in ihren Pfarrgemeinden die immerwährende Anbetung organisiert haben. Die Anbetung ist an sich die Begegnung mit Jesus im eucharistischen Brot. Wenn der Pilger alleine anbetet, ist es gut, mit so wenig Worten wie möglich in die Stille einzutauchen und vor Jesus zu verweilen. Oft wird auch die Erfahrung des Hl. Johannes Vianney, dem Pfarrer von Ars, erwähnt: "Ich schaue ihn an und er schaut mich an." Vor Jesu in Stille zu verweilen bedeutet, in das Geheimnis Seiner eucharistischen Anwesenheit einzutauchen, Hast - sei es die innere oder äußere Hast - zu vermeiden und die Ewigkeit zu erfahren. Wenn man in einer Gruppe anbetet, dann ist es nötig, kurze Meditationen einzuschieben, die helfen, in die Anwesenheit Jesu einzutauchen, sowie Meditationslieder und langes Schweigen. Die Anbetung sollte nicht mit Betrachtungen in Form einer Predigt überfüllt werden. Man sollte nicht den Rosenkranz oder Litaneien beten, sondern man sollte die einfachsten Gebete und Lieder verwenden, damit die Seele Zeit hat, in die Stille einzugehen.

Bei der Organisation von Pilgertagen in Medjugorje sollte man darauf achten, dass der Pilger nicht durch zu viele Vorträge, Begegnungen u. ä. gebunden wird. Man sollte ihm vielmehr dabei helfen, auch für diese Art von Begegnung mit Gott Zeit zu finden.

7. DIE KREUZANBETUNG

Neben der Begegnung mit Jesus auf dem Krievac, wo der Pilger dem leidenden Jesus begegnet und Ihn auf Seinem Kreuzweg begleitet, ist in der Kirche jeden Freitag nach der hl. Messe die Kreuzanbetung, gefolgt vom Heilungsgebet. Das ist erneut ein geeigneter Augenblick, für den Pilger vor dem Zeichen der Liebe Jesu zu verweilen und dem Kreuz unseres Herrn Jesus Christus zu begegnen, von dem das Heil kommt.

"Liebe Kinder!

Ich möchte euch bitten, in diesen Tagen das Kreuz in den Mittelpunkt zu stellen. Betet besonders vor dem Kreuz, denn von ihm kommen große Gnaden. Weiht euch jetzt in euren Häusern besonders dem Kreuz! Versprecht, dass ihr weder Jesus noch das Kreuz beleidigen oder durch Schmähungen verspotten werdet! - Danke, dass ihr meinem Ruf gefolgt seid!"(12. September 1985)

Das ist ebenfalls ein wichtiger Teil des Pilgerprogramms, weil es leicht passieren kann, daß ein Gläubiger dem leidenden Jesus überhaupt nicht begegnet. Wer sich nicht mit Jesus im Leid vereint, wird Schwierigkeiten haben, in das Geheimnis der Liebe einzutauchen, die leidet und die durch die Auferstehung siegt.

Schaut man sich das Abendprogramm vom Donnerstag und Freitag wie auch das vom Samstag mit der abendlichen Anbetung an, wird man eigentlich die drei heiligen Tage vor Ostern erkennen - den Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag - mit der Liturgie der Vigil und dem Warten auf den Ostermorgen. Deshalb kann der Sonntagmorgen ein freudiger Sieg über das Böse und die Sünde, über den Tod und das Dunkel sein, weil man mit Jesus Seine Leiden durchgemacht hat vom Gründonnerstag, dem Tag der Gründung der Eucharistie, vom Karfreitag, Seinem Tod, und vom Karsamstag - dem Tag der Vorbereitung auf die Auferstehung.

Auf diese Weise kann man die ganze Fülle der Schule der Muttergottes entdecken. Sie möchte uns führen und uns helfen, Jesus zu begegnen, der unser Leben und unsere Auferstehung ist.

