Predigten des Apostolischen Nuntius für Bosnien und Herzegowina, Erzbischof Luigi Pezzuto, bei den Gottesdiensten in der Silvesternacht und am Weltfriedenstag in Medjugorje

Datum: 02.01.2019.

Das neue Jahr 2019 begann für tausende Pilger in Medjugorje mit einem Gottesdienst in der Kirche des hl. Jakobus. Angereist aus aller Welt, füllten sie zu Silvester und am Neujahrstag nicht nur die Ortskirche, sondern auch die Halle des Hl. Johannes Paul II. und den Platz vor dem Außenaltar der Kirche. Fern von Feuerwerken und Lärm, Eile und Hast, erwarteten sie das Neujahr mit Gebet.

Den Gottesdienst zur Jahreswende leitete der Apostolische Nuntius in Bosnien und Herzegowina, Erzbischof Luigi Pezzuto, in Konzelebration mit dem Apostolischen Visitator für Medjugorje, Erzbischof Henryk Hoser, dem Provinzial des Franziskanerordens in Bosnien und Herzegowina, Pater Miljenko Šteko OFM, dem Pfarrer von Medjugorje, Pater Marinko Šakota OFM und weiteren 102 Priestern.

Auch am 1. Jänner, dem Weltfriedenstag und Hochfest der Gottesmutter Maria, zelebrierte der Apostolische Nuntius das Hochamt um 11:00 mit der Pfarre Medjugorje und vielen Pilgern.

In seiner Predigt bei der Mitternachtsmette am Silvesterabend wies der der Apostolische Nuntius Luigi Pezzuto darauf hin, dass die Zeit ein Geschenk Gottes sei, jene Dimension, in der sich all unsere Entscheidungen abspielen, in der man die eigenen Grenzen erfahre, aber vor allem die Vorsehung Gottes. Dies sei wahrhaftig die Zeit der Rettung, die wir mit Eifer und in der Liebe und Barmherzigkeit durchleben sollten.

Erzbischof Pezzuto rief er die Gläubigen auf, eine geistliche Pause in der Eucharistiefeier einzulegen, um zu meditieren, zu beten und die eigene und gemeinsame Verantwortung im Hinblick auf den Wert des Friedens zu übernehmen. Auch heute noch sei dies eine Herausforderung für die ganze Menschheit.

Auf diesem Weg der Umkehr zu „Handwerkern des Friedens“ würde Papst Franziskus uns an der Hand nehmen und führen, welcher auch dieses Jahr der Weltkirche eine besondere Nachricht unter dem Motto „Eine gute Politik steht im Dienste des Friedens“ anlässlich des Weltfriedenstages am 1. Jänner übermittelt hat.

In beiden Predigten, sowohl bei der Mitternachtsmette als auch am Neujahrstag ging der Apostolische Nuntius auf die Ansprache von Papst Franziskus ein. Wörtlich sagte er:

„Wir alle wissen, dass die Suche nach einem Machtstreben um jeden Preis zu Missbrauch und Ungerechtigkeit führt. Das lehrt uns die Geschichte der Menschheit.

Doch was ist das Konzept einer „guten Politik“, das einem guten Gemeinschaftssinn entspricht und aufgeklärt ist durch den Glauben und die christliche Erfahrung?

Ich werde mit den Worten des Papstes antworten: „Die Politik ist ein grundlegendes Mittel, um ein Gemeinwesen aufzubauen und das Tun des Menschen zu fördern (…), aber wenn sie von den Verantwortlichen nicht als Dienst an der menschlichen Gemeinschaft verstanden wird, kann sie zu einem Instrument der Unterdrückung und Ausgrenzung, ja sogar Zerstörung werden. (…) In der Tat stellen die politische Funktion und Verantwortung eine ständige Herausforderung für alle dar, die das Mandat erhalten, ihrem Land zu dienen, die dort lebenden Menschen zu schützen und Voraussetzungen für eine würdige und gerechte Zukunft zu schaffen. Wenn sie sich in grundlegender Achtung des Lebens, der Freiheit und der Würde des Menschen vollzieht, kann die Politik wirklich zu einer hervorragenden Form der Nächstenliebe werden.“

Eine gute Politik ist als ein Resultat des Wirkens und der Fähigkeiten jeder einzelnen Person zu sehen, die ihren persönlichen Beitrag der Welt anbieten soll. Unter all den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen sollte man den Jugendlichen ein Vorrecht geben, im Besonderen in Bosnien und Herzegowina, aber auch in allen Ländern des Balkans sowie der ganzen Welt. Ein großes Problem der Jugendlichen, das die Wurzel allen Übels darstellt, ist die Versuchung zu zweifeln und zu misstrauen. Auch Papst Franziskus verkündet: „Wenn die Ausübung der politischen Macht einzig auf die Wahrung der Interessen bestimmter privilegierter Personen abzielt, wird die Zukunft beeinträchtigt; junge Menschen stehen in Gefahr, ihr Vertrauen zu verlieren, weil sie dazu verurteilt sind, am Rande der Gesellschaft zu bleiben, und keine Möglichkeit haben, die Zukunft mitzugestalten.“

Wir sind tatsächlich Zeugen zahlreicher Beispiele der Diskriminierung von Jugendlichen. Einerseits wird den Jugendlichen die Möglichkeit genommen, an einem Projekt teilzunehmen, um die Zukunft mitzugestalten. Andererseits wird ihnen die Gewissensruhe aufgrund mangelnder zukünftiger Perspektiven genommen. Dies führt zur Verzweiflung und Beklommenheit auf der Suche nach einer Perspektive, manchmal sogar einer utopischen, auch außerhalb des Herkunftslandes.