8. DIE ZEUGEN DER ANWESENHEIT DER MUTTERGOTTES

Der Medjugorje-Pilger hat nicht nur die Gelegenheit, an allen Orten zu sein, an denen Gott den Menschen durch die Erscheinungen Mariens näherkam, sondern er kann auch die Personen kennenlernen, durch die Er mittels Maria zu uns spricht - die Seher. Sie sind wichtige Zeugen und eine große Hilfe auf dem Weg der Begegnung mit Gott. Ihr Zeugnis ist deshalb von großer Bedeutung. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Botschaften der Muttergottes einfach zu übermitteln und über ihre Erfahrungen zu sprechen. Aber sowohl die Seher als auch die Pilger müssen darauf achten, diese Grenze der Botschaften und der persönlichen Erfahrung nicht zu überschreiten. Es wäre sehr gefährlich, wenn sich die Seher in Spezialisten für alle Fragen verwandeln würden, und auf alle Antworten geben würden. Dann könnte es nämlich leicht geschehen, dass sich die Begegnungen mit ihnen in Begegnungen mit Menschen verwandeln, die alles wissen oder in Orakel, bei denen man Antworten sucht, aber die Botschaften nicht hört. Das würde die Pilger irritieren, weil sie nicht zwischen der Botschaft der Muttergottes und den persönlichen Meinungen der Seher unterscheiden könnten. Diese Begegnungen sind sicherlich auch ein wenig getragen von der Neugier, die den Pilger antreibt. Die Neugier selbst, die jeder Mensch in sich trägt, ist etwas Positives, sie motiviert den Pilger, sich leichter zum "Ausstieg aus seinem Alltag" zu entscheiden. Aber diese Neugier muss zur Anregung für weitere Begegnungen mit Gott werden, der auf diese Weise zum Volk spricht. (Wen macht die Begegnung mit Personen, die behaupten, tägliche Begegnungen mit der Muttergottes zu haben, nicht neugierig?) Die Neugier gibt dem Menschen die Fähigkeit, zu hören, zuzuhören und das, was er Gott sagen hört, leichter zu verstehen. Deshalb ist es wichtig, dass der Weg über den Berg bis zur Begegnung in der Kirche fortgesetzt wird im Erleben der sakramentalen Wirklichkeit.

Ich bin überzeugt davon, dass es für den Medjugorje-Pilger als Anregung ausreicht, nur einen der Seher zu treffen. Man sollte vermeiden, ständig den Sehern nachzulaufen und ihre Bedeutung zu überschätzen. Es besteht die Gefahr, dass um die Seher herum ein "Freundeskreis" entsteht, der die Nähe zu den Sehern ausnutzen könnte, um dadurch von den Pilgern mögliche Geschäfte und Gewinne zu erzielen; z. B. dass die Pilger, die im Haus der Seher wohnen, mehr zahlen müssen oder sich als besonders privilegiert betrachten. Solchen und ähnlichen Gefahren muss aus dem Weg gegangen werden zum Wohl der Seher, der Pilger und schließlich zum Wohl der Botschaft, die sie übermitteln.

9. ZEICHEN UND WUNDER

Es ist eine Tatsache, dass viele Pilger in Medjugorje bezeugen, besondere Zeichen am Himmel oder am Kreuz gesehen zu haben oder eine besonders intensive Anwesenheit Mariens und Ihrer Aufrufe gespürt zu haben. Obwohl es natürlich nicht einfach ist, zu sagen, was wirklich geschieht, muss trotzdem betont werden, dass dies auch ein wichtiger Faktor einer Pilgerfahrt ist. Allerdings gilt auch hier die Regel, dass das letzte Kriterium vor allem das ausmacht, was der Pilger nach der Erfahrung der außerordentlichen Eingriffe Gottes tut. Dies gilt auch für die geistigen, seelischen und physischen Heilungen. Diejenigen, die solche Heilungen erfahren haben, regen mit ihrem Zeugnis den Glauben und die Neugier an und motivieren die Menschen dazu, aus ihrem täglichen Leben und ihren Aufgaben kurz auszusteigen und sich in Richtung des Ortes und der Menschen zu bewegen, die durch außerordentliche Eingriffe Gottes das Ziel vieler Pilger geworden sind.

10. BROT UND WASSER

Ein besonderes Zeichen der Pilgerfahrt ist auch die Botschaft der Muttergottes, bei Brot und Wasser zu fasten. Brot ist das Hauptnahrungsmittel des Menschen und damit auch das Symbol des Lebens. Wasser ist ebenfalls unersetzbar im Leben des Menschen. Es gilt besonders als Zeichen für die geistige Reinigung. Allein schon in diesen beiden Wirklichkeiten und Zeichen ist eine Botschaft enthalten: kehrt um zum Leben und lebt, kommt heraus aus eurer Unreinheit und reinigt euch.

Einfach gesagt sind wir dazu aufgerufen, zwei Tage vollkommen bewusst bei Brot und Wasser zu leben. Das ist das ideale Fasten. Wer dies wortwörtlich nimmt und es lebt, tut seiner Seele und seinem Körper sicherlich nur Gutes, aber man muss trotzdem auch das tägliche Leben, die Probleme und Schwierigkeiten in Betracht ziehen. Dieser Aufruf ist sicherlich auch ein Aufruf dazu, in vollkommener Freiheit und Verantwortung darauf zu antworten. Brot und Wasser waren auch die Grundnahrungsmittel des Pilgers in frühen Zeiten. Er konnte nichts anderes mit sich tragen, wenn er mehrere Tage oder Wochen zu Fuß unterwegs war. Bei Brot und Wasser lebend, reinigte sich der Mensch und so wurde es ihm möglich, Gott zu begegnen. Es verließ seinen Alltag und besuchte die Orte, an denen sich Gott offenbarte, wie auch die Menschen, denen Er sich offenbarte.

11. DIE GEMEINSCHAFT "CENACOLO"

Eine sehr wichtige Begegnung für die Pilger ist auch das Treffen mit den Jugendlichen, die sich in der Gemeinschaft von Schwester Elvira befinden. Sie sind ein konkretes Beispiel ihrer Drogenabhängigkeit und ihrem Weg vom Tod ins Leben, von der totalen Versklavung, der Kriminalität und Gottlosigkeit in die Freiheit und in den Frieden, den Gott gibt, wenn sich Ihm der Mensch öffnet. Hier werden sich viele Pilger, vor allem aber Eltern, ihrer Rolle bewusst und sehen ihre möglichen Fehler in der Erziehung ihrer Kinder, aber auch die Hoffnung, dass sich alles zum Guten wendet. Für die Jugendlichen ist diese Begegnung auch sehr wichtig, weil in den aufrichtigen Zeugnissen der Abhängigen alle Gefahren der modernen Übel - der Drogen und des Alkohols - erkannt und verstanden werden. Jeder von ihnen und alle zusammen sind ein besonderes Zeichen für das, was im Menschen passiert, wenn er Gott begegnet und sich für Ihn entscheidet. Oft geschieht es, dass die Pilger nach der Begegnung mit der Gemeinschaft zur Beichte gehen möchten oder ein Gespräch mit dem Priester suchen, weil sie ihre Fehler erkannt haben oder einen Rat brauchen. Diese Station auf der Pilgerfahrt durch Medjugorje hilft vielen: sie kehren zurück nach Hause und sind sich ihrer Verantwortung bewusst, aber auch der Gefahren, die den Menschen auf seinem Weg zum Frieden aufhalten können, weil sich jede Art von Abhängigkeit gerade darin offenbart, dass der Mensch abhängig ist, gefangen und eingesperrt in Horizonten dieser Welt. Hier erscheint die tiefe Sehnsucht, den Weg in die Freiheit fortzusetzen und sich für den Kampf gegen die Versklavung zu entscheiden.