Es ist also notwendig, die Jugend in den „Aufbau der Zukunft“ mit einzuschließen, ihnen Vertrauen entgegenzubringen und genug Freiraum für ihr eigenes Wirken zu sichern, sodass sie als Hauptfiguren des Wachstums und Fortschritts in ihrem eigenen Land agieren können.

Und noch ein Thema spricht Papst Franziskus in seiner Rede an. Er erkennt die grundlegende Ursache für den Terror gegen die Schwächsten der Menschen, der ein ganzes Volk dazu zwingt, ins Exil zu gehen und sich auf die Suche nach einem neuen Ort des Friedens zu begeben. Der Terror vertreibt Menschen, zusätzlich macht er sie schwach an Leib und Geist und zwingt sie manchmal dazu, extreme Entscheidungen zu treffen, die einen Akt gegen die menschliche Würde und Gerechtigkeit darstellen. Deswegen ermahnt Papst Franziskus die Welt der Politik: „Nicht tragbar sind politische Diskurse, welche die Migranten aller Übel beschuldigen und den Armen die Hoffnung nehmen.“

Stattdessen soll im Hinblick auf das Phänomen der Migration die Achtung vor jeder Person, die Achtung der Grundrechte jedes einzelnen Menschen und des Gemeinwohls im Vordergrund stehen, sowie die Achtung vor der Schöpfung, welcher die Ethik und das moralische Gewissen zugrunde liegen.

Die Botschaft für den 1. Jänner 2019 trägt auch den „Keim der Gemeinschaft“ in sich, die auf jenem sozialen Zusammenhalt gründet, in dem die persönlichen und gemeinschaftlichen Bemühungen zum Wohle aller zum Ausdruck kommen. Der heilige Johannes XXIII. schreibt in seiner Enzyklika „Friede auf Erden“ aus dem Jahre 1963: „Zugleich steht es dem Menschen kraft des Naturrechtes zu, an der geistigen Bildung teilzuhaben, d.h. also auch das Recht, sowohl eine Allgemeinbildung als auch eine Fach- und Berufsausbildung zu empfangen, wie es der Entwicklungsstufe des betreffenden Staatswesens entspricht. Man muss eifrig darauf hinarbeiten, dass Menschen mit entsprechenden geistigen Fähigkeiten zu höheren Studien aufsteigen können, und zwar so, dass sie, wenn möglich, in der menschlichen Gesellschaft zu Aufgaben und Ämtern gelangen, die sowohl ihrer Begabung als auch der Kenntnis entsprechen, die sie sich erworben haben (vgl. Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1942 ).“

In diesem Zusammenhang ist sehr bedeutend, dass Papst Franziskus den 5. Abschnitt seiner Botschaft den Jugendlichen und den Politikern widmet: „Gute Politik fördert die Beteiligung junger Menschen und das Vertrauen in andere.“ Das ist besonders in Bosnien und Herzegowina wichtig, wo wir keine Migration an Jugendlichen erleben, sondern einen Auszug ins Ausland. „Wenn die Politik hingegen in der Förderung junger Talente und Berufungen, die nach Verwirklichung streben, einen konkreten Ausdruck findet, wird der Frieden in den Gewissen wachsen und auch auf den Gesichtern sichtbar sein. Es kommt zu einem dynamischen Vertrauen im Sinne von: Ich vertraue dir und glaube mit dir an die Möglichkeit, gemeinsam für das Gemeinwohl zu arbeiten.“

Durch den Mangel an Vertrauen entsteht Angst, welche bei allem, was anders ist, zum Vorschein kommt. Euer Land befindet sich in einer besonderen Situation. Zum einen ist es ein Land, das viele aufgrund eines besseren Lebens verlassen, und zum anderen ein Land, das von vielen auf der Suche nach einem besseren Leben besucht wird. Daher sind Verzweiflung und Unverständnis oft Ursache von Missverständnissen. Der Hl. Vater erklärt in seiner Botschaft: „Stattdessen muss betont werden, dass der Frieden auf der Achtung jedes Menschen unabhängig von seiner Geschichte, auf der Achtung des Gesetzes und des Gemeinwohls, sowie der uns anvertrauten Schöpfung und des reichen sittlichen Erbes früherer Generationen beruht.“

Im letzten Kapitel seiner Botschaft vertraut der Hl. Vater den Frieden in der Politik der Muttergottes an. Zusammen mit ihm übergeben auch wir ihr dieses Anliegen. Möge uns heute und immer der Schutz und die Fürsprache unserer Mutter begleiten, der Muttergottes, der Mutter der Kirche und Königin des Friedens.

Amen

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