VII. DIE SITUATION DER MENSCHHEIT UND DER WELT - DER WUNSCH NACH DEM AUSWEG

Dies alles geschieht und gestaltet einen Pilgerort und eine Art der Pilgerfahrt mit allen Dimensionen, die der Mensch in sich trägt. Wenn wir uns bewusst werden, dass sich dies am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ereignet, werden die Dinge noch interessanter und verständlicher. Der Mensch, der Gott sucht, ist heutzutage mit einer Vielzahl von Angeboten überschwemmt, die ihm in seinem Alltagsleben mit dem Verlust für den Sinn des Lebens, dem Fallen in das Dunkel der Hoffnungslosigkeit und schließlich mit Erstickung und Tod drohen. Je mehr der Mensch sich von Gott entfernt, desto mehr sucht er Ihn und wird empfindlicher auf alle Angebote, die ihm Sicherheit bieten und Frieden versprechen. Der Mensch geht immer mehr aus seinem Alltag heraus, wenn nicht als einer der Gott sucht, dann auf alle Fälle als jemand, der im Genuss von Rauschmitteln, die ihn von sich selbst, von seinen menschlichen und christlichen Werten entfremden und gefangen halten. Drogen und Alkohol, Pansexualismus und Hedonismus, die Jagd nach Macht und Geld sind nichts anderes als eine "Pilgerfahrt" aus der Wirklichkeit in die Unwirklichkeit, aus der Hoffnung in die Hoffnungslosigkeit, aus der kreativen Zusammenarbeit mit Gott in das zerstörerische Verhalten sich selbst und anderen gegenüber. Die zunehmende Zahl der Selbstmorde und des legalisierten Tötens ungeborenen Lebens - sogar bis zum Moment der Geburt - sind nichts anderes als der Versuch des Menschen, einen neuen Raum für sich zu schaffen, in dem er glaubt der Monotonie seines Eingesperrtseins in den Horizonten dieser Welt entfliehen zu können. Die Gewalt, die sich in Kriegen und täglichen Morden ausdrückt, ist ebenfalls ein Beweis dafür, dass die Rahmen, in denen sich der Mensch bewegt, zu eng geworden sind und dass er einen geeigneten Lebensraum sucht - aber immer ohne Gott.

Außer diesen katastrophalen Versuchen des Menschen, irgendwie seinen Alltagsrahmen zu sprengen, erscheinen am Ende dieses Jahrhunderts und Jahrtausends die Theorien der "neuen Zeit" (New Age!), und werden auch angenommen, weil sie dem Menschen Heil und Frieden versprechen, aber ohne eine Bekehrung zu Gott. Viele meditative Bewegungen, die vor allem junge Menschen anziehen, versprechen Frieden und Heil, indem man in sich geht und seine eigenen Kräfte und Energien findet und aktiviert. Während die einen ein neues Zeitalter, das kommen wird, versprechen, sehen die andere Katastrophen und apokalyptische Geschehen auf sich zukommen, in denen viele Menschen und viele Völker von der Erdoberfläche verschwinden werden und nur einige oder auserwählte oder zufällige Glückspilze überleben werden.

VIII. PILGERFAHRT IN DAS DRITTE JAHRTAUSEND

Papst Johannes Paul II. ruft unermüdlich alle Christen und alle Menschen auf, sich auf das dritte Jahrtausend vorzubereiten, aber mit Jesus und Maria. In der Enzyklika "Mutter des Erlösers" (1987) geht es um Maria, die mit der Kirche pilgert, die Ihr zweites Kommen lebt und als Mutter, Lehrerin und Pilgerin die Kirche auf den 2000. Geburtstag Ihres Sohnes vorbereitet, denn Sie kann uns am besten auf die Begegnung mit Jesus vorbereiten, den Sie als Seine Mutter und Lehrerin besser kennt als alle anderen Heiligen.

Wenn dieses Wort des Papstes irgendwo Anwendung finden kann und wenn irgendwo Mariens Pilgerfahrt verwirklicht wird, dann ist das in Medjugorje. Hier kommt Sie täglich als "Pilgerin" und erscheint schon seit fast 18 Jahren und lehrt das Volk Gottes zu beten und zu fasten, zu pilgern und Gott zu finden und zu Ihm mit ganzem Herzen zurückzukehren. In der Botschaft vom 25. August 1998 (nach 17 Jahren und zwei Monaten Ihrer Anwesenheit in Medjugorje) sagt Maria:

"Liebe Kinder!

Heute lade ich euch ein, mir durch das Gebet noch näher zu kommen. Meine lieben Kinder, ich bin eure Mutter, ich liebe euch und ich wünsche, dass jeder von euch gerettet wird und so mit mir im Himmel sei. Deshalb, meine lieben Kinder, betet, betet, betet, bis euer Leben zum Gebet geworden ist. Danke, dass ihr meinem Ruf gefolgt seid!"

Medjugorje ist also ein Pilgerort im wahrsten Sinn des Wortes, sowohl was die Offenbarungen Gottes betrifft als auch die menschlichen Bedürfnisse und die Möglichkeit, Gott zu begegnen und auch als Antwort auf alle Aufrufe des Papstes, die Welt auf den Eintritt in das dritte Jahrtausend vorzubereiten.

IX. WARNUNGEN UND ANMERKUNGEN

Man sollte auch auf die Gefahren hinweisen, die es an jedem Ort gibt, an dem sich viele Menschen versammeln. Auch Medjugorje ist da keine Ausnahme. Man sollte auf der einen Seite aufpassen, dass die Botschaften rein bleiben und ihre klare konkrete Anwendung in der Liturgie findet (Gebet, Messe, Anbetung, Beichte, Aufstieg auf die Berge), auf der anderen Seite sollten die Protagonisten demütig bleiben und offene Werkzeuge, durch die Gott wirkt. Auf alle Fälle sollte darauf geachtet werden, dass die Botschaft nicht durch Materialismus, den Geist des Tourismus, die Jagd nach dem Geld und Kommerzialisierung erstickt wird. Die Begleitpersonen der Pilger sollte man darauf hinweisen, daraus kein "Geschäft" zu machen und auch jene, die die Pilger aufnehmen, sollten den Grund ihres Kommens nach Medjugorje nicht vergessen. Allen ist klar, dass dort, wo die Jagd nach Geld stattfindet und wo man den weltlichen Konkurrenzgeist einbringt, der wahre Pilgergeist in Gefahr ist. Besonders sollte darauf geachtet werden, dass die menschliche Neugier nicht missbraucht wird, sondern dass sie vielmehr auf die richtige Weise kanalisiert und geleitet wird. Ohne Übertreibung kann gesagt werden, dass das Geistige in Medjugorje noch immer erkennbar ist und dass die oben aufgezählten Gefahren es nicht geschafft haben, es zu ersticken.

X. WENN DER PILGER WIEDER ZU HAUSE IST

Nach seiner Rückkehr, muss der Pilger darauf achten, auch weiterhin im gleichen Geiste zu leben und von Fanatismus und Elitismus abzusehen, d. h. keine von der Pfarrgemeinde getrennten Gruppen zu bilden. Ein Pilger sollte sich für das persönliche Gebet und das Gebet in der Familie entscheiden, sich einer Gebetsgruppe anschließen und nach Möglichkeit ähnliche Bedingungen für das Gebet schaffen. Medjugorje wurde der Menschheit nicht gegeben, um etwas besser zu wissen, sondern um das Evangelium von Jesus Christus, dem einzigen Erlöser, besser zu leben.

Neben möglichen Ausnahmen kann auch hier ohne Übertreibung gesagt werden, dass überall danach gestrebt wird, im Geiste der Botschaften Mariens zu bleiben und das Evangelium weiterzuleben. Auch hier hat Medjugorje etwas geschaffen, was von äußerster Wichtigkeit ist. Die Priester von Medjugorje und teilweise auch die Seher organisieren Begegnungen in der ganzen Welt, an denen Tausende Gläubige teilnehmen und denen geholfen wird, auf dem richtigen Weg zu bleiben. So etwas organisiert kein anderes Heiligtum.

Auch diese Begegnung hier hat nur den einen Zweck, dass wir uns unserer Rolle in diesem großartigen Eingriff Gottes bewusster werden und dass wir sie würdig ausführen. In der Hoffnung, dass Gott uns durch Maria auch weiterhin in dem, was er unter uns begonnen hat, leiten wird, sagen wir mit Maria: "Dein Wille geschehe! Ich bin bereit, alles zu tun, was Du mir sagst, aber hilf mir zu verstehen, was Du von mir forderst."

Zum Seitenanfang

1. Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, Pilgerfahrt im großen Jubeljahr 2000, Nr. 23, Dokumente 113, KS, Zagreb, 1998.

2. ibid., Nr. 2.

3. ibid., Nr. 2.

4. ibid., Nr. 3.

5. ibid., Nr. 43.

6. Vergl. A. Rebic, "Das Phänomen der Wallfahrt in der Bibel und im Islam", in Bogoslovska smotra 54, 1984, S. 516; T.G. Pinches, "Wallfahrt", in James Hastings, Encyclopaedia of Religions and Ethics, Bd. X, 12a Edinburgh, 1918; "Pellegrinaggio", in Enciclopedia cattolica. Siehe auch in anderen großen Religions-enzyklopädien bzw. -Lexika.

7. A. Rebic, gen. Artikel, S. 517; F. Heiler, "La priere", Paris, 1931, S. 150; J. P. Steffes, Wallfahrt und Volkstum in Geschichte und Leben, hsg. G. Schreiber, Düsseldorf, 1934, S. 184 - 216.

8.Vgl. Pilgerfahrt..., Nr. 6.

9. ibid., Nr. 8.

10.Papst Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 18.

11. Pilgerfahrt, Nr. 9.

12. vergl.ibid., Nr. 10.

13. ibid., Nr. 11.

14. 7 Vgl. Eph 2,19; 1Pt 2,11; Hebr 13,13-14; Off 21,4. Pilgerfahrt, Nr. 11.

15. ZweitesVatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 9, vgl. Bemerkung Nr. 2

16. Pilgerfahrt, Nr. 12; Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio Millenio Adveniente, Nr. 25.

17. Pilgerfahrt, Nr. 13.

18. Im 4. und 5. Jahrhundert erscheinen große organisierte Pilgerfahrten an heilige Orte in Palästina und an Grabstätten großer Märtyrer. Aus dieser Zeit gibt es Reiseberichte wie die Pilgerfahrt Eterias an heilige Orte (aus dem 4. Jh.) oder den Reisebericht eines anonymen Pilgers aus Bordeaux (aus dem 4. Jh.) sowie zahlreiche andere Reiseberichte aus dem Heiligen Land.

19. Gregor von Nyssa, Brief 2,18; Christliche Quellen 363,122; Migne, Patrologia Graeca 46,1013.

20. Hl. Augustin, De vera religione, 39, 72 in CCL 32,234; Migne, Patrologia Latina, 34,154.

21. Hl. Hieronimus, Brief 58, 2 - 3; CSEL 54,529 - 532; PL 22,580 - 581; Pilgerfahrt, Nr. 13.

22.Vgl. Pilgerfahrt, Nr. 14; Johannes Paul II., Rede anlässlich des Wienbesuches am 10. September 1983 in AAS 76 (1984), S. 140.

23. Pilgerfahrt, Nr. 14; A. Rebic, "Wallfahrten heute", in Cana 29 (1998), Nr. 11/316, Oktober 1998, S. 30.

24. Pilgerfahrt, Nr. 14.

25. ibid., Nr. 16.

26. Ibid., Nr. 17.

27. Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils an die Welt, 8. Dezember 1965, in AAS 58 (1966) S. 11: Pilgerfahrt, Nr. 19.

28. II. Vatikanische Konzil; Dogmatische Konstitution Sacrosantum Concilium, Nr. 2.

29. vgl. Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 7 - 9; Ad Gentes, Nr. 5; Pilgerfahrt, Nr. 20.

30. vgl. Dogmatische Konstitution Lumen gentium, Nr. 8.

31. II. Vatikanisches Konzil; Ad Gentes, Nr. 2; Lumen Gentium, Nr. 17.

32. Pilgerfahrt, Nr. 21.

33. ibid., Nr. 23.

34. ibid., Nr. 30; hl. Augustinus Konfessionen 1,1 in: CCL 27,1; PL 32,661; XIII. 38,53: CCL 27,772; PL 32, 868.

35. Pilgerfahrt, Nr. 24.

36. ibid., Nr. 25.

37. ibid., Nr. 30.

38. ibid., Nr. 26-28.

39. ibid., Nr. 31.

40. ibid., Nr. 32; Kongregation für den göttlichen Kult, "Richtlinien und Vorschläge zur Feier des marianischen Jahres"(April 3,1987), in Notitiae 23 (1987), S. 342-396.

41. Pilgerfahrt, Nr. 34-35.

42. Johannes Paul II., "Brief zum siebenten Jahrestag don Loreto", in Insegnamenti di Giovanni Paolo II., XVI, 2 (1993) 533; Pilgerfahrt, Nr. 33, 36; Johannes Paul II.; "Homilie in der Basilika in Aparecidi, Brasilien, in Insegnamenti di Giovanni Paolo II., 2 (1980), 99.

43. Pilgerfahrt, Nr. 35.

44. ibid., Nr. 38 - 41.

45. ibid., Nr. 39; Papst Johannes Paul II., Redemptor Hominis, Nr. 37.